Neulich beim Rave: Goldfrapp im Kölner E-Werk

by - Mai 26, 2014


Dieses Jahr an Ostern schenkte mir mein Freund eine Karte fürs Electronic Beats Festival in Köln. Das ist normalerweise nicht ganz meine Geschmacksrichtung, aber in diesem Fall hieß der Headliner Goldfrapp. Dennoch war ich etwas besorgt: Würden wie die einzigen Gäste über 20 sein? Für das "Festival" waren fünf Bands vorgesehen, dazwischen sollten DJs auflegen. Würden Goldfrapp vielleicht zwischen 4 und 5 Uhr morgens auftreten? Und was machte diese Band, deren letztes Album "Tales of Us" an getragener Ruhe kaum zu überbieten war, eigentlich bei einem Festival, dessen Ziel doch sicherlich war, dass alle Besucher so richtig schön verschwitzt abtanzen?


Bei unsere Ankunft am E-Werk wurden wir zunächst mit der Information konfrontiert, dass die Band Milky Chance, auf den Plakaten die wichtigste Band nach Goldfrapp, hatte absagen müssen. Nachdem ich Milky Chance überhaupt nicht kenne, konnte ich ihren Verlust durchaus verschmerzen, ich begrüßte ihn sogar, wenn das bedeutete, dass ich am Abend nach einem Arbeitstag vor 4 Uhr ins Bett kam ...

Der Einlass am E-Werk erwies sich als durchaus Festival-mäßig, man wurde nämlich aufs Genaueste auf Essen und Getränke durchsucht. Während vor uns einer jungen Frau nicht nur eine halbe Tüte Kekse abgenommen wurde, sondern sie auch genötigt wurde, eine noch vorhandenes halbes Käsebrötchen noch schnell hektisch aufzuessen, oder es ebenfalls wegwerfen zu müssen. Beim nächsten Versuch, die Einlasskontrolle zu passieren, wurde sie ganz im Ernst gefragt "Du hattest doch vorhin noch einen Kaffee...?". Ich nehme an, die Besucherin hatte ihn ganz durchtrieben in ihrem Magen versteckt.


An einer richtigen Bändchenausgabe bekamen wir neben unseren "Festivalbändchen", die als Möglichkeit genutzt wurden, dem auch sonst allgegenwärtigen Sponsor T-Mobile noch etwas mehr Werbefläche zu bieten, Gutscheine für ein noch nicht terminiertes Ersatzkonzert von Milky Chance. Ob ich dort wohl hingehen werde? Während an diesem lauen Frühsommerabend der Biergarten des E-Werks gestopft voll war - man konnte Grillwürstchen kaufen, natürlich Getränke konsumieren und sich außerdem Hipsterbeutel bedrucken lassen - war der Innenraum noch ziemlich leer, obwohl der Auftritt von Vimes bereits im Gange war.


Das Kölner Duo war auf der Bühne ein Trio und machte, soweit ich das anhand der vielleicht drei Lieder, die wir mitbekamen, beurteilen konnte, recht angenehmen Synthie-Pop. Als nächstes kam, nach einer kurzen Pause, während der DJs auf einem Balkon elektronische Musik auflegten, Mac DeMarco. Den kanadischen Künstler hatte ich ebenfalls vor diesem Abend überhaupt nicht gekannt, ließ mir aber von meinem Freund versichern, er werde im Moment extrem gehyped.

Spätestens jetzt wurde auch klar, dass man beim Booking den "Electronic Beats"-Titel des Festivals nicht nur bei Goldfrapp ein wenig beiseite gelassen hatte. DeMarco, der mit Band auftrat, aber eigentlich ein Solokünstler ist, macht eher Slackerrock, der zudem auch noch ausgesprochen un-elektronisch klingt.


So richtig verstanden habe ich diesen Auftritt, denke ich, nicht. Wie so oft momentan erschien alles, von der 90er Jahre-Frisur des Künstlers über den "Jurassic Park"-Truckerhut des Gitarristen bis hin natürlich zur Musik so wahnsinnig ironisch, dass es mich nervte. Beim ersten Song riss DeMarco eine Gitarrensaite, was er damit kommentierte, dass es schon bizarr sei, dass ihm das ausgerechnet beim Electronic Beats Festival passieren würde. Der Gitarrist überbrückte das Aufziehen einer neuen Saite mit einer angeblich selbst verfassten und absichtlich schlecht gesungenen Power-Ballade, bei der es sich um "Yellow" von Coldplay handelte.


Zwischen den gespielten Songs geizte DeMarco nicht mit ironischen Zwischenansagen, die den Kontrast zwischen der recht sanften Musik und der Rampensau-Persönlichkeit des Künstlers unterstrichen. Das war sicher auch ironisch. Ebenfalls auffällig waren seine kurzen Lacher und seine markante Zahnlücke. Mit "Still Together", das frappierend an "The lion sleeps tonight" erinnerte, endete das Set nach 10 Titeln und rund 40 Minuten.


Setliste:

Salad Days
The Stars Keep On Calling My Name
Blue Boy
Treat Her Better
Cooking Up Something Good
Let Her Go
I'm A Man
Ode To Viceroy
Chamber of Reflection
Still Together


Endlich Zeit für Goldfrapp. Beim Aufbau wurden jede Menge völlig unelektronische Instrumente auf die Bühne getragen, beispielsweise ein Kontrabass und eine Mandoline. Alles wurde ganz exakt vorbereitet, etwa das Mikrophon ganz genau auf Alisons (vermutete) Höhe eingestellt, Scheinwerfer und Windmaschinen millimetergenau auf sie ausgerichtet sowie ein Sortiment von Wasser und heißem Tee bereit gestellt. Man bekam den Eindruck, dass die Band Wert auf Präzision legt und diese auch beim Personal durchsetzt.


Bei Auftrittsbeginn fand sich eine ganze Gruppe von Musikern ein, allerdings nicht die weniger berühmte Hälfte des Duos, Will Gregory, der anscheinend an den Liveauftritten seines Projekts nicht mehr teilnimmt. Stattdessen gab es einen Gitarristen, einen Schlagzeuger, einen Bassisten, der auch den Kontrabass spielte, eine Keyboarderin, die auch die Mandoline und Geige spielte sowie eine zusätzliche Dame an einem anderen Keyboard, die als Alternativinstrument auch ein Umhängekeyboard aus der Thomas Anders-Gedächtniskollektion dabei hatte. Wie es sich für eine Diva gehört, betrat Alison die Bühne erst, als alle und alles fertig waren. Sie trug einen eigentlich schlichten schwarzen Anzug, dessen gewaltige Schulterpolster und ausladende Ärmel sie jedoch wirken ließen, als hätte sie einen Umhang oder auch Flügel.

Bei Alison Goldfrapp muss man immer auch ein wenig Angst haben, dass ihr etwas nicht passt, und nachdem es bei Mac DeMarco in meiner Umgebung einige laute Idioten gegeben hatte, war ich bereits etwas in Sorge, dass es vielleicht angesichts der ruhigen Goldfrapp-Musik zu unschönen Szenen (mit entsprechenden Gegenreaktionen von der Bühne) kommen könnte. Es geschah aber nichts dergleichen, zumindest in meiner Umgebung herrschte nichts als gebannte Aufmerksamkeit, und Alison war anscheinend auch gut aufgelegt.


Los ging es mit einigen neuen Songs - "Drew", "Alvar" und "Clay" vom aktuellen Album, "Yellow Halo" ist ein Bonussong des Singles-Albums von 2012 - die quasi akustisch dargeboten wurden. Die Bühne lag beinahe im Dunkeln, Alisons Stimme beherrschte alles. Nach und nach wurde das Set etwas lebhafter, bis es zu "Number One" beinahe discomäßig wurde und anschließend bei "Train" das Umhängekeyboard zum Einsatz kam. Langsam war auch von den "Electronic Beats" etwas zu hören, denn die Bässe gingen einem mittlerweile durch den ganzen Körper. Auch optisch wurde dies durch den vermehrten Einsatz von Scheinwerfern in unterschiedlichen Farbschattierungen unterstrichen.


Mit dem ebenfalls schnelleren "Ride A White Horse" hätte man die Kollektion schneller, bekannter Songs zum Beispiel mit "Ooh La La" noch erweitern können, stattdessen wurde nun aber mit "Strict Machine" bereits der Song angestimmt, der uns als Abschluss-Lied bekannt war. Es ist ja durchaus üblich, dass Bands bei Festivals mit einer gekürzten Setliste antreten, allerdings ist es dem Headliner normalerweise durchaus möglich, eine Zugabe zu geben. Eine solche erfolgte nicht und im Vergleich zu ihren sonst immer gleichen Setlisten mussten wir auf sechs Titel (darunter "Lovely Head" oder "Utopia") verzichten. Angesichts der Tatsache, dass mit Milky Chance einer der Festival-Acts komplett ausgefallen war, konnte es keine Zeitprobleme geben. Aber es half nichts, das Goldfrapp-Set war, warum auch immer, nach elf Songs leider vorbei.


Setliste:

Drew
Alvar
Clay
Yellow Halo
Little Bird
You Never Know
Thea
Number One
Train
Ride A White Horse
Strict Machine


Anschließend trat noch Jon Hopkins auf, dessen Album "Immunity" 2013 für den Musikexpress die Platte des Jahres war. Nun entwickelte sich der Abend doch noch in die Richtung, die angesichts des Festivalnamens erwartet hatte. Hopkins stand an einem riesigen, vom Publikum aus nicht einsehbaren Pult und erwies sich als unglaublich fleißig. Bei komplett elektronischer Musik gibt es bei Live-Performances ja manchmal das Problem, dass der Künstler nicht viel zu tun hat, aber Hopkins verdiente sich seine Gage, indem er wie wild hinter dem Pult drehte, drückte und ... ja, was auch immer. Er wirkte jedenfalls sehr beschäftig - soweit ich das beurteilen konnte, denn das nun großzügig eingesetzte Strobo-Licht blendete mich doch arg.

Die zahlreichen Videoleinwände, die rund um die Bühne angebracht worden waren, bislang aber wenig Verwendung gefunden hatten, kamen nun auch endlich zum Einsatz. Es half aber alles nichts: Ein paar Songs lang blieben wir noch für diese Mischung aus Ambient und Techno, dann zog es uns zum Auto und nach Hause.

Ich bin froh, dass wir die Gelegenheit genutzt haben, einen der hierzulande seltenen Live-Auftritte von Goldfrapp zu sehen, schade nur, dass der Headliner-Slot zu kurz ausfiel.

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