Neulich im Pralinenkurs

by - November 14, 2019



Vor einigen Jahren las ich online einen Artikel über die Frankfurter Pâtisseurin Anna Reckmann, die als ursprüngliche Chemikerin eine Pâtisserie-Ausbildung in Paris absolviert und sich anschließend selbständig gemacht hat. Eine Weile lang konnte mans ihre Törtchen, Macarons und Pralinen nur online kaufen, oder sie auch zu festgelegten Terminen im Stadtteil Griesheim abholen - ein Ladengeschäft gab es nicht.


Ohne jemals etwas gekauft zu haben - die Gelegenheit hatte sich einfach nicht ergeben - folgte ich Frau Reckmann auf Facebook und bekam so mit, dass sie dieses Jahr zum einen anfing, zu diversen Themen Kurse anzubieten und zum anderen ein Geschäft mit Café im Westend eröffnete. Das Westend ist für mich im Alltag leichter erreichbar als Griesheim, dennoch bin ich dort auch noch nicht gewesen - dafür nun aber in der "Werkstatt" in Griesheim. Mein Freund schenkte mir nämlich zum Geburtstag den "Großen Pralinenkurs", und so fuhren wir letzten Sonntagmorgen in den etwas abgelegenen Frankfurter Stadtteil.

Der Kurs war für zehn Teilnehmer ausgelegt und ausgebucht. Für eine Teilnahmegebühr von 139 Euro wird man sechs Stunden lang in die Pralinenherstellung eingeführt, bekommt außerdem eine Schürze, Getränke, einen Sekt und einen Mittagssnack - und darf die im Rahmen des Kurses produzierten Pralinen sowie die umgesetzten Rezepte mit nach Hause nehmen.


Im Vorfeld hatte ich schon gelesen, dass der Kurs sich auf Pralinen aus Hohlkörpern, Schnittpralinen und Trüffel fokussieren würde - und fand es ein bisschen schade, dass die "Königsdisziplin", das Gießen von Pralinen in Polycarbonatformen, somit nicht behandelt wurde. Aber das hatte auch seine Gründe: Die Pralinenherstellung an sich benötigt Zeit und auch Wartezeit, und viele Arbeitsschritte erfordern Pausen von mehreren Stunden, in denen beispielsweise Füllungen fest werden müssen. Das Ausgießen von Formen könnte man folglich nur in einem Zwei-Tage-Kurs komplett behandeln.


Nach der Begrüßung durch Frau Reckmann und einer Vorstellungsrunde, in der die Teilnehmer ihre speziellen Lerninteressen nennen durften, ging es schnell an die Arbeit. Zunächst bereitete Frau Reckmann quasi als Beispiel eine Ganache für handgerollte Trüffel vor, anschließend arbeiteten die Teilnehmer an fünf Arbeitsstationen in Zweiergruppen: Vier Gruppen bereiteten nun ihrerseits Ganache zu, mein Freund und ich repräsentierten die "Schnittpralinengruppe" und kneteten zunächst zerkleinerte getrocknete Feigen und gehackte Walnüsse in Marzipanmasse. Dass der Pralineninhalt der Schnittpralinen als Hauptzutat Marzipan enthielt, ermöglichte es ebenfalls, die Pralinen relativ schnell herzustellen: Eine Ganache-Füllung hätte wiederum über mehrere Stunden erstarren müssen.


Lustigerweise hatte ich bei unseren bisherigen eigenen Pralinenversuchen das Herstellen von Ganache als komplett unkritisch empfunden und erfuhr nun im Kurs, was dabei alles schief gehen kann (und wie man es behebt). Tatsächlich waren mein Freund und ich zunächst ein bisschen enttäuscht gewesen, selbst keine Ganache zubereiten zu können, aber als eine gerann und eine andere sich strikt weigerte, in die Hohlkörper gefüllt zu werden, weil immer wieder ein Nuss-Stückchen die Öffnung des Spritzbeutels verstopfte, waren wir dann doch erleichtert, die einfachere Aufgabe ergattert zu haben.


Überhaupt: die Hohlkörper! So nennt man fertig gekaufte (oder in diesem Fall von der Kursleiterin fertig vorbereitete), hohle Schokoladenpralinen, in die man eine selbst gemachte Ganache füllen kann - anschließend verschließt man sie mit einem Tupfen Kuvertüre und garniert zuletzt die komplette Außenschicht nach Belieben, indem man sie zunächst mit Kuvertüre überzieht und danach gegebenenfalls auf einem Gitter rollt oder beispielsweise in gehackten Nüssen wälzt.


An und für sich gilt das Arbeiten mit Hohlkörpern, weil man eben nicht erst selbst eine Hülle gießen muss, quasi als Anfänger-Pralinenkunst. Im Kurs zeigte sich aber, dass sowohl das Befüllen als auch das Dekorieren durchaus seine Tücken hat. Es ist eben nicht ganz einfach, viel Füllung ohne Sauerei in eine kleine Öffnung zu bekommen.

Zur "Mittagspause" bekamen wir reichlich Quiche und Salat (beides selbstgemacht und sehr schmackhaft), richtig überwältigend war dann aber der Nachtisch, denn den Kursteilnehmern wurde ein ganzes Tablett der Reckmannschen Törtchen präsentiert, die nicht nur aussahen wie kleine Kunstwerke, sondern auch ganz hervorragend schmeckten. Man kann das vielleicht auch als gelungene Werbung für den ebenfalls angebotenen Pâtisserie-Kurs werten.


Da mein Freund und ich die im Vergleich am wenigsten ausgelasteten Teilnehmer waren, erhielten wir noch einige Zusatzaufgaben und bereiteten nun eine Art edle Schoko-Crossies (mit karamellisierten Mandelsplittern und Ingwerstückchen) zu und waren auch zuständig für das Spritzen der am Anfang des Kurses zubereiteten Trüffelmasse. Anschließend widmeten wir uns dem großen Thema "Temperieren", denn wenn Kuvertüre in Pralinenform gut aussehen und schmecken soll, muss man sie vorher auf die exakt richtige Weise vorkristallisieren. Hierbeit gibt es als bekannteste Methoden zum einen das "Impfen" (in bereits geschmolzene Kuvertüre wird ungeschmolzene gerührt, um die Temperatur zu senken und die Kristallbildung anzuregen) und zum anderen das "Tablieren" (ein Teil der geschmolzenen, heißen Kuvertüre wird entnommen und auf einer Marmorplatte hin- und hergeschoben, was die Kristallisierung ebenfalls in Gang setzt).


Nun ging es ans Überziehen und Dekorieren sowohl der Hohlkörper als auch unserer Schnittpralinen, und während ich gegen 15 Uhr noch dachte, dass wir niemals zum offiziellen Kursende eine Stunde später fertig werden würden, ging dann doch alles recht schnell. Zum Schluss bekamen alle Teilnehmer Pralinenschachteln und -tütchen und konnten ihre Werke untereinander aufteilen - ich schätze, pro Person fielen an die 30 Pralinen ab.


Obwohl ich selbst schon einige Male Pralinen gemacht und schon viel über Technik gelesen hatte, brachte mir der Kurs durchaus viel Neues bei, etwa, was das Retten geronnener Ganache, das Temperieren, das Halten der richtigen Kuvertüre-Temperatur (das geht mit einem Fön!) oder auch Dekorationsideen betrifft. Im übrigen konnte man jederzeit Fragen aller Art stellen und bekam sie geduldig von der Gastgeberin beantwortet.


Sehr spannend fand ich es auch, in einer "echten" Profiküche zu arbeiten. Während ich anfangs noch über die 3-Kilo-Säcke mit Valrhona-Kuvertüre staunte, war das gar nichts gegen das gigantische Butterpaket oder die Sahnepackung, die beide wirkten, als stammten sie aus Gullivers Reisen (also der zu den Riesen). Auch die Aufbewahrung von Mehl und Zucker in riesigen Tonnen beeindruckte uns, und die Tatsache, dass sich quasi hinter jeder Tür ein Kühlschrank zu verbergen schien (manchmal war es auch ein Ofen).


Nach erfolgreich absolviertem Kurs fallen mir immer noch Fragen ein, die ich gerne gestellt hätte, wenn ich denn rechtzeitig an sie gedacht hätte: Zum Beispiel, ob es Geräte gibt, mit denen man Schnittpralinen gleichmäßiger schneiden kann, oder wie die Pâtisseurin mit Transferfolie Muster auf Pralinen bringt. Es wäre auch interessant gewesen, zusätzliche Bereiche der Küche zu sehen, und auch mehr zur professionellen Pralinenherstellung zu erfahren - etwa, wie viele Pralinen auf einmal gemacht werden und wie lange das dauert.

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