Gestern feierte ich den Feiertag Sankt Brück, für den ich hauptsächlich ausgedehntes Couchsitzen vorgesehen hatte. Mein Freund dagegen war so wild darauf die Band Ride bei ihrer aktuellen Tour zu sehen, dass er sich auf nach Brüssel machte. Drei Stunden hin, drei Stunden zurück... hier berichtet er, was dazwischen passierte.
Wie oft hast du Ride jetzt schon live gesehen?
Gestern Abend zum vierten Mal. Jedoch nur einmal vor der Auflösung, und zwar 1994 beim Creation Records Festival in der Royal Albert Hall. Leider - wie alle Auftritte damals - ein sehr kurzes Vergnügen - aber „I Don’t Know Where It Comes From“ mit großem Kinderchor.
Und dann vor zwei Jahren mit dir beim Best Kept Secret Festival und A Summer’s Tale Festival.
Gab es denn kein Konzert, dass es mit weniger Fahrzeit erreichen ließ?
Leider nein. Tatsächlich sind für uns Konzerte in Luxemburg, Belgien und den Niederlanden schneller zu erreichen als die einzigen Deutschlandauftritte von Ride in Berlin und beim Rolling Stone Weekender in der Nähe von Fehmarn. Insgesamt hat die Europatournee auch nur 6 Stationen. Außerdem konnte ich durch diesen Ausflug mit Christoph einen neuen Ground machen, denn zuvor war ich in Brüssel nur bei Noel Gallagher im Ancienne Belgique gewesen.
Wer war denn die Vorband?
Die Vorband war eine schöne Überraschung, denn bei Platten vor Gericht hatte ich letztes Jahr schon über die französische Shoegaze-Band Dead Horse One berichtet und mich über deren Album „Season Of Mist“ gefreut, das in meiner Jahresendauswertung auf Platz 27 meiner liebsten Platten kam.
Das Quintett spielte leider nur ca. 25 Minuten und insgesamt 6 Lieder aus seinen beiden Alben. Ihr Debüt wurde übrigens von Mark Gardener produziert - so sind Dead Horse One sicherlich zu ihrer Rolle als Support auf der Europatournee gekommen. Ich hätte mich über 25 weitere Minuten auch nicht beschwert.
Setliste:
He Goes Down
Hopper
I Love My Man
Mesmerise Me
Season Of Mist
By My Side
Gibt es eigentlich auch junge Ride Fans oder sind die jetzt alle in den 40ern?
Also zumindest einen jungen Fan gab es in der ersten Reihe, der zum Beispiel bei „Leave Them All Behind“ kräftig im Takt auf der Bühne trommelte. Andy Bell klatschte ihn auch begeistert vorm Zugabenblock ab und später gab es auch noch ein Plektrum als Geschenk. Ansonsten waren die Zuschauer im recht kleinen Konzertraum eher mit der Band gealtert.
Aber wenn wir schon über kleine Ride Fans sprechen, dann muss ich auch noch von einem großen, vielleicht dem größten, berichten: Mit uns stand Heike in der ersten Reihe, die wir bereits beim Konzert von Lush in London und beim A Summer’s Tale Festival, natürlich dem mit Ride, getroffen hatten. Ihre Antwort „Alle, bis auf eins“ auf Christophs Frage, wie viele Konzerte sie auf Rides Europatournee sehen würde, war nur die Spitze des Eisberges. Denn neben zahlreichen Konzerten in England hatte sie zuvor auch bereits die USA besucht, um dort Konzerte der Shoegazer zu sehen. Und weil die Ostküste im Juli und die Westküste im September anstanden, gleich zweifach. Im Februar geht es übrigens für zwei Konzerte nach Japan und bei dem Hinweise „More upcoming shows“ auf der Webseite von Ride hofft sie vermutlich auf sich anschließende Auftritte in Australien.
Und hier wird man schon mit ungläubigen Blicken bedacht, wenn man 3 Stunden für Ride fährt oder nur 3 Auftritte von Noel Gallagher im kommenden Frühjahr sehen möchte!
Und wie war das Verhältnis zwischen alten und neueren Liedern?
Im Verlauf der seit März laufenden Tournee wurden mehr und mehr Lieder von „Weather Diaries“ in die Setliste aufgenommen. Anfangs waren es zunächst vier, gestern Abend spielten Ride acht neue Lieder, bis auf „Home Is A feeling“ und „Rocket Silver Symphony“ wurde das komplette Album gespielt, das kurze und instrumentale „Integration Tape“ lief als Intro zum Konzertbeginn. „Impermanence“ feierte in der L’Orangerie du Botanique sogar seine Live-Premiere, weshalb Mark Gardener auch den Liedtext vor sich liegen hatte.
Gab es wesentliche Unterschiede zum Auftritt beim A Summer’s Tale Festival, den ich zuletzt gesehen habe?
Eigentlich wenig. Da kommen immer noch vier ältere Männer auf die Bühne und spielen ohne großen Firlefanz und lange Reden tollen Shoegaze. Bezüglich der Songauswahl hat sich aber insgesamt einiges getan: Die neu aufgenommenen Lieder haben glücklicherweise keine alten Songs ersetzt, denn die Setliste wächst und wächst. Auf den Festivals haben Ride vor zwei Jahren 11 bzw. 12 Lieder gespielt, gestern Abend waren es insgesamt 20.
Klassiker wie „Leave Them All Behind“, „Twisterella“ oder „Vapour Trail“ sind natürlich immer noch im Programm und wurden mit großer Begeisterung aufgenommen. Bei „Drive Blind“ gab es am Ende wieder die gewohnte und immer noch tolle Lärmorgie. Ansonsten zeigten sich Ride variabel bei der Auswahl der früheren Songs und spielten zum Beispiel „Chelsea Girl“ und „Unfamiliar“ von frühen EPs oder „From Time To Time“ aus dem bisher ignorierten Album „Carnival Of Light“.
Der größte Unterschied war, dass ich von den kürzeren Festivalauftritten deutlich begeisterter war. Denn nur wenige der neuen Lieder, etwa „Lannoy Point“, „Cali“ oder „All I Want“, können mit den früheren Sachen mithalten, so dass sich doch die ein oder andere Länge einschlich.
Damals beim den beiden Festival-Auftritten vor zwei Jahren deckte Mark Gardener seine schwindende Haarpracht mit einem Hut ab. Ist das jetzt Standard?
Vielleicht tun wir ihm mit dieser Unterstellung Unrecht und es war einfach ein Sommerhut, denn aktuell verzichtet er auf diesen.
Hatte Andy Bell wieder seine Beady Eye Kisten dabei?
Gut, dass du fragst! Denn schau einmal was mittlerweile mit Klebeband aus dem BE auf den Kisten gemacht wurde:
Wurde auch geredet?
Wenig. Und das Wenige war leider an unserem Standort auch kaum zu verstehen. Gelegentlich wurden Lieder angesagt oder sich auf französisch bedankt.
Wie lange hat der Spaß denn gedauert? Und gab es Zugaben?
Anfangs hatten wir etwas Angst, dass wir nur 16 Songs zu hören bekommen würden, denn bei Mark Gardener und dem Bassisten Steve Queralt lagen zunächst, was wir sehr gut sehen konnten, da wir in der ersten Reihe standen, unterschiedliche Setlisten. Einmal mit und einmal ohne Zugaben. Und dann wurde die längere Liste bei Mark auch noch gegen die kürzere ausgetauscht! Letztendlich bekamen wir aber nach dem Hauptteil noch vier weitere Songs zu hören, so dass der Auftritt rund 110 Minuten dauerte. Ein Ride-Konzert ohne „Leave Them All Behind“ wäre auch nur schwer vorstellbar gewesen, oder?
Hast du mir etwas mitgebracht?
Also nichts vom Merchandise-Stand, aber nur, weil ich vorher mein ganzes Geld in belgische Schokolade für dich investiert habe.
Hast du außer den schönen Fotos auch an die Setliste gedacht?
Klar.
Setliste:
Lannoy Point
Charm Assault
Weather Diaries
Taste
Unfamiliar
From Time To Time
Dreams Burn Down
Cali
Twisterella
Impermanence
Lateral Alice
All I Want
OX4
Vapour Trail
Drive Blind
White Sands
Like A Daydream
Leave Them All Behind
Chelsea Girl