Gelesen: Juli 2020

by - August 05, 2020



Ich bin normalerweise bei Büchern hinsichtlich des Schreibstils nicht sonderlich anspruchsvoll, beispielsweise kann ich den von der Kritik häufig als holprig und repetitiv verspotteten Dan Brown problemlos lesen (möchte es allerdings nicht mehr, vier Romane nach demselben Strickmuster reichten mir völlig). Deshalb ist es sehr untypisch für mich, wenn ich nun sage, dass mich an dem Island-Krimi Dunkel von Ragnar Jónasson uner anderem der Schreibstil ziemlich genervt hat. Beim Kreativen Schreiben unterscheidet man als Grundregel ja das "Telling" und das "Showing" - bei Ersterem bekommen die Leser erzählt, was sie denken sollen, bei Zweiterem wird ihnen eine Situation beschrieben und die notwendigen Schlussfolgerungen nahe gelegt.

Dunkel besteht fast nur aus "Telling", und dieses ist - deshalb ist mir dieser Umstand vermutlich ungewöhnlicherweise ins Auge gesprungen - zudem extrem repetitiv. Die Hauptgeschichte dreht sich um die kurz vor der Pensionierung stehende Kommissarin Hulda, die sich nicht mit dem Gedanken anfreunden kann, demnächst beschäftigungslos zu sein, da sie in ihrem Leben außer ihrem Beruf fast nichts hat. Ehemann und Tochter sind gestorben und weitere Kontakte, bis auf einen möglichen neuen Lebenspartner, fehlen ihr. Über all diese Umstände (bis auf die verstorbene Familie, über die zunächst nur Andeutungen fallen) lamentiert Hulda in ihrer im Roman wiedergegebenen  Gedankenwelt quasi ununterbrochen und in epischer Breite, was durchaus nachvollziehbar ist, aber in einem Roman eben auch nicht wirklich spannend. Leicht hätte man 50 bis 100 Seiten weglassen können, und ich hätte jeweils nur einmal über ihre Angst vor der Langeweile, ihre schlechten finanziellen Verhältnisse, ihren verhaltenen Optimismus bezüglich ihres neuen Freundes und so weiter hören müssen.

Der Kriminalfall, um den es eigentlich geht, kommt da vergleichsweise kurz, was auch damit zu tun haben dürfte, dass er nicht sonderlich viel hergibt: Eine russische Asylbewerberin kam vor einigen Monaten zu Tode, die erste, oberflächliche Untersuchung bescheinigte einen Selbstmord, und da Hulda in den letzten Tagen vor ihrer Pensionierung nichts anderes zu tun hat, greift sie den Fall wieder auf. Nach und nach ergeben sich Details, die einen Selbstmord als unwahrscheinlich erscheinen lassen, wobei die Ermittlungen, obwohl sie ja eigentlich nur wenige Tage dauern, recht schleppend erzählt werden. Den erzählerischen Raum nehmen neben den ausführlich erzählten Gefühlen noch zwei Nebenhandlungen ein: Eine dreht sich um eine unverheiratete junge Mutter in den 1950er Jahren, die gezwungen wird, ihr Baby abzugeben, die andere um eine nicht namentlich genannte junge Frau, die mit einem Begleiter einen Ausflug in die Eislandschaften der isländischen Hochebene macht. Beide Nebenstränge tragen zwar zur Handlung bei, werden aber simpel und vorhersehbar aufgelöst und sind somit in dieser Form relativ überflüssig.

Allein das Ende des Romans ist für den ersten Teil einer Trilogie dann tatsächlich extrem überraschend, die beiden anderen Bände werde ich mir aber dennoch definitiv nicht antun.

Ich hörte Dunkel übrigens als Audible-Hörbuch, vorgelesen von Katja Bürkle, die ihre Sache in meinen Augen weder sonderlich gut noch auffällig schlecht machte.

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