Bücherfragebogen (17): Augen zu und irgendein Buch aus dem Regal nehmen

by - März 06, 2011

Ich habe geschummelt! Aber es ist wie bereits gesagt recht schwierig, alle meine Favoriten in diesem Fragebogen unterzubringen, und deshalb kann ich keineswegs wirklich einfach ein beliebiges Buch aus dem Regal nehmen und somit Gefahr laufen, hier Granaten wie Charlaine Harris vorzustellen, während als Konsequenz wirkliche Lieblinge völlig unerwähnt bleiben. Und in letztere Kategorie fällt definitiv Max Barry. Jeder, der in einem Büro arbeitet, sollte einmal Company (deutsch: Chefsache) gelesen haben, und jeder mit Marketingerfahrungen Syrup (deutsch: Fukk, aber nicht mehr im Handel): Beide Bücher schildern erschreckend plausibel, wie es wäre, wenn die eigenen, alltäglichen Arbeitserfahrungen in ihrer Absurdität noch ein klitzekleines bisschen gesteigert würden - das Ergebnis ist gleichermaßen irrsinnig, lustig und - hier liegt die Kunst - nachvollziehbar.



Und jeder, der sich schon einmal Gedanken über das logische Endergebnis von zunehmender Privatisierung und somit Machtzunahme der großen Konzerne gegenüber staatlichen Einrichtungen gemacht hat, sollte es einmal mit Jennifer Government (deutsch: Logoland) versuchen. Auch hier gilt: Barrys Phantasiegeschichte ist erschreckend realistisch. In naher Zukunft liegt die Weltmacht bei Konzernen wie Nike, Mc Donald's oder Shell. Es gibt zwar noch Staaten und auch öffentliche Einrichtungen wie die Polizei, diese haben aber minimale Handlungsmöglichkeiten, da auch sie profitorientiert arbeiten müssen.

Im Roman beschließt Nike, einen neuen Turnschuh damit zu vermarkten, dass im Trubel um dessen Neuvorstellung Menschen wahllos (und angeblich von anderen Kunden) erschossen werden - damit soll die Begehrtheit des künstlich verknappten und extrem teuren Schuhs ins Unermessliche gesteigert werden. Der mit dieser Aktion berauftragte Nike-Angestellte, wagt nicht, die auch in dieser Realität moralisch zweifelhafte Tat auszuführen, und geht zur Polizei. Diese schreitet nicht etwa ein, sondern bietet ihrerseits an, die Morde auszuführen und gibt den Auftrag gleich an die NRA weiter. Und die titelgebende Jennifer Government (alle Menschen tragen nämlich statt eines Nachnamens den ihres Arbeitgebers) versucht, in diesem Outsourcinggewirr einer Amok gelaufenen freien Marktwirtschaft etwas zu finden, mit dem sie Nike eine Straftat nachweisen kann.

Wie gesagt, der wahre Gruseleffekt besteht darin, dass man sich beim Lesen immer wieder fragen muss, wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist, und zwangsläufig kommen einem bereits existierende Tendenzen in den Kopf, wie etwa von US-Firmen gesponsorte Schulbücher oder auch der BP-Skandal.

Eine Vision, die einen nach dem Lesen lange nicht mehr loslässt, und die sich sicherlich auch filmisch gut umsetzen ließe - nur das Finden von Sponsoren wäre in diesem Fall sicher recht schwierig ...

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