Neulich als alle Rekorde gebrochen wurden: Loch Lomond in Montabaur

by - Juni 29, 2019


Erst für Wohnzimmerkonzert Nummer 10 hatten wir vor gut einem Jahr Loch Lomond aus Portland zu Gast gehabt. Doch Anfang des Jahres fragte dieses Mal die Band an: Man wolle dieses Mal zu siebt auf Tour gehen, ob wir Interesse hätten?

Interesse ist eine Sache, Realismus eine andere. Schon das Quartett Loch Lomond hatte in unserem Wohnzimmer sehr eng beieinander gestanden, die Musiker waren einander routiniert ausgewichen oder hatten sich geduckt, wenn etwa Gitarrenhälse geschwenkt wurden. Wo sollten da noch drei Personen mehr mit Instrumenten stehen?


Wir antworteten also wahrheitsgemäß, dass die Größe unseres Wohnzimmers der Band ja bereits bekannt sei, und dass wir uns eher nicht vorstellen könnten, darin sieben Musiker (darunter einer mit Schlagzeug!), ein Publikum und uns selbst unterbringen zu können - zumal beim letzten Mal aus zwei Personen in den Wochen vor dem Auftritt erst drei und dann vier geworden waren, also wir auch jetzt insgeheim mit einer wachsenden Zahl rechneten. Aber die Band blieb hartnäckig, das würde schon irgendwie funktionieren und man sei gewohnt, mit wenig Platz auszukommen.


Wir hingegen erwärmten uns auch immer mehr für die Idee - wenn die Band nun unbedingt kommen wollte und bereit war, sich mit vermutlich geringen Pro-Kopf-Eintrittsgeldeinnahmen abzufinden, sollte sie ruhig kommen. Immerhin hatte uns beim ersten Besuch von Loch Lomond ja gerade gefallen, dass ein Quartett musikalisch so schön abwechslungsreich sein konnte. Mein Freund plante außerdem, unsere riesige Couch auf die Terrasse auszulagern und so Platz zu schaffen.

Lustig wurde es, als die Band uns mitteilte, man reise sogar zu neunt: Pete Bosack, den wir bereits vom letzten Jahr kannten, reiste mit Frau (Bandmitglied) und zweijähriger Tochter (kein Bandmitglied), für letztere hatte man auch noch die Oma als Aufsicht dabei. Nachdem eine Unterbringung bei uns Zuhause für mehr als zwei Musiker ohnehin ausgeschlossen war, buchten wir eines der wenigen airBnBs unserer Gegend. Kurz vor der Ankunft der Reisegruppe stieß noch die Freundin des Trompeters zur Band, das Paar wollte aber eine eigene Unterkunft suchen.


Einige Dinge liefen bei diesem Wohnzimmerkonzert aber auch einfacher als sonst: Durch den Termin an einem Sonntagabend hatten wir mehr Zeit als sonst für die Vorbereitungen, und die Band, die auch dieses Mal nur eine Anreise aus Wetzlar bewältigen musste, traf so zeitig ein, dass der sonst übliche Stressfaktor "Die Musiker haben noch nichts gegessen und sind gerade erst beim Soundcheck, aber in zehn Minuten kommen die ersten Gäste" dieses Mal ausblieb. Auch der musikalische Aufbau war, nicht zuletzt, weil mein Freund ein neues Mischpult besorgt hatte, unkompliziert - abgesehen von einer winzigen Krise, weil die Band, anders als angekündigt, keinerlei Mikrophone dabei hatte. Wir hatten zwei, die dann eben reichen mussten.


Wie damals bei Enno Bunger überkam zumindest mich auch beim Soundcheck (der zudem seltsam jazzig ausfiel) die Angst, dass das alles viel zu laut sei. Nachdem der Nachmittag ausgesprochen warm war, hatten wir sämtliche Fenster zumindest gekippt, so dass man befürchten musste, dass die direkten Nachbarn jeden Ton mitbekommen würden. Immerhin wackelte dieses Mal nicht das Geschirr im Schrank mit...

Schließlich aß die Band das für sie vorbereitete kalte Buffet, packte sich Proviant ein und fuhr in die Ferienwohnung, während wir kurz durchatmeten, bevor die ersten Gäste eintrafen. Die Anwesenheit von zahlreichen Personen im Wohnzimmer trieb die Raumtemperatur endgültig in Bereiche, in denen die Terrassentüren dauerhaft offen stehen mussten, dafür entpuppte sich der eigentliche Auftritt dann als etwas weniger laut als befürchtet. Mein Freund kündigte ihn an, indem er eine Platte von The Polyphonic Spree hochhielt und behauptete, sein nächstes Bandgrößenziel für unser Wohnzimmer sei die 22-köpfige Band aus Dallas.


Gegenüber dem Auftritt in Offenbach hatte unserer definitiv den Vorteil eines interessierten und aufmerksamen Publikums, außerdem bot die Anwesenheit des Trompeters, der erst am Vortag dazu gestoßen war, neue Klangerlebnisse. Die Setliste war ähnlich, aber nicht identisch zu der zwei Tage zuvor. Vor "The Way" erklärte Brooke, dass, falls jemand heute Abend einen Heiratsantrag machen wolle, nun der ideale Zeitpunkt dafür gekommen sei - und erzählte die Geschichte aus Wetzlar. Anders als ich mir das vorgestellt hatte, hatte der Antrag nicht etwa auf der Bühne stattgefunden sondern still im Publikum, so dass außer der Band kaum jemand etwas davon mitbekommen haben dürfte - diese war aber sehr gerührt.

Die ungewollte Umgebungsbeschallung führte auch dazu, dass in einem unserer Nachbarhäuser zwei kleine Mädchen, die vermutlich eigentlich schlafen sollten, vom Fenster aus zuschauten und klatschten, während die Band ihnen immer wieder zuwinkte.


Wir hatten vergessen, die Band vorab zu fragen, ob sie in ihr Set eine Pause einbauen könne, so dass das Konzert dieses Mal in einem Rutsch und sogar gleich inklusive Zugaben stattfand. Vielleicht war das auch ganz gut so, weil die mit dem Auftritt und den offenen Türen verbundene Nachbarschafts-Musikbeschallung so schon kurz vor 21 Uhr endete. Viele Publikumsmitglieder erwähnten glaubwürdig, dass ihnen dieses Konzert besonders gut gefallen habe, und die Veranstaltung verwandelte sich noch für eine knappe Stunde in eine spontane Gartenparty. Auch wir hatten diesenAuftritt wieder sehr genossen, und die Anwesenheit einer ganzen Band bot, wie schon beim letzten Wohnzimmerkonzert mit Loch Lomond, einfach ganz andere Möglichkeiten der musikalischen Gestaltung als bei einem Einzelkünstler.

Die Band erschien inklusive Begleitpersonen am nächsten Morgen noch zum gemeinsamen Frühstück und Abbau. Während zum Abschied bereits gesagt wurde, dass man auch gerne noch einmal kommen würde und die begleitende Oma bekräftigte, sie sei gerne wieder mit dabei, sagte Gitarrist Jessie scherzhaft, im nächsten Jahr sei auch sein Kind alt genug, um mitzureisen. Man darf also gespannt sein...


Hier noch die Rekorde, die dieses Wohnzimmerkonzert gebrochen hat: Loch Lomond waren in dieser Formation natürlich die größte Band, die es je in unser Wohnzimmer geschafft hat. Außerdem haben wir die größte Anzahl Büffets (drei) zubereitet, mit dem meisten Essen. Wir haben die bislang größte Unterkunft gebucht und hatten auch das bislang wärmste Wohnzimmerkonzert aller Zeiten, verbunden mit dem (ich sehe einen Zusammenhang) größten Pro-Kopf-Getränkeverbrauch.


Setliste:

All your friends are smiling
Violins & Tea
Seattle Denver Arms
Silver Felt
Pens from Spain
Kicking with your feet
Elephant & Little Girls
Tiny Steps
Your Eyes
Games without frontiers (Peter Gabriel Cover)
Tic
Wax & Wire
Trumpet Song
Spine
Witchy

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