Neulich als ich einen Blick erhaschte: Lana del Rey in der Frankfurter Jahrhunderthalle
Was war das für ein Krimi gestern! Lana del Reys Konzert in der Frankfurter Jahrhunderthalle war bereits lange vor seinem Stattfinden ausverkauft gewesen. Für Kurzentschlossene blieb nur noch eBay, doch dort erreichten selbst am Tag des Konzerts die Tickets geradezu astronomische Preise. Letztlich ergatterten wir dann spontan noch zwei Karten zu dem Preis, den sie auch im Vorverkauf gekostet hätten (was immerhin auch teure 45 Euro pro Ticket waren), holten diese – es war bereits Abend – in einem Frankfurter Vorort ab und machten uns damit schnellstens auf den Weg zur Jahrhunderthalle. So hatten wir uns das zumindest vorgestellt, tatsächlich fuhren wir schon lange vor der Autobahnausfahrt „Jahrhunderthalle“ in einen so gewaltigen Stau, dass ich mich fragte, wie viele Gäste diese Jahrhunderthalle eigentlich fasst.
So näherte sich und verstrich der auf den Tickets angegebene Beginn des Konzerts (20 Uhr), ohne, dass wir auch nur in der Nähe der Halle waren. Nicht zum ersten Mal ärgerte ich mich dabei über die deutsche Gewohnheit, einfach eine Uhrzeit auf die Eintrittskarten zu schreiben, ohne dabei zu erläutern, ob es sich um die Einlass- oder Anfangszeit handelt. Die Briten schreiben sehr gerne Dinge wie „Doors: 8PM“, da weiß man zumindest gleich Bescheid.
Schließlich passierten wir die neben der Jahrhunderthalle liegende Fraport-Arena, in der offenbar ein Basketballspiel stattfand, zu dem in etwa die Hälfte der Staumitglieder abbogen. Parken, Einlass und Garderobenabgebe waren dann anschließend vergleichsweise flott zu erledigen, so dass wir um etwa viertel nach Acht in die Halle eilen konnten – wo sich zwar zeigte, dass 20 Uhr in der Tat die Konzertbeginnzeit gewesen war, zum Glück aber die der Vorband Kassidy.
Kassidy boten extrem amerikanisch klingenden Gefühlsrock (die Band stammt aber in Wirklichkeit aus Schottland), der mich so gar nicht packen konnte, aber offenbar viele im Saal begeisterte – es handelte sich eben um ein Mainstream-Konzert. Nachdem die Vorband überstanden war, hatten wir Zeit, uns ein wenig umzusehen und stellten fest, dass sicherlich zwei Drittel des Publikums weiblich waren – leider waren die wenigen Männer allerdings sehr groß und standen vor mir.
Dieses Problem ließ sich trotz einer über 40 Minuten langen, von kakophonischer Musik begleiteten, Umbaupause und einigen Versuchen, weiter nach vorne zu gelangen, nicht lösen, so dass ich, als Lana del Rey zu ohrenbetäubendem Beifall und auch viel Gekreische die Bühne betrat, zunächst gar nicht sah und auch im Verlauf des Konzerts nur immer wieder einmal einen Blick auf die Sängerin erhaschen konnte. Viele Aspekte der nachfolgenden Beschreibungen musste ich deshalb den Eindrücken meines Begleiters – und seinen Fotos – entnehmen.
Die Bühne war – als Indie-Konzert-Besucher ist man ja an nichts gewöhnt – recht aufwändig dekoriert. Zwei große Löwenskulpturen markierten die beiden Bühnenränder, dazu gab es riesige Kerzenleuchter (sicher elektrisch), Palmen, mehrere auf den Dekoelementen trohnende, Schmuck tragende Raben, eine US-Flagge und eine Hängelampe. All das befand sich vor eine goldenen „Häuserwand“, die scheinbar von Pflanzen bewachsen und Spinnweben überzogen war, tatsächlich aber als Projektionsfläche für Videos und Filme diente.
Lana selbst trug ein relativ schlichtes schwarzes, kurzes Kleid mit langen Spitzenärmeln, dazu aber einen Blumen-Kopfputz, der dem Single-Cover von „Video Games“ ähnelte, und von dem auch noch bunte Bänder herabhingen.
Das Konzert begann mit „Cola“ und hielt sich über weite Strecken an die 15 bis 17 Titel umfassende Setliste, die die Künstlerin zurzeit bei allen ihren Auftritten nutzt. Sie verließ mehrmals, auch schon während „Cola“, die Bühne, um zu den jungen, größtenteils weiblichen Fans in den ersten Reihen zu gehen (ob die wohl alle wussten, was sie in dem Song eigentlich singt?).
Zu den Singles wurden auf der „Wand“ jeweils die zugehörigen Videoclips eingespielt, bei anderen Songs gab es thematisch passende Bilder: Zu „Million Dollar Man“ zeigte man Spielkasino-Schriftzüge aus Las Vegas, Bilder von Elvis, Marilyn und Jesus bei „Body Electric“ („Elvis is my daddy, Marilyn’s my mother, Jesus is my bestest friend“), Raketenstarts und weitere typisch amerikanische Ikonen bei „American“.
Von den drei Coverversionen, die Lana bei ihrer aktuellen Tour häufig spielt, wurde „Heart Shaped Box“ von Nirvana weggelassen. Der H&M-Werbesong „Blue Velvet“ ließ die Bühne in wiederum dazu passendem blauen Licht erstrahlen, „Knocking On Heaven’s Door“ (was bringt Künstler eigentlich dazu, dieses ausgelutschte Lied covern zu wollen?) wurde zu meiner Erleichterung nur kurz angespielt.
Bei der Band war, wie schon bei der Bühnendekoration, nicht gespart worden: Vier männliche Musiker bedienten Gitarre, Flügel, Bass und Schlagzeug, vier schwarz gekleidete Musikerinnen spielten, mit Blume in Haar, Geigen und Cellos. Die Musiker agierten im Hintergrund, wurden auch nicht vorgestellt, verneigen sich aber am Ende gemeinschaftlich am Bühnenrand.
Was gibt es sonst noch zu berichten? „Ride“ wurde von einem so langen Intro eingeleitet, dass mein Begleiter schon vermutete, die gerade abwesende Lana sei gerade beim Kostümwechsel, das entpuppte sich jedoch als falsche Hypothese. Bei „Summertime Sadness“ ging zu Beginn irgendetwas Technisches schief, so dass zum zweiten Mal angesetzt werden musste. Und der letzte Song, „National Anthem“ wurde durch einen unfassbar langen Instrumentalteil auf sicherlich mehr als zehn Minuten gedehnt. Lana nutze ihn dafür, Geschenke entgegen zu nehmen, Autogramme zu geben, Fans zu umarmen und Küsschen zu verteilen, was man auf der Videoleinwand beobachten konnte.
Wie gefiel mir all das nun? Ehrlich gesagt war es dauerhaft ziemlich störend, dass ich so gut wie nichts sehen konnte. Ein Versinken in das Konzerterlebnis war auf diese Art schlicht unmöglich. Dafür konnte ich mich besser auf Lana del Reys Singstimme konzentrieren, deren Livequalitäten ja bereits massiv kritisiert wurden. In Frankfurt sang sie größtenteils wunderbar. Auch die Songs – im Grunde gibt es ja erst ein, mit jedem Re-Release länger werdendes, Album – gefielen mir live ausgesprochen gut, und ich dachte mir bei vielen am Anfang „Ach stimmt ja, das ist ja auch ein tolles Lied“.
Kritisieren würde ich die arg generischen Zwischenansagen. Schön, dass sich Lana freute, anwesend zu sein, sie äußerte auch mehrmals ihre Dankbarkeit für die Begeisterung des Publikums, aber irgendwie beschränkten sich ihre Äußerungen auf Sätze, die man so schon hundertmal bei anderen Konzerten gehört hatte. Dem widersprach allerdings ihre bereits erwähnte intensive Fanbetreuung während der Gesangspausen.
Insofern war das für eine Künstlerin, die im Grunde noch am Anfang ihrer zugegebenermaßen steilen Karriere steht, ein durchaus schöner Auftritt. Ich bin gespannt, wie es weiter geht und packe beim nächsten Konzert Stelzen ein.
Setliste:
Cola
Body Electric
Gods and Monsters
Blue Jeans
Born to Die
Carmen
Million Dollar Man
Blue Velvet (Tony Bennett Cover)
American
Without You
Knockin' on Heaven's Door (Bob Dylan Cover)
Ride
Summertime Sadness
Burning Desire
Video Games
National Anthem
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