Podcasts erzählen Geschichten (2): Untold - the Daniel Morgan Murder und Der talentierte Mr. Vossen
Im Kielwasser des Erfolgs von "Serial" sind mittlerweile noch viele andere Podcasts produziert worden, die ähnlich wie ihr Vorbild das flexible Format dafür nutzen, eine etwas längere wahre Geschichte zu erzählen. Häufig drehen sich die Formate um Verbrechen, gerne auch um ungeklärte. So ist das auch bei "Untold - the Daniel Morgan Murder".
Daniel Morgan war ein Privatdetektiv aus dem südlichen London, der bereits 1987 unter mysteriösen Umständen auf dem Parkplatz eines Pubs mit einer Axt erschlagen wurde. Die Umstände des Verbrechens an sich waren seltsam, so war beispielsweise die Uhr des Opfers gestohlen worden, nicht aber seine Geldbörse. Dafür fehlten Notizen, die Morgan hätte bei sich haben müssen.
Dass das Verbrechen nach wie vor ungelöst ist, erweist sich bei diesem Podcast als weniger entscheidend als die Tatsache, dass die Metropolitan Police sich offenbar nicht im geringsten bemühte, etwas zur Aufklärung zu unternehmen und im Gegenteil offenbar großes Interesse daran hatte, den Mord zu verschleiern. Im Laufe von zwanzig Jahren gab es fünf offizielle Untersuchungen des Verbrechens, die allesamt scheiterten. Ohne das große Engagement der Familie des Ermordeten - sein Bruder kommt im Podcast häufig zu Wort - wäre der Mord mittlerweile sicherlich längst vergessen.
Im Grunde ist klar, dass Morgan entweder von seinem Partner oder dessen guten Freund (der praktischerweise bei der Polizei war und im Rahmen der Ermittlungen genug Gelegenheit hatte, Indizien zu manipulieren) ermordet wurde, zumal der Freund später bei der Polizei ausstieg und stattdessen neuer Teilhaber der Detektei wurde. Beweisen wird man das aber wohl nie können.
Was die Geschichte noch brisanter macht, ist, dass sie ein frühes Licht auf die Verflechtungen zwischen korrupten Polizisten und einer ebensolchen Presse wirft. Als Großbritannien 2011 vom "Phone Hacking Scandal" geschüttelt wurde, bei dem herauskam, dass insbesondere die Zeitung "News of the World" im großen Stil die Telefone Prominenter illegal abgehört hatte, kam unter anderem heraus, dass Jonathan Rees, besagter Geschäftspartner von Daniel Morgan, von der Zeitung 150.000 Pfund pro Jahr erhalten hatte, weil er ihr illegal über korrupte Polizisten Informationen beschaffte.
Tatsächlich wird einem beim Anhören des Podcasts des öfteren übel angesichts der Erkenntnis, in welchem Ausmaß Korruption und Vetternwirtschaft in einem "zivilisierten" Land wie Großbritannien offenbar vorherrschen. Nicht umsonst ist einer der Spender, mit deren Unterstützung der Podcast umgesetzt werden konnte, der Schauspieler Hugh Grant - der selbst bereits Artikel zum Phone Hacking Skandal veröffentlicht hat und ein öffentlicher Fürsprecher ist, wenn es darum geht, die Verantwortlichen strenger zu bestrafen.
Aber wie sieht es eigentlich in Deutschland aus? Auch hier gibt es doch sicherlich Menschen, die in der Lage wären, einen spannenden Podcast im Stil von "Serial" zu machen?
Das dachte sich offenbar auch der NDR und schickte letztes Jahr "Der talentierte Mr. Vossen" ins Rennen. Auch die Geschichte von Felix Vossen ist zweifellos eine gute Podcast-Vorlage: Der Nachfahre der deutschen Handtuch-Hersteller ließ sich als Aktienhändler in London nieder und schaffte es mit großer Geschwindigkeit und ohne nennenswerte Beweise seiner Handelserfolge, Freundschaften zu betuchten Briten zu schließen - die ihm dann schnell ihr Vertrauen schenkten und ihm kurz darauf große Teile ihrer Vermögen zur Anlage anvertrauten. Tatsächlich wurde aber kein Geld investiert: Vossen lebte in großem Stil von den Ersparnissen seiner Freunde, führte ein Doppelleben in der Drogenszene und setzte sich schließlich, nachdem er in 15 Jahren 60 Millionen Euro erhalten hatte und viele Anleger ihr Geld zurück wollten, über Nacht ab. Mittlerweile sitzt er im Gefängnis.
Die Geschichte an sich wirft auch viele Fragen auf: Wollte Vossen von Anfang an seine Freunde betrügen, oder ergab sich das nach und nach? War seine vielfach wahrgenommene nette und bescheidene Persönlichkeit komplett gespielt? Gab es Menschen in seinem Umfeld, die seine Geheimnisse kannten?
Dennoch ist der Podcast für mich eine Enttäuschung. Obwohl er als "Spurensuche" gestaltet ist und der recherchierende Journalist unter anderem nach London, Hamburg und Zürich reist, hatte ich nicht den Eindruck, dass im Rahmen dieser Reisen irgendwelche neuen Erkenntnisse gewonnen wurden. Letztlich weiß man nach dem Anhören der sieben Podcast-Folgen genauso viel, als hätte man einen längeren Artikel zu dem Thema gelesen. Während man als Zuhörer bei "Serial" und auch "Untold" gelegentlich den Eindruck erhält, quasi live dabei zu sein, wenn eine neue Information enthüllt wird - teils werden auch Informationen zu früheren Folgen nachgereicht, die mittlerweile eingegangen sind - erscheint der NDR-Podcast von Anfang an durchgeplant, ohne Raum für spannende Entdeckungen - die es dann auch nicht gibt. Die Geschichte an sich ist faszinierend, aber der Podcast dringt nicht unter ihre Oberfläche.
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