Als mein Freund und ich im Frühjahr den Plan fassten, in diesem Sommer Island zu bereisen, sahen wir uns zunächst die Angebote einiger Reiseveranstalter an, die Pakete aus Flug, Mietwagen und Unterkünften für eine Rundreise anbieten. Der angebotene Preis lag um die 4000 Euro pro Person - sehr teuer also, aber man weiß ja, dass Island auch ein sehr hochpreisiges Land ist.
Eigentlich waren wir schon kurz vor dem Buchen, als wir oberflächlich prüften, was es uns wohl kosten würde, alles einzeln und selbst herauszusuchen - und kamen zu dem Ergebnis, dass es so immer noch teuer, aber doch wesentlich günstiger werden würde - über 1000 Euro ließen sich sparen. Einen Flug und einen Mietwagen selbst zu besorgen, ist natürlich keine Herausforderung, aber 12 Unterkünfte zu finden und zu buchen nahm dann erstaunlich viel Zeit in Anspruch, zumal manche Favoriten zwischen aussuchen und endgültiger Reservierung dann doch nicht mehr verfügbar waren. Außerdem ließen wir uns verleiten, die eine oder andere besonders schöne oder ungewöhnliche Unterkunft zu suchen, was weitere Zeit kostete. Immerhin, irgendwann war alles fertig und bezahlt, die Vorfreude konnte beginnen!
Der eigentliche Island-Urlaub begann - wie bei fast allen Touristen - mit einem Flug nach Keflavik, einem langen Transfer nach Reykjavik und einem Abend in der isländischen Hauptstadt. Hier gingen wir sogar essen, in einem veganen Lokal namens Mama Reykjavik, das ausschließlich Eintöpfe (Chili, indisch etc.) anbietet.
In unserem Hotel stellte sich leider heraus, dass wir bei der Buchung einen Fehler gemacht und versehentlich ein Zimmer ohne eigenes Bad gebucht hatten - vermutlich hatten wir die Worte "Bad" und "Balkon" verwechselt, letzteren hatten wir, aber wer möchte schon in Reykjavik draußen sitzen? Unser Fehler war nicht gerade dramatisch, löste aber natürlich die (letztlich unbegründete) Sorge aus, vielleicht auch bei anderen Buchungen nicht gut genug aufgepasst zu haben.
Für den nächsten Morgen hatte ich den Wecker auf 7 Uhr gestellt. Mein Freund wachte bereits um 5 auf, natürlich war es wie fast immer im isländischen Sommer taghell. Er konnte nicht mehr schlafen und beschloss, schon einmal duschen zu gehen - dann wartete er bis 7 und wunderte sich, dass immer noch kein Wecker klingelte. Erst jetzt realisierte er, dass er seinen iPod im Flugmodus belassen hatte - tatsächlich war es in Island jetzt erst 5 Uhr, und er hatte um 3 Uhr morgens geduscht! Ein bisschen tröstete er sich damit, den anderen Badebenutzern aus dem Weg gegangen zu sein.
Nach dem Frühstück (dieses wurde in einer Papiertüte vor der Zimmertür abgestellt, Kaffee konnte man sich im Zimmer selbst zubereiten) nahmen wir unseren Mietwagen entgegen, ganz im Stil diverser Island-Urlauber einen Suzuki Jimny. Das Auto sieht aus wie ein Jeep im Kleinformat und verfügt über Allradantrieb - diesen benötigt man auf geteerten isländischen Straßen nicht, auf den Schotterstraßen im Hochland aber durchaus. Mein Freund musste sich erst ein wenig an das Auto und vor allem dessen Kupplung gewöhnen, dann ging die große Rundreise auch schon los!
Wir verfügten über einen recht detaillierten Plan dazu, welche Sehenswürdigkeiten an welchem Tag besucht werden sollten. Mein Reiseführer aus der Lonely Planet-Reihe hatte sich als unstrukturierte Enttäuschung erwiesen, weshalb mein Freund kurzerhand und mit viel Mühe ein eigenes Dokument erstellt hatte, in dem für jeden Tag der Reise passende Sehenswürdigkeiten aufgelistet waren. Allerdings war auch von Anfang an klar, dass dieses Programm im Hinblick auf die Menge der Einträge ein wenig zu ambitioniert war - das zeigte sich bereits an diesem Tag.
Die erste Fahrt sollte zur Mosfellskirkja gehen, einer futuristischen Kirche im direkten Umland von Reykjavik. Allerdings navigierte ich uns zunächst zur falschen Kirche - der ebenfalls ausgeschilderten Lágafellskirkja - dann stellte sich heraus, dass die dann doch noch gefundene Mosfellskirkja eingerüstet war.
Die nächste Sehenswürdigkeit war deutlich leichter zu finden: Das isländische Nationaldenkmal Þingvellir ist aus allen Richtungen gut ausgeschildert und verfügt über riesige Parkplätze. Hier waren mein Freund und ich bereits 2017 einmal im Rahmen einer Bustour zum berühmten "Golden Circle", der neben diesem Ort auch das Haukadalur-Tal und den Gulfoss umfasst, gewesen, ohne, dass ich viele Erinnerungen an den Ort hatte.
Dieser ist gleich aus mehreren Gründen für Besucher von Interesse: Hier tagte um 930 eines der ältesten Parlamente der Welt, es ist außerdem der Gründungsort der Republik Island und der Sitz der Sommerresidenz des isländischen Premierministers. Gleichzeitig handelt es sich um einen Ort von geologischem Interesse, denn genau hier stoßen die europäische und die nordamerikanische Kontinentalplatte zusammen.
Was für Island-Besucher fast noch wichtiger sein dürfte: Der Nationalpark ist auch landschaftlich sehr schön. Wir wanderten eine kurze Runde zum Öxararfoss, dem ersten Wasserfall unserer Reise. Später erreichten wir die kleine Kirche Þingvallakirkja, die typisch für die isländische Kirchenarchitektur ist - und ein besonders hübsches Exemplar. Je weiter man sich von den Parkplätzen entfernte, desto mehr verliefen sich auch die Touristenmengen. Wir konnten tolle Aussichten auf die Almannagjá-Schlucht genießen und gewöhnten uns schon ein bisschen an die isländische Landschaft.
Unser nächstes Ziel war der Brúarfoss, für den wir die Landstraße zum ersten Mal verließen und auf einer Schotterstraße entlangzuckelten (auch eine gute Gelegenheit, den Allradantrieb auszuprobieren). Hier erlag ich dem Trugschluss, den ich im Rahmen des Urlaubs noch diverse Male zog: Dank der beschwerlichen Anfahrt erwartete ich, dass wir am Wasserfall mehr oder weniger allein sein würden.
Tatsächlich endete die Straße ins scheinbare Nirgendwo an einem Parkplatz, auf dem es sogar einen Foodtruck gab - und auf dem schon diverse andere Touristenautos parkten. Ein kurzer Fußweg führte zum Wasserfall, der in der Tat sehenswert ist: Sein Wasser wirkt geradezu unnatürlich blau. Mein Freund holte die extra für den Urlaub gekaufte Drohne heraus und nahm sein erstes Video auf.
Hier zeigte sich, wie vorher schon im Nationalpark, dass es überall in Wassernähe zahlreiche Mücken gab, die zwar mehrheitlich nicht stachen, einem aber ständig ins Gesicht flogen. Andere Touristen hatten sich deshalb zum Teil Netze über den Kopf gezogen und trugen diese sogar auf ihren Urlaubsfotos. Vor allem angesichts dieser Netze befürchteten wir schon, dass uns die Mücken für den ganzen Urlaub begleiten würden - das war dann jedoch gar nicht der Fall.
Lange konnten wir nicht verweilen, wir hatten ja noch so viel vor! Als nächstes stand ein weiteres klassisches Touristenziel auf der Liste, das wir ebenfalls bereits 2017 besucht hatten: Das Haukadalur-Tal ist ein geothermisches Gebiet, in dem sich der berühmte Geysir (Namensgeber aller anderen Fontänen) und sein heutzutage ausbruchsfreudigerer Kollege Strokkur befinden, dazu noch diverse andere dampfende und blubbernde Stellen.
Die kochende Wassersäule erreicht maximal eine Höhe von 25 bis 35 Metern, zwischen den Ausbrüchen heißt es immer, um die zehn Minuten abzuwarten - gar nicht so einfach, wenn man ein perfektes Foto oder Video machen möchte! Mein Freund blieb hier lange stehen, während ich mir bereits die anderen brodelnden Schauspiele ansah.
Auch beim zweiten Besuch erwies sich das Gebiet als sehr beeindruckend - wo sonst schon sieht man kochendes Wasser aus dem Boden kommen? Gelegentlich hüllten die aus dem Boden emporsteigenden Dämpfe einen regelrecht in eine Wolke, die dann auch noch stark nach Schwefel roch. Es sollte sich allerdings im Rahmen des Urlaubs noch herausstellen, dass es rein gestanksmäßig noch Steigerungspotenzial gab.
Weiter ging es zum Gulfoss (siehe auch das Titelbild), der dritten und letzten Station der "Golden Circle"-Tour. Den mächtigen Wasserfall, der einst beinahe in ein Kraftwerk verwandelt worden wäre, hatte ich 2017 bei Schnee und Eis gesehen. Ohne diese Rutschgefahr konnte man nun einen Weg am Wasserfall entlanggehen und ihm so näher kommen - und dabei auch ziemlich nass werden. Das vorhandene Getöse ließ einen den Wunsch, die hier so offensichtlich vorhandene gewaltige Energie zu nutzen, ein wenig verstehen. Aber es wäre natürlich eine Katastrophe gewesen, das Naturschauspiel dieses gewaltigen Wasserfalls und des von ihm gegrabenen Canyons zu zerstören.
An den drei "Golden Circle"-Stationen war der Einsatz von Drohnen übrigens jeweils per Schild verboten, und mein Freund hielt sich auch daran - was im Laufe des Urlaubs nicht dauerhaft so bleiben würde.
Nun war es bereits Nachmittag, aber wir hatten noch zwei Stationen vor uns. Die erste führte uns an den Úlfljótsvatn-See. Unser zum Auto mitgemietetes Navigationsgerät wollte uns gleich einmal in den See fahren lassen, aber unser Ziel war ein anderes: Wie einige andere Sehenswürdigkeiten auf unserer Liste hat die hier stehende Kirche Úlfljótsvatnskirkja Eingang in die "Accidentally Wes Anderson"-Bücher gefunden. Hier waren wir zur Abwechslung die einzigen Touristen, und die Kirche sah auch in echt vor dem blauen See ausgesprochen pittoresk aus - und nun kam sogar die Sonne heraus.
Mittlerweile waren wir schon ziemlich müde, ein letzter Punkt der Liste wollte aber noch abgearbeitet werden: der Kerið Krater, ein mit einem See gefüllter schwarzer Krater in einem Vulkanfeld. Hier waren wir wiederum ein wenig überrascht, wie viele andere Touristen ihren Weg hierher gefunden hatten, allerdings war das völlig verständlich - und auch wir genossen die Umrundung des Sees im Abendlicht sehr und waren froh, sie nicht gestrichen zu haben. Mein Freund hielt sich hier auch erstmalig nicht an das Drohnenverbotsschild und nahm heimlich einen kleinen Film auf. Der Krater befindet sich übrigens in privater Hand, was bei manchen isländischen Sehenswürdigeiten der Fall ist.
Erst nach 20 Uhr erreichten wir an diesem Tag den Supermarkt in Selfoss und etwa eine Stunde später unsere kleine angemietete Strandhütte in Eyrarbakki - aber der lange Tag hatte sich gelohnt, auf keine der besuchten Sehenswürdigkeiten hätte ich im Nachhinein verzichten wollen.
Zwei Dinge waren mir an diesem ersten Besichtigungstag aufgefallen, und sie stehen sicher in Zusammenhang: Bei beinahe allen Touristenzielen war das Parken kostenpflichtig (für unsere Autoklasse bezahlten wir jedes Mal um die 1.000 Kronen, was etwas 7,50 Euro entspricht) und so geregelt, dass man bei der Einfahrt auf den Parkplatz von Kameras erfasst wurde - die Gebühr konnte man dann unter Angabe der Autonummer per App oder über ein Terminal bezahlen.
Das andere, das mir auffiel, war, dass alle Stationen, auch etwas kleinere wie der Brúarfoss, sehr gut gepflegt wirkten: Es gab eine klare Beschilderung, angelegte Wege, bei Bedarf Treppen und dort, wo es rutschig werden konnte, Gummimatten. Wo man nicht weitergehen sollte, waren als Absperrung Seile angebracht. Offensichtlich werden die Parkgebühren direkt dort investiert, wo sie anfallen, und es ist ja angesichts der hohen Touristenzahlen im Interesse des Landschaftsschutzes auch absolut sinnvoll, Verwirrung zu vermeiden und sehr deutlich zu machen, wo man als Besucher hingehen sollte - und wo besser nicht.
0 Kommentare