An Autumn's Tale: A Summer's Tale 2016, Tag 1

by - August 15, 2016


Das Festival A Summer’s Tale hatte letzten Sommer seine Premiere, und ich war dabei. Die Kombination von tollen Bands, einem lauschigen Naturschutzgebiet sowie einem umfangreichen Zusatzangebot bestehend aus Workshops, Vorträgen, Filmvorführungen sowie einem Kinderprogramm und vielem mehr machten die Veranstaltung, die sich gerade auch an Familien wendet, zu einem tollen Erlebnis. Die Tickets für dieses Jahr kaufte ich deshalb bereits im November zum „Frühbucherpreis“, als noch keine Bands bestätigt worden waren.


Als die Bestätigungen dann kamen, war ich etwas enttäuscht. Natürlich ist das Festival nicht darauf angelegt, Superstars auftreten zu lassen, dennoch erschien das Lineup lange Zeit recht blass. Nichtsdestotrotz gab es auch Highlights wie Sigur Rós, Garbage, Olli Schulz, Thees Uhlmann oder auch Noel Gallagher, auf die man sich freuen konnte. Nachdem ich im Vorjahr nur einen Workshop, Yoga, besucht hatte, meldete ich mich dieses Jahr vorab gleich zu drei an. Da fehlte eigentlich nur noch eine positive Wettervorhersage – auf diese warteten wir leider vergeblich.


Gleich bei unserer Ankunft auf dem Festivalgelände wurden wir von einem Sturzregen begrüßt. Wir durchquerten dennoch im Schnellschritt das Gelände, denn wir waren für 16:45 bei unserem ersten Workshop, Kalligraphie, angemeldet, und eigentlich sollte man eine Viertelstunde vor Beginn da sein. Wir fanden das Zelt, zögerten ein wenig angesichts der langen Schlange, fragten am hinteren Ende, ob es sich um angemeldete Teilnehmer handelte, wurden nach vorne geschickt – und dort hatte man, um 16:32, unsere Plätze bereits an andere Wartende vergeben.

Nicht nur wir waren angesichts dieses allzu strengen Vorgehens verärgert, nach uns wurde gleich noch eine Dreiergruppe wieder weggeschickt, die kopfschüttelnd und schimpfend das Feld räumte. Und auch die nicht angemeldeten Interessenten, die bereits vor uns gewartet hatten, schienen frustriert zu sein, offenbar war deren Reihenfolge nicht gerecht berücksichtigt worden. Kein guter Festivalauftakt.


Nun hatten wir plötzlich jede Menge Zeit und nahmen das Festivalgelände in Augenschein. Im Großen und Ganzen sah alles aus wie im Vorjahr. Dem größten Kritikpunkt von 2015, der nicht ausreichenden Zahl von Fressständen, hatte man offenbar abgeholfen, es schien viel mehr zu geben. Sowohl die Zeltbühne, die hier Zeltraum heißt, als auch der Platz vor der Waldbühne schienen etwas gewachsen zu sein. Außerdem gab es auf dem Gelände nun zwei „Werbestände“, bei denen man sich kostenlos Produktproben holen konnte, nämlich Kokosdrinks von Provamel und zwei vegetarische Rezeptideen von Rügenwalder. Bei letzterem Stand holten wir uns gleich einmal einen vegetarischen Schaschlikspieß und versäumten es das gesamte restliche Festival lang, uns auch das andere Produkt (eine Pitatasche mit einem Veggie-Hamburger) zu besorgen.


Nach Sichtung der Lage schauten wir bei der für Lesungen und kleinere Performances reservierten Bühne „Grüner Salon“ (die aufwändiger dekoriert war als im Vorjahr) vorbei, wo gerade der Auftritt von Mikrokosmos begann. Das aus Sarah Bosetti und Daniel Hoth bestehende Duo war 2013 der deutschsprachige Vizemeister im Poetry Slam. Als Eröffnung ihres „Sets“ sagten sie auswendig mit verteilten Rollen ein Märchen auf, das sich irgendwo zwischen Geschichte, Rap, Gedicht und Comedy bewegte. Leider rief uns schon bald die Konzertbühne mit Heather Novas Auftritt, sonst wären wir gerne auch länger geblieben.


Frau Nova ist mir als Name selbstverständlich seit Jahrzehnten ein Begriff, ich kann aber nicht behaupten, dass ich mich je sonderlich für die Musik der in London wohnenden, aus Bermuda stammenden Singer-Songwriterin interessiert hätte. Heather wirkte in weißer Jeans und einem silbernen, ärmellosen Top sehr sommerlich, ihren Mikrophonständer hatte jemand mit einem Lilienstrauß dekoriert.

Frau Nova stand selbst mit Gitarre am Mikrophon, zusätzlich hatte sie zwei männliche Begleitmusiker dabei. Der eine spielte bei „Treehouse“ und „Walking Higher“ Cello und sonst Gitarre und Keyboard, außerdem sang er mit erstaunlich hoher Stimme die Refrains mit. Der andere war Schlagzeuger und musste bei etlichen Titeln, die keinen Einsatz seines Instruments erforderten, die Bühne verlassen.


Zu manchen Liedern erklärte Heather etwas, etwa, dass „Sea Glass“ von ihrem neuen Album stamm. Zu „London Rain (Nothing Heals Me Like You Do)“ meinte sie, sie hoffe, dieser Song werde das Wetter – es hatte für den Moment aufgehört zu regnen – nicht wieder umschlagen lassen. Tatsächlich ist der Wettergott aber offenbar Heather Nova-Fan, denn während ihres Auftritts wurde das Wetter stetig besser, bis zum Ende hin die Sonne herauskam.

„Moon River Days“ widmete sie Kindern an sich (dafür bietet sich dieses Festival mit seinen zahlreichen kindlichen Besuchern  auch wirklich an) und erzählte, sie habe den Song für ihren Sohn geschrieben. Besonders viel Applaus erntete anschließend „Fool For You“ für das sie ans Klavier wechselte. Das kurze Set endete mit „Like Lovers Do“.


Mir war die Musik letztlich allzu süßlich und belanglos, also hoffte ich, dass der Tag für mich noch besseres bieten würde.

Setliste:

Treehouse
I Wanna Be Your Light
Girl on the Mountain
Sea Glass
Paper Cup
Winterblue
Walking Higher
London Rain (Nothing Heals Me Like You Do)
Moon River Days
Sea change
Fool for You
Like Lovers Do


Bei „süßlich und belanglos“ kann José González eigentlich nicht weit weg sein. Ich hatte den schwedischen Singer / Songwriter, der auch Sänger der Band Junip ist, erst letztes Jahr als einen der Headliner beim Maifeld Derby gesehen. Damals war er mit Begleitband aufgetreten, und ich habe den Auftritt als extrem langweilig in Erinnerung. Entsprechend verhalten war meine Begeisterung gewesen, als González für das A Summer’s Tale bestätigt worden war. Aber man kann Künstlern ja auch eine zweite Chance geben.

Dieses Mal war José González allein mit seiner Gitarre gekommen und spielte seine ruhigen Songs recht schnell und mit geschlossenen Augen hintereinander weg – die am Rande des Publikums spielenden Kinder übertönten ihn gelegentlich. Nur zum Bedanken öffnete der Künstler die Augen.


Ich muss sagen, dass mir dieses Set deutlich besser gefiel als das vom Maifeld Derby, dennoch wurden die Songs mit der Zeit eintönig. Gegen Ende des Auftritts stampfte González mit dem Fuß zu seiner Gitarre mit und sorgte so für minimale Percussion. Die am meisten umjubelten Lieder, „Crosses“ und „Heartbeats“ (eine Coverversion des Songs von The Knife) gefielen auch mir am besten.


Das Ende des Auftritts kam dann etwas abrupt: González bekam von einer Bühnenhelferin eine neue Gitarre gebracht, nahm diese aber gar nicht erst an, sondern verabschiedete sich. Kurz danach kam er wieder auf die Bühne und erklärte, für einen Song sei doch noch Zeit – es folgte der Junip-Song „Line of Fire“. Auf weitere Coverversionen, die González häufig auch mit im Programm hat, etwa „Teardrops“ von Massive Attacks, mussten wir verzichten. Dennoch,  mein Urteil über José González fällt nach diesem Auftritt nun etwas positiver aus.

Setliste:

Stay in the shade
Lovestain
With the Ink of a Ghost
The Forest
Cycling Trivialities
Every Age
Abram
Far Away
Fold
Crosses
Heartbeats (The Knife Cover)
What will
Stories we build, stories we tell
Killing for love

Line of Fire (Junip song)


Stichwort zweite Chance, erst eine gute Woche vor dem A Summer’s Tale hatte ich, zugegebenermaßen eher nebenbei und ohne volle Aufmerksamkeit, den aktuell sehr gehypten Michael Kiwanuka auf der Bühne gesehen. Der junge Engländer hat sich ganz dem Soul im Stil der 60er und 70er Jahre verschrieben, und schon hier kommen wir nicht zusammen. Dennoch, wir hatten nichts Besseres zu tun, also gingen wir eben zu Michael in den Zeltraum.


Davon abgesehen, dass eines der Bandmitglieder kurz vor dem Auftritt eines der Dekoschafe von vor dem Zelt auf die Bühne verfrachtete, verlief der Auftritt genau gleich zu dem in Stockholm: Erst kam der Keyboarder auf die Bühne, dann erst Michael selbst, und er spielte gute 5 Minuten Gitarre im Stil von Pink Floyed – insgesamt dürfte der erste Song um die zehn Minuten gedauert haben. José González sah übrigens vom Bühnenrand aus zu.

Im Publikum kam Kiwanukas sehr tanzbare Musik überaus gut an und führte zu so manchen Ausdruckstanz. Nur uns konnte das alles nicht packen. Insbesondere ein Song namens  „Black Man in a White World“ war uns bereits von Stockholm her in negativer Erinnerung geblieben, da er so endlos seinen Titel wiederholte. Dieses Mal machte es sich mein Freund zur Aufgabe, mitzuzählen: „I’m a Black Man in a White World“ wurde sage und schreibe 90 Mal wiederholt.


Zu erwähnen wäre da höchstens noch, dass Kiwanuka nur die drittcoolste Frisur in seiner Band hat: Sein Gitarrist trägt einen Afro, der stark in Richtung Wolke geht, während sein Schlagzeuger mit seinem Vokuhila auch gut bei Miami Vice mitspielen könnte. Wir verpassten das Ende der Show, weil wir rechtzeitig für Garbage vor der Hauptbühne stehen wollten.

Setliste:

Cold Little Heart
One More Night
Tell Me a Tale
Rule the World
Black Man in a White World
I’m Getting Ready
Bones
I’ll never Love
...


Draußen war es mittlerweile richtig kalt geworden. Ich war davon ausgegangen, dass für ein Festival im August eine Regenjacke und ein Fleecepulli reichen müssten und sah nun neidisch zu den Konzertbesuchern, die eine Mütze oder sogar eine Winterjacke dabei hatten. Die meisten anderen Besucher stammten aus dem Hamburger Raum, dort ist man sicher eher auf plötzliche Kälteeinbrüche gefasst.

Als Garbage pünktlich die Bühne betraten, fiel uns zunächst auf, dass der junge Mann, der am Schlagzeug Platz nahm, definitiv nicht Bandgründer Butch Vig war. Eben laß ich auf Wikipedia, dass Vig bei der aktuellen Tournee aus gesundheitlichen Gründen überhaupt nicht dabei ist und durch einen Eric Gardner ersetzt wurde. Auf der Bühne wurde das nicht angesprochen. Als Bassist war wie eigentlich immer Eric Avery dabei. Duke Erikson fühlte sich in Vigs Abwesenheit offenbar als der neue Chef und poste besonders viel mit seiner Gitarre.


Thematisiert wurde allerdings die Temperatur. Shirley Manson, die ihre rosa Haare mittlerweile glatt trägt, hatte sich für die ersten paar Lieder eine passende Strickjacke über ihr ärmelloses Patchworkkleid gezogen und erwähnte, dass es ihrer Erinnerung sonst bei Sommerauftritten in Deutschland immer wärmer gewesen sei. Bei den ersten paar Liedern schritt sie wie ein Tiger im Käfig auf der Bühne umher, vielleicht auch aus Temperaturgründen. Es passte in jedem Fall zum im Bühnenhintergrund gezeigten Plakat, auf dem mehrere Leoparden zu sehen waren. Auch Shirleys Kleid hatte auf einigen seiner Flicken ein Raubtiermuster.

Überaschenderweise funktionierten die rockigen Stücke live besser als die Balladen. Während ich „Stupid Girl“ und „Why Do You Love Me“ auf Platte gar nicht besonders mag, machten die Songs live durchaus Spaß. Dagegen wurde das schöne „The Trick Is to Keep Breathing“ live mit dröhnenden Bässen etwas verhunzt. Da machte es auch wenig, dass Garbage sich nicht dazu bewegen ließen, meinen alten Favoriten „Milk“ zu spielen – der hätte sicherlich auch nicht gut geklungen.


„Sex Is Not the Enemy“ vom 2005er Album „Bleed Like Me“ widmete Shirley, nachdem sie ihren Sorgen angesichts der politischen Lage in den USA und insbesondere zum Thema Donald Trump Luft gemacht hatte, der LGBT Community. Nur drei der gespielten Lieder stammten vom letzten Album „Strange Little Birds“, immerhin vier waren vom Debütalbum, das bei der letzten Tournee noch komplett gespielt wurde.

Trotz der Kälte und der Abwesenheit von Butch Vig spielten Garbage ein mitreißendes Set, das bei allen, inklusive mir, gut ankam. Zuletzt dankte Shirley noch den deutschen Fans, die der Band seit Jahrzehnten die Treue hielten und auch schlechte Zeiten verziehen hätten, und ihren Booking Agent der letzten 21 Jahre, der laut Shirley einer der wenigen vertrauenswürdigen und zuverlässigen Menschen seiner Branche ist.


Setliste:

Subhuman
I Think I'm Paranoid
Stupid Girl
Automatic Systematic Habit
Blood for Poppies
#1 Crush
Empty
The Trick Is to Keep Breathing
Sex Is Not the Enemy
Even Though Our Love Is Doomed
Special
Why Do You Love Me
Blackout
Bleed Like Me
Push It
Vow
Only Happy When It Rains
Cherry Lips (Go Baby Go!)




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