In den letzten Jahren haben mein Freund und ich viele Künstler live gesehen, die seit sehr langer Zeit aktiv sind - was bei mir neulich die Frage aufwarf, wer eigentlich am ältesten war. Ein nahe liegender Kandidat wäre Nick Cave mit seinen mittlerweile 67 Jahren - aber wenn man vor nicht allzu langer Zeit auch bei Konzerten von Midge Ure, OMD und Patti Smith war, relativiert sich das etwas. Im Gespräch fanden wir auch die vermutliche Antwort: Ralf Hütter von Kraftwerk ist 78!
Mein Freund wäre allerdings nicht er selbst, wenn er das Ganze im Anschluss nicht gründlich recherchiert hätte, wobei er jeweils berücksichtigte, wie alt die Musiker waren, als wir sie live sahen - und nicht, wie alt sie jetzt sind. Sicher ein sinnvolles Konzept, schließlich gehen wir schon ein paar Jahrzehnte zu Konzerten....
Die Top 5 der ältesten Musiker, die wir gesehen haben, waren nach dieser Logik:
Seit dem letzten Mittwoch hat sich diese Liste allerdings verändert: Cyndi Lauper ist mit 71 Jahren, 8 Monaten und 4 Tagen neu auf Platz 4 eingestiegen und hat somit Patti Smith aus den Top 5 verdrängt - womit sich diese zu Jungspunden wie Midge Ure und Siouxsie Sioux gesellen kann, die es wie Nick Cave nicht in die obersten Ränge geschafft haben.
Anlass dieser Rechnung war, das dürfte klar sein, wenn man die Überschrift gelesen hat, unser Konzertbesuch bei Cyndi Lauper. Die Sängerin wurde 1953 geboren, ihr größer Hit "Girls Just Wanna Have Fun" kam 1983 heraus. Seit dem letzten Oktober befand sich die Musikerin auf großer Abschiedstournee, die nun auch Deutschland erreichte, um anschließend, am 28. Februar, in Paris vorerst zu enden - es folgen allerdings im April noch Stationen in Australien und Japan.
Um das Konzert zu besuchen, mussten wir am letzten Mittwochabend erst einmal Düsseldorf erreichen, was wieder einmal gar nicht so leicht war. Dieses Mal führte ein Stau bei Leverkusen dazu, dass unser Navigationssystem uns auf eine Route lotste, die uns gefühlt an jedem Haus in Düsseldorf vorbei führte, bis wir den uns bis dahin unbekannten PSD Bank Dome erreichten - normalerweise eine Eishockeyhalle. Nicht alle 12.000 Eintrittskarten waren verkauft worden, aber es wurde ziemlich voll.
Während unserer Düsseldorf-Rundreise war es spät geworden, so dass wir es in der bereits gut gefüllten Halle nicht allzu nahe an die Bühne schafften. Da wir bereits wussten, dass gegen Ende des Sets auch eine Zweitbühne im Zuschauerraum zum Einsatz kommen würde, stellten wir uns in deren Nähe.
Eine LED-Wand zeigte Songtexte von Laupers Liedern, und nach kurzer Wartezeit begann bereits der Support Act, Tracy Young. Young ist DJ und Producerin und hat für einen Madonna-Remix schon einmal einen Grammy gewonnen. Hier führte sie nun ein DJ Set auf, das für uns, die wir mit DJs auf der Bühne nicht sonderlich vertraut sind, eher befremdlich wirkte. Immer wieder wurden die Refrains bekannter Songs - ganz am Anfang von "Girls Just Want To Have Fun" (in der schlimmen Remix-Version von 1994) später unter anderem von Eurythmics - angespielt und versanken dann in Boller-Rhythmen, während Young selbst offensichtlich viel Spaß hatte und die ganze Zeit strahlte, winkte und mit ihren Händen Herzen formte.
Die Publikumsstimmung dabei blieb größtenteils eher neutral, nur bei "Sweet Dreams", "What's going on" und Alphavilles "Forever Young" kam in der Großraumdisco, in die sich die Eissporthalle kurzfristig verwandelt hatte, ein wenig Stimmung auf. Gut gefielen mir die Animationen auf der LED-Wand, aber wir waren recht erleichtert, als die veranschlagte halbe Stunde vergangen war.
Es war sicherlich kein Zufall, dass in Tracy Youngs Set wie auch bei der in der Halle gespielten "Wartemusik" die Künstlerinnen stark dominierten. In Youngs Set bildete der Sänger von Alphaville die einzige männliche Stimme - und ich vermute einmal, dass "Forever Young" eine Art Theme Song für Tracy Young ist.
Cyndi Lauper war am Vorabend in Berlin aufgetreten (mehr deutsche Stationen hatte die Tour auch nicht), und ich hatte in einem Bericht gelesen, dass sie ihr Set wegen Stimmproblemen um zwei Lieder gekürzt hatte. Als sich die Wartezeit auf den Hauptact nun noch länger als erwartet hinzog, machten wir uns ein wenig Sorgen, dass die Sängerin nun endgültig erkrankt sein könnte. Nachdem es im Publikum bereits ein paar Pfiffe gegeben hatte, begann der Auftritt aber zum Glück doch noch.
Zu Blondies "One Way or Another" betrat die siebenköpfige Band, deren Mitglieder alle schwarzweiße Outfits trugen, die Bühne, es folgte ein kurzer Video-Zusammenschnitt, der Lauper in diversen Phasen ihrer Karriere zeigte. Dann wurden wir noch schnell mit Konfetti überschüttet, und die Sängerin erschien. Zuletzt war sie übrigens 2016 in Deutschland gewesen, damals in deutlich kleineren Locations.
Die Setliste der Abschiedstournee ist immer gleich und versucht, alle Alben und Karrierephasen von Lauper zu berücksichtigen. Anders als bei den Konzerten, die wir normalerweise beuchen, spielte hier auch die Optik eine große Rolle - Lauper wechselte mehrfach das Outfit und trug unterschiedliche Perücken. Zu Beginn trat sie in einer schwarzen Glitzerhose mit einer Art Bikerjacke auf und sang "She Bop" von ihrem ersten Soloalbum "She's So Unusual". Während des Instrumentalteils spielte sie einige Töne auf einer Blockflöte. Lauper begrüßte uns und fragte, ob wir denn überhauupt verstehen könnten, was sie sagte - als dies lauthals bejaht wurde, erklärte sie, sie könne ja keine Fremdsprachen und ergänzte scherzhaft "and I struggle with English too".
Als zweites Lied hörten wir das Prince-Cover "When You Were Mine" - was schon deutlich machte, dass wir wir ebenfalls eine gekürzte Setliste hören würden, denn eigentlich wäre an dieser Stelle "The Goonies 'R' Good Enough" gekommen.
Es folgte ein erster Kostümwechsel in eine weiße Jacke. Zu "I Drove All Night" erzählte Lauper, sie habe den Song von Roy Orbison gerne aufnehmen wollen, weil sie bis dahin kein Lied kannte, in dem eine Frau Auto fährt - und dass das selbst Fahren Selbstbestimmtheit symbolisierte. In Erinnerung an das zugehörige Video zeigte die LED-Wand Straßenszenen. Lauper selbst hielt ein weißes Tuch, auf das ein fahrendes Auto projiziert wurde.
Es folgte "Who Let in the Rain", zu dem Lauper ihre Freundin Allee Willis erwähnte, mit der sie das Lied geschrieben hat. Der Song fiel, wie das zugehörige Album "Hat Full of Stars" in eine Phase, in der Lauper ihre musikalische Karriere neu starten musste und dabei wenig Rückhalt durch Management und Plattenlabel erfuhr.
Nach dem Lied verließ Lauper die Bühne, während die Band Percussion machte, herumtanzte und schließlich gespielt verwundert agierte, da die Sängerin nicht zurückgekommen war. Schließlich kletterte sie aus eine Luke auf der Bühne - sie trug nun ein Kostüm, das mit gelben Wülsten ein wenig an Bibo aus der Sesamstraße erinnerte, dazu passend auch eine knallgelbe Perücke und ein riesiges Waschbrett um den Hals.
Nun wurden die Bandmitglieder vorgestellt, von denen einige (der Schlagzeuger und der Bassist) Lauper bereits seit den 1980er Jahren begleiteten. Nach "Iko Iko" nahm sie das Metallteil ab und entfernte die gelben Stoffwülste, zurück blieb ein roter Blazer. In diesem sang sie nun "Funnel of Love" - eine Reminiszenz an ihre Anfänge in der Rockabilly-Szene.
Der nächste Kostümwechsel erfolgte direkt auf der Bühne - Cyndi nahm den Blazer ab, für den ein Haken aus dem Bühnenboden emporfuhr. Eine Helferin legte ihr eine dramatische schwarze Abendrobe von Christian Siriano an, und Lauper erzählte von ihrer Kindheit und den Frauen in ihrer Nachbarschaft, die ihr Leben geprägt haben. Dazu passend sang sie nun "Sally's Pigeons". Sie begann den Song a capella, nachdem sie ihre Perücke abgenommen hatte, die Videoleinwände im Hintergrund blieben für dieses Lied schwarz. Auch "Fearless" sang sie a capella, ohne Perücke vor dunkler Leinwand.
Nun war es Zeit für eine kurze Pause. Nachdem Lauper die Bühne verlassen hatte, sahen wir auf der Leinwand einen lustigen Film, der die Musikerin Backstage beim Kostümwechsel zeigte und an den Pitstop eines Formel 1-Autos erinnerte: mehrere Maskenbildnerinnen und sonstige Helferinnen hantierten gleichzeitig an ihr herum. Mit neuem Outfit, neuer Perücke und umgehängter Gitarre kehrte sie für "Sisters of Avalon" zurück auf die Bühne.
"Change of Heart" wurde zum Leidwesen meines Freundes, der es gerne gehört hätte, an diesem Abend ebenfalls ausgelassen. Zu "Time after time" wurden wir aufgefordert, die Taschenlampen unserer Telefone anzumachen. Dazu entspann sich ein lustiger Dialog zwischen Lauper und einigen Zuschauern. "What do you mean, you don't have a phone?" "Oh come one, turn your light on, you can take a picture of me later!" Im Anschluss folgte noch "Money Changes Everything", dann war der Hauptteil auch schon beendet.
Für die Zugaben wurde eine "B-Stage" im Publikum benutzt. Lauper erschien in einem schwarzweißen Outfit, das zu denen der Band passte, und mit blonder Langhaarperücke, auf der Bühne und bewegte sich von dort während "Shine" zu der Zweitbühne.
Hier befanden sich auch mehrere Ventilatoren. Zu "True Colors" holte die Sängerin einen langen Schal in Regenbogenfarben hervor und ließ ihn im Wind der Ventilatoren fliegen (es handelt sich übrigens um ein Kunstwerk des Performance-Künstlers Daniel Wurtzel).
Im Publikum hatten wir vereinzelt Personen mit bunten Perücken gesehen. Cyndi Lauper bedankte sich nun bei deren Besitzern - die Perücken werden zu Gunsten einer Wohltätigkeitsorganisation namens "Girls Just Want To Have Fundamental Rights" verkauft, die sich für Frauenrechte und Frauengesundheit einsetzt.
Dann erzählte sie von Yayoi Kusama, einer weiteren Künstlerin (uns natürlich bestens bekannt), die lange auf ihren kommerziellen Erfolg warten musste, während andere ihre Ideen stahlen. Als die Blicke nun zurück auf die Hauptbühne wanderten, zeigte sich, dass alle Musiker sich umgezogen hatten und jetzt gepunktete Kleidung trugen; die LED-Wand zeigte einen gepunkteten Raum, in dem auch Kusama selbst zu sehen war. Die mittlereweile ebenfalls gepunktet gekleidete Cyndi Lauper sang zum Abschluss "Girls Just Want To Have Fun", verbeugte sich gemeinsam mit ihrer Band und verabschiedete sich mit "See you in the next life". Zum Abschluss regnete es Luftschlangen auf uns.
Im Rahmen ihrer Verabschiedung hatte Lauper übrigens erwähnt, dass sie ziemlich krank sei und deshalb nicht den direkten Kontakt zum Publikum gesucht habe - das erklärt wohl das leicht gekürzte Set. Mir hat es Spaß gemacht, eine so durchdachte Performance einer offensichtlich sehr sympathischen Künstlerin zu sehen. Gut, dass das in diesem Leben noch geklappt hat.
She Bop
When You Were Mine (Prince cover)
I Drove All Night
Who Let in the Rain
Iko Iko (Sugar Boy and His Cane Cutters cover)
Funnel of Love (Wanda Jackson cover)
Sally's Pigeons
I'm Gonna Be Strong (Frankie Laine cover)
Sisters of Avalon
Change of Heart
Time After Time
Money Changes Everything (The Brains cover)
Shine
True Colors
Girls Just Want to Have Fun
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