Sachen gibt's... 2023 reisten wir extra nach Wien, um uns die dortige Ausstellung von Yoshitomo Naras Werken anzusehen - wir rechneten uns keine Chancen aus, dass es in der näheren Zukunft ein vergleichbares Event in Deutschland geben könnte. Zwei Jahre später allerdings war genau das der Fall, es wurde eine weitere Ausstellung in Baden-Baden angekündigt. Eine kurze Recherche ergab, dass es sich nicht etwa um eine weitere Station der Wien-Ausstellung handelte, sondern um eine komplett andere Veranstaltung. Die neue Ausstellung ist die erste Retrospektive von Werken des Künstlers auf deutschem Boden und entstand in Zusammenarbeit mit dem Guggenheim Museum Bilbao und der Hayward Gallery in London - die deutsche Station ist die zweite dieser drei, im Anschluss sind die Werke noch in London zu sehen. Und so fuhren wir an einem der ersten Tage des Jahres nach Baden-Baden, wo man die Bilder noch bis Ende April sehen kann..
Die Kurstadt im Schwarzwald hatten wir während eines Urlaubs zu Pandemie-Zeiten bereits besichtigt und bei dieser Gelegenheit auch dem Museum Frieder Burda einen Besuch abgestattet. Damals war einfach die hauseigene Sammlung zu sehen gewesen, und mir war vor allem das Museum selbst im Gedächtnis geblieben. Dieses ist auch wirklich beeindruckend, das moderne Gebäude liegt in einem Park an der Oos und besitzt riesige Fensterfronten, so dass man die grüne Umgebung ständig wahrnimmt.
Wir begannen unseren Besuch im Museumscafé, wo wir unseren Kaffee dem Anlass entsprechend mit Yoshitomo Nara-Zuckerpäckchen erhielten. Man konnte, wenn man wie wir bereits Tickets besaß, auch direkt vom Café aus das Museum betreten (und umgekehrt) wir entschieden uns aber für den Umweg durch den offiziellen Eingang, wo mein Freund sich auch einen Audioguide besorgte.
Die Ausstellung, über deren Hängung wiederum vom Künstler persönlich entschieden wurde, ist nicht chronologisch aufgebaut und begann mit recht neuen Exponaten, insgesamt wird die Zeit von 1984 bis 2023 abgedeckt. Ein Unterschied zu Wien, wo das Hauptaugenmerk auf Zeichnungen lag, besteht darin, dass hier die großflächigen Bilder, für die man Nara hauptsächlich kennt, klar im Mittelpunkt standen. Es gab dafür keine Schaukästen mit Kritzeleien auf Briefumschlägen und Notizzetteln.
Naras Werdegang wurde trotz der nicht vorhandenen Chronologie aber durchaus beleuchtet, ein Bereich im ersten Stock widmete sich dessen Zeit an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er bei A. R. Penck studierte - die Bilder aus dieser Zeit wirkten noch deutlich anders als spätere, zum Beispiel "Walk On I" (1993). Ich freue mich hier über eine in einem Bild verewigte Songzeile aus "Nothing ever happens" von der weitgehend vergessenen Band Del Amitri - das Lied habe ich 1989 auch sehr gerne gehört.
Überhaupt, Musik ist und bleibt eine wichtige Inspiration für Yoshitomo Nara, und die Baden-Badener Ausstellung verfügt, wie schon die in Wien, über eine eigene Playliste auf Spotify mit passenden Liedern. Neben Musik ist auch die Einsamkeit (sowohl als Kind berufstätiger Eltern als auch als Akademiestudent im Ausland) ein wiederkehrendes Thema in Naras Leben und Kunst, und das spiegelt sich natürlich in den Exponaten beider Ausstellungen wider.
Der Audioguide, den ich mir für manche Exponate bei meinem Freund ausleihen durfte, konnte durchaus interessante Zusatzinformationen liefern. So erfuhren wir zu dem Bild "Dead Flower 2020 Remastered" (2020), dass Nara es leid geworden war, es sich für Ausstellungen wiederholt vom Eigentümer auszuleihen - also hatte er es einfach noch einmal gemalt. Eine weitere Information, die meinen Blick aufs Werk nachhaltig veränderte, war die, dass die Arme und Beine von Naras Figuren normalerweise identisch aussehen - beispielsweise bei "Missing in Action" (1999).
Ein neben den Kinderportraits typisches Nara-Werk sind die von ihm gestalteten Häuser oder Hütten - auch die Baden-Badener Ausstellung konnte mit einer aufwarten. Obwohl ich weiß, dass Nara lange in Deutschland gelebt hat, bin ich immer wieder erstaunt, wenn ich in seiner Kunst Texte auf Deutsch entdecke - in diesem Fall ein Hinweisschild zur Treppenhausreinigung über dem Ausgang der Hütte. Deutsche Formulierungen kann man auch in einigen der Gemälde entdecken. Ein weiteres Stilelement ist, dass viele der dargestellten Kinder im Wasser stehen oder zu ertrinken scheinen. Beides kombiniert findet man im Bild "Okhotsk Girl Island: Cape Shiretoko" (2020).
Yoshitomo Nara hat sich in den letzten Jahren auch dem Thema Skulptur zugewandt, und auch zu diesem Thema gab es einige Exponate zu sehen - sowohl Figuren als auch bemalte "Schalen", die wie Bilder an der Wand hängen.
Auch diese zweite Ausstellung hat mir sehr gut gefallen, und ich würde auch eine weitere besuchen.
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