Das Stockholm Music & Arts Festival heißt unter anderem deshalb so, weil es auf dem Gelände des Museums für moderne Kunst, dem Moderna Museet, stattfindet. Dessen Dauerausstellungen kann man generell umsonst betrachten, die Sonderausstellung von Yayoi Kusama kostet aber eigentlich Eintritt. Mit Festivalbändchen durfte man aber zumindest vormittags zwei Stunden lang kostenlos hinein.
Ich muss gestehen, dass mir Yayoi Kusama vor der Stockholmreise komplett unbekannt war, dabei ist die 87jährige Japanerin eine der bekanntesten Gegenwartskünstlerinnen. Sie ist in ihrem Schaffen auf kein Genre festgelegt, von ihr gibt es Bilder, Skulpturen, Kollagen und Performancekunst. Als junge Frau zog Kusama nach New York und veranstaltete dort unter anderem Kunst-Happenings gegen den Vietnamkrieg - man kann also beinahe vermuten, dass Joan Baez und Patti Smith sie wesentlich besser kannten als ich und vielleicht ebenfalls in der Ausstellung waren.
Kusamas Markenzeichen ist der Punkt, und so wurde auch das Gelände des Musikfestivals von gepunkteten Bäumen geziert. Nun sehe ich Pünktchenmuster normalerweise als harmlos und niedlich, bei Kusama sind sie aber Produkt der Halluzinationen, unter denen die Künstlerin leidet - sie lebt seit 1977 freiwillig in einer psychiatrischen Klinik in Tokio, arbeitet aber weiter an ihrer Kunst.
Im Rahmen der Ausstellung beeindruckten insbesondere die von der Künstlerin gestalteten Räume, etwa der für die Biennale 1966 gestaltete "Narzissengarten", ein Raum, der mit hunderten silbernen Kugeln - gewissermaßen 3D-Punkten - gefüllt ist. Selbige Kugeln verkaufte die Künstlerin vor Ort auch für 2 Dollar pro Stück... sie hatte nämlich lange Zeit Probleme, von ihrer Kunst zu leben.
1993 gestaltete Kusama, wiederum bei der Biennale, den japanischen Pavillon, der ebenfalls in Stockholm ausgestellt wird. Wenn man den verspiegelten Würfel betritt, sieht man zunächst überall ein gelbschwarzes Punktemuster. Schaut man dann durch ein Fenster weiter ins Innere, sieht man plötzlich Dank Kaleidoskopeffekt Hunderte ebenfalls schwarzgelb gemusterte Kürbisse - in Wirklichkeit sind es sicherlich nur einige wenige. Im Originalexponat saß auch die Künstlerin selbst, natürlich passend gekleidet. In Stockholm ist das nicht der Fall.
Zumindest als Skulptur ist sie jedoch vor Ort, als Teil einer 2011 für Louis Vuitton gestalteten Schaufensterdekoration. Kusama steht da, umgeben von rotweißen Tentakeln, selbst im roten Kleid mit weißen Punkten und roter Perücke.
Ein weiterer Raum zeigte, wiederum mit Spiegeln, aber auch spiegelnden Wasserflächen, bunte und selbstverständlich gepunktete Lampions. In noch einem anderen ging man zwischen riesigen, aufgeblasenen Kegeln hindurch. In einen dritten, der mit zahlreichen rot-weißen Stofftentaklen bestückt war, die mittels Spiegeln ins Unendliche zu reichen schienen, durfte man jeweils nur in Kleingruppen und nur wenige Sekunden lang.
Und so entdeckte man in jedem Raum neue Welten, die gleichzeitig humorvoll und schön, und doch auchverstörend wirkten. Ich weiß nicht, ob ich das Verstörende auch dann empfunden hätte, wenn ich nicht gleich beim Betreten der Ausstellung gelesen hätte, dass Kusama schon ihr ganzes Leben lang mit Wahnvorstellungen und psychischer Krankheit kämpft. Mit diesem Wissen war es unübersehbar.
Mir hat die Ausstellung sehr gut gefallen, und es tat mir im Nachhinein leid, dass wir keinen längeren Besuch eingeplant hatten. Sie kann noch bis zum 11. September besucht werden.
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