Neulich beim färöischen Sprachkurs: Eivør im Bensheimer Rex

by - November 21, 2015


Bensheim ist ein 40.000-Einwohner-Ort an der Bergstraße. Das dortige Musiktheater Rex bucht mit besonderer Vorliebe die ganz großen Namen: Seien es Iron Maiden, Coldplay, Simon & Garfunkel, Pink oder die Bee Gees, alle kommen sie nach Bensheim. Während man sich aber noch freut, Chris Martin und Co. bei der kommenden Tournee in kleinem Rahmen und für wenig Geld sehen zu können, entlarvt ein zweiter Blick ins Programmheft die angekündigten Coldplay als "Goldplay", und analog entpuppen sich bei genauerer Lektüre alle der Genannten als Cover-Künstler. Im November hatte man im Rex allerdings auch die Möglichkeit, die Levellers (die echten) und Mia. zu sehen. Und am Freitag war dort die färöische Sängerin Eivør Pálsdóttir zu sehen - es gibt insgesamt übrigens weniger Färöer als Bensheimer, nämlich um die 35.000.


Grund genug für mich, nach dem Büro einmal nicht in den Zug nach Hause sondern in einen an die Bergstraße zu steigen. Mein Freund ist ein starker Befürworter des Hobbys "Groundhopping" in Bezug auf Konzert-Veranstaltungsorte, und in Bensheim waren wir noch nie gewesen. Das Rex entpuppte sich als der ehemalige Güterbahnhof der Stadt, sehr verkehrsgünstig in der Nachbarschaft mehrerer Supermärkte gelegen. Selten verlief die Parkplatzsuche bei einem Konzert derart entspannt.


Im Inneren entpuppte sich das offensichtlich frisch renovierte Rex als recht große Halle, in deren Publikumsbereich man Stehtische mit Barhockern aufgebaut hatte - von denen die meisten bei unserem Eintreffen bereits besetzt waren. Als wir uns im hinteren Bereich niederließen, kam quasi sofort jemand, um unsere Getränkebestellung aufzunehmen, auch einen Flammkuchen hätten wir uns bestellen können. Die anderen Gäste waren in vielen Fällen älter als wir, und wir fragten uns, wie viele von ihnen die Künstlerin des Abends bereits kannten.


Während wir also unsere Getränke konsumierten und warteten, spielte der Soundmann von Eivør schon einmal einstimmende Musik von Emiliana Torrini und vom Twin Peaks-Soundtrack. Nachdem es keine Vorband gab, mussten wir uns nicht lange gedulden, bis die Künstlerin mit zwei Mitmusikern die Bühne betrat. Nun galt es zu entscheiden, wo wir das Konzert verfolgen wollten: Die meisten Gäste blieben einfach an ihren Tischen sitzen, nachdem unserer aber doch eine sehr suboptimale Sicht auf die Bühne bot, gingen wir letztlich einfach nach vorne.


Eivør steht bereits auf der Bühne, seit sie 13 war, und nach vielen vorherigen Veröffentlichungen hat sie dieses Jahr gleich zwei neue Alben heraus gebracht, eines auf Englisch ("Bridges") und eines auf Färöisch ("Slør"). Diese beiden bildeten auch die Grundlage für die Setliste des Abends. Mein Freund freute sich besonders auf "Petti Fyrir Petti", das laut einer Songliste, die er im Netz gefunden hatte, als fünfter Song hätte gespielt werden sollen - was aber dann nicht der Fall war.


Eivør trug ein recht seltsames Kleid, das schwarzen Samt, Ledereinsätze und eine weiße Countrybluse vereinigte, dazu eine schwarze Leggings mit vielen beabsichtigten Löchern und nackte Füße. Ihre blonden Haare trug sie offen, hatte aber zwei kleine Dutts, die mich an Björk in den 90ern erinnerten - oder an die Love Parade in derselben Zeit. Sie hatte zwei junge Männer, ebenfalls Färöer, dabei, von denen der eine Schlagzeug spielte und manchmal sang und der andere abwechselnd Keyboard, Moog und Bass bediente. Eivør selbst begleitete sich teils mit akustischer, teils mit elektrischer Gitarre, manchmal auf der Ukulele ("The Swing", "Tides") und zweimal auch mit einer großen Handtrommel ("Salt", "Trøllabundin").

Vor den meisten Liedern erklärte die Künstlerin meistens entweder, was der färöische Liedtitel auf Englisch bedeutete oder gab eine kleine Erklärung des Songs. So wissen wir nun, dass "Brotin" "Broken" bedeutet und "Salt" "Salz". Färöisch scheint ja gar nicht so schwierig zu sein, wie ich dachte.


Bei "Trøllabundin" hatte sie extra die deutsche Bedeutung des Titels auswendig gelernt, "verzaubert". Außerdem erklärte sie, dass das Lied sie schon seit vielen Jahren begleitet und sich dabei verändert und sie es deshalb für das aktuelle Album erneut aufgenommen habe - es gibt auch schon eine Veröffentlichung von 2004. In Bensheim sang sie den Song allein, begleitete sich und ihren Gesang dabei nur mit der Trommel und loopte beides, was im Ergebnis erstaunlich rund wirkte und zu einem der Highlights des Abends wurde.

Zu "Boxes" erklärte Eivør, sie habe ihr Haus auf den Färöer Inseln vor einigen Jahren verkauft und dabei beim Ausräumen festgestellt, dass sie viel zu viele Dinge besaß. Als sie dann endlich befreit im leeren Haus stand, schrieb sie den Song.


Nach "True Love" endete das Set zunächst, der ansehnliche Applaus holte die Band aber zurück, was meinen Freund wieder auf "Petti Fyrir Petti" hoffen ließ - stattdessen kam aber eine Coverversion des isländischen Sängers KK, "When I Think Of Angels", die Eivør ein weiteres Mal allein zur akustischen Gitarre vortrug. Mit Bandbegleitung folgte der, laut recherchierter Setliste, letzte Song: doch statt "Petti Fyrir Petti" spielten sie das sehr krachig ausklingende "Wake Me Up".

Als die Musiker nun ein weiteres Mal die Bühne verließen, hatte Bensheim immer noch nicht genug, so dass wir eine zweite Zugabe erklatschten, was gut war. Es handelte sich nun endlich um "Petti Fyrir Petti", was noch besser war. So erfuhr ein schöner Konzertabend einen gelungenen Abschluss.



Setliste:

Bridges
Remember Me
Brotin
Salt
Verð Mín
The Swing
On My Way To Somewhere
Røttu Skóvgarnir
Silvitni
Trøllabundin
Boxes
Tides
True Love

When I Think Of Angels
Wake Me Up

Petti Fyrir Petti

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