Das Comeback das Musikfernsehens
Dass auf MTV und VIVA zwischen den Klingeltonwerbeblöcken statt Musikvideos praktisch nur noch Realityshows und Promi-Specials laufen, ist längst ein Gemeinplatz. Und lang, lang vorbei sind die Zeiten, in denen man zu einem neuen Lied auch meist gleich das Video kannte, für das im Zweifelsfall eine Unsumme Geld ausgegeben worden war. Das teuerste Video aller Zeiten (immer noch Michael und Janet Jacksons Scream) ist mittlerweile bereits 14 Jahre alt, und angesichts des anschließenden Schicksals des Musikvideokonzepts würde mich eigentlich nicht wundern, wenn dieser Rekord für immer bestehen bliebe.
Aber Musikvideos kann man jetzt wieder ansehen, und wem die Sucherei bei Youtube zu doof ist, der kann jetzt ein neues Medium nutzen: Putpat. Die Website ermöglicht ihren (Beta-) Nutzern, eigene musikalische Interessen anzugeben oder wahlweise einfach ein vorhandenes Last.fm-Profil zu importieren. Die Interessen, also Epochen, Bands oder Stilrichtungen, können am "Veequalizer" feinabgestimmt oder auch abgeändert werden. Aus diesen angegebenen Vorlieben bekommt der Nutzer dann sein höchstpersönliches Videoprogramm zusammengestellt. Beim Zuschauen kann man die gezeigten Clips bewerten oder wahlweise auch "bannen, was bedeutet, dass ein bestimmtes Video oder auch gleich das Gesamtwerk eines Künstlers aus der eigenen Playlist verschwindet.
Wer dem eigenen Geschmack nicht traut oder aber völlig Neues kennenlernen möchte, kann aber auch weitere "Programme" ansehen, deren Videoauswahl nicht vom Nutzer beeinflusst werden kann: Da gäbe es Charts (klassisches MTV-Charts-Zeug), Heimat (Silbermond & Co.), Retro, Rock, Vibes (R&B), Jazzthing, Intro TV (der Kanal zum Heft, also Indie), Festivalguide (Intro-Ableger) und Hooray (Hiphop).
Hat man sich einmal für einen Sender entschieden, kann man die Videos wahlweise im Vollbild auf sich wirken lassen oder auch auf einen Info-Button klicken und weitere Informationen zum Künstler abrufen, darüber hinaus gibt es auch jeweils Neuigkeiten und Tourdaten, einen Link zu amazon.de, um dort mp3s zu kaufen und einen weiteren zur Bandhomepage.
Wie ist das Ganze zu bewerten? Nun, es macht zunächst einmal Spaß, mal wieder Musikvideos zu sehen, und dann auf dem eigenen Kanal sogar noch welche, die dem eigenen Geschmack entsprechen (und die ich zu 95 % nicht kenne, weil man sie eben im Alltag nicht mehr so oft zu Gesicht bekommt). Momentan soll es 20 000 Videos geben, was eigentlich nach viel klingt, dennoch ist die Ladytron-, Kasabian- und Ride-Dichte in meiner Playliste doch etwas unnatürlich hoch. Stört nicht, fällt aber auf.
Und dann wäre da noch die Frage, wer hier eigentlich mit was Geld verdienen will. Die Macher von Putpat sind laut einem Welt-Artikel ehemalige VIVA-Mitarbeiter und planen, den "Sender" teils mit Werbung und teils mit Premiummitgliedschaften zu finanzieren, was wie viele andere Aspekte stark an das Internetradio Last.fm erinnert. Im Artikel heißt es: "Die IP-Adresse des Users verrät dessen Wohnort. Sein Alter gibt der User bei der Anmeldung an. Und auch aus dem gewählten Musikprogramm lässt sich eine Menge über die Vorlieben des potenziellen Kunden ablesen, was für den Werbenden interessant ist. Ideale Voraussetzungen also für zielgruppengenaue Werbespots." Richtig attraktiv klingt das aus Nutzersicht nicht, und auch ein wenig danach, als würde einen als Putpat-Nutzer die früher im Fernsehen erlebte Klingeltonhölle möglicherweise bald wieder einholen.
Warten wir es ab: Momentan läuft noch der Beta-Test, der offizielle Start soll "im Sommer" folgen. Dann wird sich zeigen, wie viel Werbung es braucht, um eine Handvoll Ex-VIVA-Angestellte zu ernähren ...
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