Neulich als ich mich um ein Musical drückte: The Divine Comedy in Den Atelier, Luxemburg
Ich nenne die Band The Divine Comedy, deren Musik mein Freund gerne und häufig auflegt, gerne "The Divine Musical". Stets habe ich beim Zuhören den Eindruck, dass ich gerade der Tonspur eines musikalischen Dramas lausche und stelle mir dabei vor, wie zu den Songs auf der Bühne getanzt und gekämpft oder auch einmal abseits des Geschehens traurig allein (und vielleicht mit einer Phantommaske) gesungen wird. Nachdem ich aber weiß, dass es es bei einem Livekonzert eben keine große Bühnenshow mit Gruppentanz und Kämpfen geben würde, hält sich mein Interesse an einem Konzertbesuch in Grenzen. Deshalb war ich ganz froh, dass mein Freund für den Konzertbesuch in Luxemburg am letzten Freitag eine andere Begleitung finden konnte. Ich genoss den Freitagabend auf dem Sofa und fragte am nächsten Morgen, wie die Konzertreise so war.
(Warum) Spielt The Divine Comedy eigentlich nicht in Deutschland?
Warum sich Neil Hannon in Deutschland so rar macht, weiß ich auch nicht, aber zuletzt habe ich ihn 2010 in Köln gesehen. Aktuell stehen jedoch nur Hamburg und Berlin als deutsche Tourneestops fest.
Lohnt sich dafür die Reise nach Luxemburg?
Auf jeden Fall, denn im Gegensatz zu dir konnte ich einen neuen Ground machen und einen Länderpunkt erhalten, da ich zuvor noch kein Konzert in Luxemburg gesehen hatte.
War das Publikum luxemburgisch oder gab es viele Konzertreisende?
Überraschend war zunächst, dass man nachmittags noch Karten für das Konzert kaufen konnte, denn sowohl die vorherigen Stationen (3x Paris) als auch die folgende (Straßburg) waren ausverkauft. In dem schönen, aber recht kleinen Club hörte man munteres Sprachengemisch. Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch - aber es waren auch Luxemburger anwesend, denn Lisa O’Neill, die das Vorprogramm bestritt, wurde auf Nachfrage erklärt, dass man sich mit „Moien“ begrüßt. Und Neil Hannon sollte später eine Textzeile aus „A Drinking Song“ leicht umändern und erhielt dafür Szenenapplaus. Bei „There'll always be an England, an Ireland and a France, a Liechtenstein and Finland, and we have only one chance.“ wurde ein Zwergenstaat durch den anderen ersetzt.
Wie war die Vorband?
Die Irin Lisa O’Neill spielte mit ihrem musikalischen Partner netten Folk zur Akustikgitarre, Banjo oder Mandoline. Spannender als die Musik war ihre Kommunikation mit dem Publikum und ihre zahlreichen Ansagen. Zum Beispiel zu „Elvis, I Give You Irish Stew“ erzählte Lisa, dass sie sich eine eigene Elvis-Figur gebastelt habe, mit dieser durch die Wohnung tanze und Gespräche führen würde, wenn sie ihm zum Beispiel erklären müsste, was CDs seien. Nach der Erklärung, dass diese ganz okay, aber nicht so gut wie Vinyl seien, hatte sie natürlich bei mir ein Stein im Brett.
Die Phantasieuniform kenne ich schon aus dem Netz. Gab es weitere Kostüme? Vielleicht als Katze oder Zug?
Neil Hannon eröffnete das Konzert tatsächlich in seinem Napoleon-Kostüm, was auch passend war, da sehr früh „Napoleon Complex“ und „Catherine The Great“ gespielt wurden, dazu trugen die vier Bandmitglieder Husarenjacken. Das erste Konzertdrittel war vom aktuellen Album „Foreverland“ geprägt. Highlights waren „The Parc“, welches Hannon mit “The fascists are rising we should make a Pact'” ankündigte, und natürlich das anschließende „To The Rescue“.
Nach „The Certainty Of Chance“ verschwand Hannon von der Bühne, während die Band einen etwas längeren Instrumentalteil spielte. Zu „The Complete Banker“ erschien er wieder mit Hemd, Anzug, Melone und Regenschirm. Sein “I hope there are no members of the banking community here tonight” bezog sich auf den kritischen Text des Songs, den Hannon aber zwischendurch vergaß und durch Improvisationen überbrückte. Er erklärte scherzhaft, dass er über Tausend Lieder geschrieben habe und nicht alle Texte kennen könne.
Das war es aber auch schon mit Kostümen und Verkleidungen.
Kulissen? Requisiten?
Kulissen gab es keine, wir waren schließlich nicht in einem Musical, sondern auf einem Rock’n’Roll-Konzert! Zumindest am Ende des Hauptteils. Nach einem kurzen Akustikteil, der auf Barhockern sitzend dargeboten wurde („A Lady Of A Certain Age“ und Songs Of Love“), wechselte Hannon zur elektrischen Gitarre und spielte zum Tanz auf: „At The Indie Disco“, „Becoming More Like Alfie“, „Something For The Weekend“, „I Like“ und „National Express“ - was für ein toller Block! „I’m multi-talented - I can even play electric guitar“, sagte Hannon dazu und ergänzte noch ein „poorly“.
Aber Requisiten gab es: Ein Steckenpferd stand unbenutzt am Bühnenrand. Direkt daneben ein riesiger hölzerner Globus, der überraschenderweise aufklappbar war und sich als Hausbar der Band entpuppte. Seinen Bandmitgliedern spendierte er eine Runde Dosenbier, eine Flasche Wein ging ans Publikum.
Hat Neil Hannon denn musicalhaft deklamiert?
An der einen oder anderen Stelle, das muss ich zugeben, schon. Häufig setzte er auch bewusst auf untermalende Mimik oder übertriebene Gestik. Bei „Our Mutual Friends“, meinem Lieblingslied von The Divine Comedy, endete seine darstellerischen Einlagen der Textzeilen „Then privately we danced, but couldn't seem to keep our balance, a drunken haze had come upon us. We sank down to the floor and we sang.“ natürlich damit, dass er zu Boden sank und dort eine Weile liegen blieb.
Bei „A Drinking Song“ sprang Hannon passend in die Rolle des Trinkers und gab, mit Bierglas in der Hand, eine leicht lallende und taumelnde Performance. Textzeilen wie „Well, bloody my nose
and blacken my eye, if it ain't some young Turk in search of a fight.“ wurden von ihm mit gespielten Boxhieben auf Nase und Auge unterstrichen.
Wies die Setliste Überraschungen auf?
Im Großen und Ganzen steht die Setliste, aber gelegentlich wird variiert, so kamen wir in den Genuss des selten gespielten „When The Lights Go Out All Over Europe“. Gelegentlich spielen The Divine Comedy auch Coverversionen auf Zuruf. Leider wurde „There Is A Light That Never Goes Out“ überhört und statt dessen „Mamma Mia“ von ABBA zum Besten gegeben. Das war der Moment im Konzert, der einem Musical am nächsten kam.
Hat er das Duett einfach allein gesungen? Oder weggelassen?
Das wäre schön gewesen, denn „Funny Peculiar“ ist der Skip-Kandidat auf dem letzten Divine Comedy Album und war es auch beim Konzert. Der Song wurde gemeinsam mit Lisa O’Neill dargeboten.
Wie lange hat der Spaß denn gedauert? Und gab es Zugaben?
Knapp zwei Stunden, aber im Vergleich zu den Konzerten in Paris wurden 2 Songs ausgespart, so dass wir „nur“ deren 24 zu hören bekamen. An der Stimmung kann es nicht gelegen haben.
Es gab einen Zugabenblock mit insgesamt 3 Liedern. Traditionell wurde das Konzert mit „Tonight We Fly“ beendet.
Hast du mir etwas mitgebracht?
Christoph konnte mich gerade noch zurückhalten, sonst hätte ich dir diesen Strickpullunder, der dieses Jahr nur schwer vom Spitzenplatz im Ranking des ungewöhnlichsten Merchandise zu verdrängen sein wird, mitgebracht. Andere Gäste hatten keine Freunde dabei, die sich rettend in den Weg warfen: Zwei Fans kauften den Pullunder tatsächlich.
Hast du außer den schönen Fotos auch an die Setliste gedacht?
Klar:
How Can You Leave Me on My Own
Napoleon Complex
When the Lights Go Out All Over Europe
Catherine the Great
Bad Ambassador
The Pact
To the Rescue
The Certainty of Chance
The Complete Banker
Bang Goes the Knighthood
Generation Sex
Our Mutual Friend
Funny Peculiar
Mamma Mia (ABBA cover)
A Lady of a Certain Age
Songs of Love
At the Indie Disco
Becoming More Like Alfie
Something for the Weekend
I Like
National Express
Assume the Perpendicular
A Drinking Song
Tonight We Fly
Wenn du möchtest, kannst du dir eines der Pariser Konzerte in guter Qualität hier ansehen.
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