CocoRosie, die US-amerikanischen Schwestern aus Paris, habe ich noch gar nicht so oft live gesehen - aber diese Konzerte brannten sich dank vorhandener Skrurrilität immer sehr in Gedächtnis. Am Samstag war es an der Zeit, herauszufinden, ob sich an diesem Konzept seit 2013 - so lange hatte ich die Casady-Schwestern nicht mehr gesehen - etwas verändert hatte.
Auf der Fahrt zum Frankfurter Zoom überlegten mein Freund und ich gemeinsam, was ich bei einer im Juli stattfindenden Party meines Arbeitgebers tragen könnte, für die als Motto die 1980er Jahre festgelegt wurden. Wir sprachen über ein "Frankie Says Relax"-Shirt, Madonna-Ketten, Lederarmbänder im Stil von a-Ha und so weiter.
Bei unserer Ankunft im Zoom, dessen Zuschauerraum durch Barrieren etwas verkleinert worden war, stand der Support Act Maia Kalwill bereits auf der Bühne. Die Argentinierin hatte offenbar ebenfalls viel über Modetrends aus den 80ern nachgedacht und sich dabei vor allem von Madonnas "Like A Virgin"-Phase inspirieren lassen: Sie war ganz in weiß gekleidet und trug eine Korsage sowie einen Strumpfgurt über einem Minirock, nur ihre Glitzersneaker schienen eher aus den 1990ern zu stammen - dafür ließen ihr Stirnband und ihre Halsketten wieder an Madonna denken.
Kalwill sang jeweils zu fertig aufgenommener Musik, bei einigen Songs griff sie auch zur Gitarre, musikalisch klang für mich alles recht harmlos-poppig. Auch mit ihrem Outfit konnte sie an diesem Abend nur Platz drei im Originalitätsranking ergattern, aber hier war die Konkurrenz auch wirklich stark.
CocoRosie touren aktuell mit ihrem neuen Album "Little Death Wishes", es ist aber auch bereits ein Nachfolger in Arbeit, für den sie mit dem Kronos Quartet zusammenarbeiten - das erklärte vermutlich, dass das Duo auch bei dieser Tour bereits ein Streichquartett dabei hat, das auf einem Podest im hinteren Teil der Bühne thronte. Am rechten Bühnenrand befand sich ein Schlagzeug, links ein ganzes Sammelsurium von Retro-Instrumenten, ein Theremin und ein seltsames rundes Instrument, das der Musiker Marc Chouarain, der es spielte, vermutlich selbst gebaut hatte: ein Cristal tambour.
Der Auftritt startete mit einem Lied ohne die Casady-Schwestern, das allein von den Streichern und dem Theremin übernommen wurde. Kurioserweise klang dieses dabei aber so, als würde Sierra Casady bereits singen. Auf der Bühne befand sich die beschädigte Skulptur eines Kindes, vielleicht war es auch einfach eine Schaufensterpuppe. Dazu passend lagen hinten auf dem Podest der Streicher zwei Plastikhände.
Im Anschluss kamen die Schwestern auf die Bühne, und wie immer gibt es viel zu ihren Outfits zu erzählen. Sierra erreichte Rang 2 im Kampf um das absurdeste Kostüm: Sie trug ein kurzes rotes Spitzentop mit langen Ärmeln, eine weiße Radlerhose mit Spitzen und darüber einen Rock aus Kunststoff, der aussah wie ein aufgespannter Regenschirm. Ihr Gesicht war puppenartig geschminkt, mit roten Bäckchen und übertriebenem Lippenstift. Ihr Hals war mit rußartigen schwarzen Flecken bemalt. Dazu trug sie eine dunkle Perücke mit drei langen Zöpfen, und das wohl mit der Innenseite nach außen, so dass es wirkte, als habe sie darüber noch eine Badekappe angezogen. Zu Beginn und dann immer wieder kam auch eine schwarze Sonnenbrille zum Einsatz.
Platz 1 im Ranking der skurrilen Bekleidung ging aber ganz klar an Bianca Casady. Sie hatte eine schwarze Polizei-Schirmmütze über einer dunklen Langhaarperücke angezogen. Zu lederartigen Knickerbockern trug sie Strümpfe, auf denen ein Porträt zu sehen war, schwarze Lackschuhe und einen weißen Frack sowie ebenfalls eine Sonnenbrille. Als sie den Frack nach einigen Songs ablegte, stellte sich heraus, dass sie darunter nackt war, ihre Brüste waren nur von einem Streifen schwarzes Klebeband bedeckt. Sie war ebenfalls übertrieben und puppenartig geschminkt, bei ihr fiel insbesondere auf, dass sie ihre Mundwinkel mit Strichen verlängert hatte und so wie eine Marionette wirkte. Beide Schwestern hatten zudem als kurioses Accessoire künstliche Zigaretten dabei, die sie teils in der Hand und manchmal auch im Mund trugen.
Während Sierra für den ganzen Auftritt im selben Outfit blieb, kehrte Bianca nach einem weiteren Instrumentalstück in der Mitte des Sets verändert zurück: Die Knickerbocker waren zu einer normalen langen Hose geworden, dazu trug sie ein T-Shirt mit abgebildeten Brüsten, wie man es sonst wohl eher auf Mallorca zu sehen bekommt, und eine dicke Metallkette sowie einen Zylinder.
Sierra war wie früher für Bewegung und Ansagen zuständig, während Bianca das Publikum weitestgehend ignorierte und ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich den Instrumenten widmete. Allzu viel sagte Sierra aber auch nicht - sie stellte die Bandmitglieder vor bedankte sich immer wieder für den Applaus und kündigte "Child Bride" als ihr Lieblingslied an. Sonst tanzte sie viel und machte auch hierbei häufig puppen- und marionettenartige Bewegungen.
Zu "Pushing Daisies", das sich um drei Frauengenerationen einer Familie dreht, kam Kalwill nochmals zurück auf die Bühne und sang mit. Im Anschluss wurde die Musik elektronischer, geradezu Club-mäßig (und damit passend zur Location).
Nach 17 Liedern endete das Set, wir bekamen aber noch drei Zugaben, für die Bianca in rote Pumps wechselte. Zu Villain schwenkte Sierra die Plastikhände, die so auch noch ihren Einsatz bekamen.
Bei CocoRosie habe ich immer den Eindruck, dass es bei den Liedern und Auftritten viel mehr zu verstehen gibt, als das bei mir der Fall ist. Aber rein musikalisch betrachtet gefiel mir das Konzert geradezu überraschend gut - auch, wenn es zum Ende hin etwas repetitiv wurde. Der eine oder andere ältere Song hätte hier sicher gut hinein gepasst.
Setliste:
0 Kommentare