Dass ich in den letzten 12 Monaten quasi ständig (na ja, nun bislang dreimal) die Kölner Kantine aufsuchen würde, hatte ich nicht erwartet. Dass ich hier Ride sehen würde, stand allerdings schon seit Januar fest, so lange besaßen wir bereits die Tickets. Und so ging es diesen Freitagabend nach Köln. Unterwegs las ich in einem Stau meinem Freund (und mir) seinen Konzertbericht von 2022 vor, als er die Band aus Oxford ohne mich in Düsseldorf gesehen hatte - und davor ebenfalls ohne meine Begleitung auch in Köln und Brüssel.
Mein eigenes letztes Ride-Liveerlebnis war noch wesentlich länger her: 2017 sah ich die Band sowohl beim Best Kept Secret als auch beim A Summer's Tale-Festival.
Die Kantine liegt etwas außerhalb von Köln. Als wir unseren quasi schon gewohnten Parkplatz gefunden hatte, machte mein Freund eine kuriose Entdeckung: Hinter uns parkte der vielleicht größte Ride-Fan Deutschlands! Ob der Autobesitzer extra nach Rinteln in Niedersachsen gezogen ist, um dieses schöne Kennzeichen zu erhalten?
Im Konzertsaal war bei unserem Eintreffen noch relativ wenig los. Wir hatten ausreichend Zeit, am Merchandise-Stand eine neue Band-Einnahmequelle zu entdecken: Hier konnte man nämlich zum Preis von 15 Euro eine signierte Setliste des Abends vorbestellen. Darüber hinaus hätte man für 60 Euro eine von der ganzen Band signierte Trommelmembran kaufen können.
Wir waren uns unsicher gewesen, ob es eine Vorband geben würde (und hätten angesichts unserer bevorstehenden langen Heimreise nichts dagegen gehabt, darauf zu verzichten). Es gab eine: Das junge Quintett Attic Ocean aus Düsseldorf unterstützt Ride bei allen vier deutschen Konzerten. Die Bandmitglieder sind nach Aussage der Sängerin Hanni selbst große Ride-Fans, was in diesem Fall absolut glaubwürdig ist: Der Sound der Band erinnerte sehr an den des Hauptacts, auf positive Weise. Das Publikum reagierte dann auch sehr begeistert auf das shoegazige Set, vereinzelt konnt man auch Attic Ocean-T-Shirts erkennen - manche waren wegen der Vorband da. Auch mir gefiel das Set, an dessen Ende es Zugabe-Rufe gab, überraschend gut - auch, wenn der Gesang im Gitarrenlärm etwas unterging.
Setliste:
In der Umbaupause hatten wir Gelegenheit, uns das nun aufgebaute Ride-Equipment anzusehen. Rechts auf der Monitorbox befand sich ein kleines Männchen mit Gitarre oder Bass, das ich aus der Distanz zuerst für eine Lego- oder Playmobilfigur hielt. Mein Freund konnte aber ein Foto machen und im Nachhinein recherchieren: Es handelte sich um den Bassisten aus der Astro Boy Diverse Life Series von Pop Mart - also eine Sammelfigur. Gegenüber, auf dem linken Monitor, wo später Andy Bell stehen würde. befand sich eine altmodische Glocke - etwa eine Namensanspielung auf den Gitarristen? Eingesetzt wurde sie zumindest nicht.
Witzelnd überlegten wir, dass die Deko vielleicht dazu diente, den Bandmitgliedern dabei zu helfen, ihre Positionen zu finden: Der Minibassist konnte dem echten Bassisten Steve Queralt den Weg weisen, Andy Bell hatte die Glocke - und als Schlagzeuger Loz Colbert die Bühne betrat, trug er ein T-Shirt mit der Coverart des neuesten Albums, die auch seine Bass Drum zierte - er musste also nur an sich herabsehen, um seinen Platz zu finden. Nur für Mark Gardener gab es keine Hinweise - dabei wäre es doch ein Leichtes gewesen, einen kleinen Rollrasen auszulegen.
Abgesehen von den kleinen Dekoartikeln ging es auf der Bühne ausgesprochen puristisch zu - es gab weder ein Banner noch LED-Animationen, die Musik sollte anscheinend für sich stehen.
Nun war es Zeit für den Hauptact. Ride spielen auf der aktuellen Tour eine relativ feste Setliste, die an vier Stellen Variationsspielraum hat - sowohl, was den genauen Song, als auch, was die Reihenfolge betrifft. Der erste Song "Monaco" stammte vom letztjährigen Album "Interplay", das mit sechs Liedern etwa ein Drittel des Sets für sich beanspruchte. Die zweitmeisten Lieder stammten allerdings vom Debütalbum "Nowhere".
An zweiter Stelle hörten wir "Last Night I Went Somewhere to Dream" - eine mögliche Alternative wäre "Portland Rocks" gewesen. Bei der Alternative "Kill Switch" oder "Future Love" hörten wir Letzteres. "Twiesterella" machte an diesem Abend Platz für "Like A Daydream". "Unfamiliar" machte an diesem Abend Platz für "Black Nite Crash".
Insgesamt führte uns die Setliste durch die gesamte Bandgeschichte, alle Alben außer dem gerüchteweise von der Band verhassten "Carnival of Light" fanden Berücksichtigung. Den Abschluss des Sets bildete einer der ältesten Songs der Band: "Chelsea Girl" von 1989.
Bei den 2017 von mir gesehenen Auftritten war Mark Gardener noch Hutträger gewesen, mittlerweile hat er das offensichtlich aufgegeben - dafür trug Andy Bell ein Käppi. Bereits in meinen Berichten vor acht Jahren hatte mich überrascht, wie groß der Gesangsanteil Bells war - das hatte ich zwischenzeitlich vergessen und konnte mich nun nochmals wundern.
Mark Gardener war tendenziell gesprächiger als erwartet - er freute sich zu Beginn des Auftritts, wieder in Köln zu sein, nach "Last Frontier" erklärte er, der Song stamme vom letztjährigen Ride-Album - wer es noch nicht besäße, könne es sehr gerne am Merch-Stand kaufen. Auch, dass Köln die vorletzte Station der internationalen Tour zu "Interplay" sei, erfuhren wir. Zu "Peace Sign" wurden wir aufgefordert, eines zu machen - viele kamen dem nach.
Den eingangs erwähnten Berichten von den früheren Konzerten hätten wir entnehmen können, dass die ordentliche Lautstärke bei Ride offensichtlich auch in der Vergangenheit ein Thema war. Ich war froh, meine Konzert-Ohrenstöpsel dabei zu haben, meine Begleiter hatten leider keine bei sich - meine Smartwatch machte mich dann gleich mehrfach darauf aufmerksam, dass es wirklich sehr laut sei (angeblich bis zu 114 dB). Als wir die Halle verließen, bemerkte mein Freund, dass das der Merch-Stand das signierte "Trommelfell" zwischenzeitlich verkauft hatte und merkte an, er könnte nun auch gut ein neues gebrauchen...
Wieder ein sehr schönes Ride-Konzert! Hoffentlich erfüllt die Band in naher Zukunft auch den Wunsch meines Freundes nach einer "Going Blank Again"-Tour.
Setliste:
0 Kommentare