Neulich beim Konzermarathon (2): Magic Arm, Frida Hyvönen und Au Revoir Simone im Wiener Odeon

by - Oktober 04, 2013


Wenn man das Wiener Odeon betritt, erscheint es als ideale Konzertlocation: Ein prachtvoller Säulensaal schafft eine feierliche Atmosphäre, während bequem gepolsterte Zuschauerplätze auf einer kleinen Tribüne eine gute Sicht garantieren und schmerzende Füße vermeiden. Ganz automatisch richtet man seine volle Konzentration auf das Bühnengeschehen, und die Akustik stimmt auch.

Am Eingang des Gebäudes steht etwas von "Börse", und tatsächlich handelt es sich um die ehemalige Rohstoffbörse, die im 2. Weltkrieg beschädigt wurde: Bis 1989 wurde das Gebäude überhaupt nicht genutzt, dann übernahm es die Theatergruppe Separations Ensemble und erweckte es zum Leben. Zum Glück, denn sämtliche Künstler, die wir gestern dort sahen, waren voll Lob für den schönen Auftrittsort.


Der erste von ihnen, Magic Arm, wurde von einer aufgezeichneten, englischsprachigen Stimme feierlich angekündigt, und erschien dann als eine Art Anti-Höhepunkt: ein einzelner bärtiger Mann mit einem vollgepacktem Rucksack, als käme er gerade direkt vom Bahnhof. Auf der Bühne befanden sich bereits Gitarre, Keyboard und ein winziges Schlagzeug, in das auch ein Hartschalenkoffer eingebaut worden war.


Die ersten Lieder, "Is History", "Daft Punk is playing at my house" und "You should know", trug der Künstler allein vor, wobei er sich beim letztgenannten auch selbst an der Mundharmonika begleitete. Er griff auch immer wieder auf die Loop-Technik zurück, um sich unterschiedlichen Instrumenten widmen zu können, während das vorherige quasi allein weiter spielte oder er mit sich selbst im Duett sang.

Nach diesen drei Songs betrat ein weiterer junger Mann, der uns als Ben vorgestellt wurde, die Bühne, und nahm am Schlagzeug platz. Er begleitete den nächsten Song auf der Klarinette ("Put your collar up"), betätigte aber später ebenfalls das Schlagzeug, spielte Melodika ("Six cold feet of ground") und pfiff ("Tonight I walk Alone").



Die beiden erzählten uns, dass sie am Vorabend in München in einer Art Werkstatt gespielt hätten, und das der Kontrast zum Odeon nicht hätte größer sein können. Außerdem sei man erst seit acht Tagen gemeinsam unterwegs. Die fehlende Routine erklärte vielleicht, dass der arme Ben nach drei Liedern die Bühne wieder verlassen musste, weil Mark das folgende Lied "Warning Sign" allein darbieten wollte. Dafür wurde Ben bei seiner darauf folgenden Rückkehr nochmals vorgestellt: "This is Ben, you've met him before".



Aber gerade die sich gelegentlich ändernde Konstellation auf der Bühne sowie der Einsatz unterschiedlicher Instrumente - zusätzlich zu den bereits genannten wurde die Gitarre auch mit Geigenbogen bedient - ließ den Auftritt und die Präsentation des Album "Images Rolling" kurzweilig wirken, die 45 Minuten gingen schnell vorbei. Der Saal hatte sich zwischenzeitlich gefüllt, statt ca. 30 Zuschauern am Anfang waren wir nun eher 60.



Setliste:
Is history
Daft Punk is playing at my house
You should know
Put your collar up
Six cold feet of ground
Tonight I walk alone
Warning sign
Great Life
Widths and Heights
Rested Bones


Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit der Schwedin Frida Hyvönen. Diese kannte ich im Vorfeld überhaupt nicht, hatte aber im Programmheft gelesen, bei ihr sei alles - Lieder, Auftreten, Konversation- sehr "anders". Als die Künstlerin die Bühne in einer Art Elvis-Superhelden-Papageienkostüm betrat, dessen Schleppe von einer schwarzgekleideten Frau getragen wurde, begann ich zu verstehen, was der Programmheftautor gemeint haben könnte.

Frida stellte uns ihre Kollegin als ihre beste Freundin Marlene vor und erklärte zusätzlich, dass sie normalerweise gerne erzähle, man aber heute nur 45 Minuten für den Auftritt habe und sie deshalb versuchen wolle, möglichst wenig zu sagen. Los ging es also mit dem ersten Song "Djuna", bei dem sich Frida selbst am Flügel begleitete (was bei allen folgenden Liedern so bleiben sollte), wobei Marlen gelegentlich dazu trat und mitspielte. Anschließend begab sie sich auf die andere Bühnenseite, spielte dort Keyboard und sang häufig mit.


Frida biss zwischen den einzelnen Liedern immer wieder von einem mitgebrachten Apfel ab - das hatte ich bei einem Konzert auch noch nie gesehen. Immerhin bekamen wir später das Angebot, ebenfalls abzubeißen, dem allerdings niemand nachkam.

Trotz des selbst auferlegten Redeverbots bekamen wir einiges erzählt, so handelt das Lied "Farmor" von Fridas Großmutter, bei der sie als Kind viel Zeit verbrachte. Das darauf folgende "Picking Apples" erzählt, wie die Künstlerin am Haus der mittlerweile verstorbenen Großeltern vorbeifuhr und dort spontan die Apfelbäume aberntete - sollte der mitgebrachte Apfel etwa eine Anspielung auf diese Geschichten über ihre Familie sein?


Auch für das Kostüm bekamen wir eine Erklärung: Frida hatte es sich in Russland designen lassen, als "a mix between the Pope and a rainbow". Da sie bei der Materialwahl auf Seide bestanden habe, sei das Endergebnis sehr teuer geworden, so dass sie nun quasi gezwungen sei, es für die gesamte Tournee zu tragen.

Vielleicht wegen des doch nicht ganz vermeidbaren Redeflusses geriet die Künstlerin dann doch noch in Zeitnot: Während auf der Setliste bereits im Vorfeld drei Lieder durchgestrichen worden waren, musste sie auch das dort noch vermerkte "Terribly Dark" weglassen und beendete das Konzert mit "Dirty Dancing", einem Song über die Wiederbegegnung mit ihrer Jugendliebe.


Auch dieses Konzert erwies sich durch die Skurrilitätenkabinett des Auftritts, aber auch durch die Geschichtenlastigkeit der Lieder als ausgesprochen kurzweilig. Das Publikum war mittlerweile auf etwa 150 Personen angewachsen.


Setliste:

Djuna!
Birds
Once I was a serene teenaged child
I drive my friend
Farmor
Picking apples
Saying Goodbye
You never get me right
Dirty Dancing


Weiter ging es mit den Headlinern dieses Abends im Odeon, den New Yorkerinnen Au Revoir Simone. Aus irgendeinem Grund halfen nur Heather (schwarzhaarig) und Annie (brünett) beim Aufbau der Synthesizer - vielleicht fühlte sich Erica (blond) mit ihrer Entscheidung, im Gegensatz zu ihren dunkel-schick gewandeten Kolleginnen eine unförmige weiße Karottenhose zu tragen, doch nicht so wohl? Heather hatte mit auffälligen Haarreif, Minirock und kurzem T-Shirt bereits beim Auftritt von Frida Hyvönen vor uns gesessen, was uns aber erst klar wurde, als wir sie nun wieder sahen.


Wenig später fanden sich alle drei Bandmitglieder hinter ihren Keyboards von Nord, Roland und Korg ein und begannen zu spielen. Aber so richtig wollte der Funke nicht auf mich überspringen, denn anders als ihre Vorgänger erwiesen sich Au Revoir Simone zunächst als nicht sonderlich unterhaltsam. Es gab nicht nur quasi keine Kommunikation mit dem Publikum, auch der Gesang fiel meist, insbesondere, wenn Heather involviert war, allzu leise aus.

Am meisten Unterhaltung bot noch Annie, die nach wenigen Liedern ihre Pumps auszog und am mittleren Keyboard seltsame Verrenkungen veranstaltete. Nachdem Au Revoir Simone zunächst Songs ihres neuen Albums "Move In Spectrums" präsentiert hatten, kündigten sie einen Song einer ihrer Lieblingsbands aus den 90ern an: Bei der (leider auch nicht sonderlich gelungenen) Mazzy Star-Coverversion "Fade into you" teilten sich die drei Damen den Gesang, griff Annie zum Bass und lief spielend auf der Bühne hin und her.


Ab der neuen Single "Crazy" wurde aber alles besser: Die Songs wurden stärker und Heathers Stimme hörbarer. Für die letzten drei Songs - auch Au Revoir Simone waren letztlich vom strikten 45-Minuten-Zeitlimit überrascht - könnte ich mit einem Mal verstehen, was die Leute (inzwischen mussten es weit mehr als 200 geworden sein) an der Band finden. Beim letzten Song "Shadows" Griff zur Abwechslung Erica zum Bass.

Anschließend hätte man im Foyer noch mit sämtlichen Künstlern des Abends sprechen können. Die Au Revoir Simone-Damen überraschten dabei, indem sie, die auf der Bühne so distanziert gewirkt hatten, nun mit großer Begeisterung und Freundlichkeit ihre (anscheinend ausschließlich männlichen) Fans begrüßten.


Setliste:

Just like a tree
Gravitron
Only you can make you happy
We both know
Knight of wands
Let the night win
Fade into you
Crazy
Somebody Who
Shadows


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