Übernächstes Wochenende fahre ich zum Hurricane-Festival. Lange hatte ich gehofft, dass mit den letzten Bestätigungen auch Kasabian genannt werden würden, die im selben Zeitraum bei etlichen anderen Festivals auftreten, aber leider wird das nicht der Fall sein. Stattdessen sah ich vor zwei Wochen mit einiger Überraschung auf meinem Arbeitsweg Kasabian-Plakate. Von einer Einzeltournee hatte ich nichts gewusst, und vom Auftrittsort, einem Club namens Gibson, hatte ich in zwölf Jahren Frankfurt auch noch nie gehört.
Beim Googlen stellte ich fest, dass es sich beim Gibson um das ehemalige Zeil-Kino handelt, das zwischendurch sicher acht Jahre lang leer stand. Nachdem der Club bereits im März eröffnet hatte, ich aber vor meiner späten Kenntnisnahme der Plakate weder von ihm noch dem Kasabian-Konzert etwas mitbekommen hatte, nahm ich an, dass die Promotion nicht sonderlich gut geklappt hatte. Dass es sechs Tage vor dem Konzerttermin noch Karten zu kaufen gab, schien diese Vermutung zu bestätigen.
Völlig falsch war sie aber trotzdem. Als wir uns gestern zum Veranstaltungsort begaben, suchte ich so konzentriert nach dem Eingang des ehemaligen Kinos, dass ich beinahe die gewaltige Schlange übersehen hätte, die bereits hundert Meter davor endete. Schnell war klar, dass das Konzert wohl doch ausverkauft war, denn man sah auch Menschen mit "Suche Karten"-Schildern. Die wartende Menschenmenge hatte allerdings auch damit zu tun, dass alle selbst ausgedruckten Eintrittskarten (und das waren die meisten) vom Einlasspersonal auf einer Liste nachgeschlagen und mit der Hand abgehakt werden mussten - diese Aufgabe kann man nur seinem ärgsten Feind wünschen.
Drinnen war alles Kinoähnliche herausgerissen worden, übrig geblieben waren viele Treppen und Gänge sowie blanke Ziegelwände. Im eigentlichen Clubraum gibt es seitlich zur Bühne noch einen Balkon mit Bar, der früher sicherlich der erste Rang war, im Gesamteindruck wirkt der jetzige Club eher berlinerisch-abgerissen. Nachdem der Prinz aber von technischen Raffinessen wie einer videofähigen LED-Wand schwärmt, dürfte der Stil aber wohl eher so gewollt sein als von Geldmangel herrühren. Woran man aber definitiv noch arbeiten kann und sollte, ist die Belüftung, denn schon bei unserem Eintritt war klar, dass dieser Konzertabend genauso saunamäßig werden würde wie man es von gerade geschlossenen Mousonturm gewöhnt gewesen war.
Die Vorband Honig war bei unserem Eintreffen schon fast mit ihrem Auftritt fertig. In der Ankündigung war noch von Belakiss die Rede gewesen, weshalb wir uns nicht sonderlich beeilt hatten - von Honig dagegen hätten wir gerne mehr gesehen. Obwohl die Halle knallvoll war, gelang es uns, noch relativ weit nach vorne zu kommen. Seitlich von der Bühne konnte man zwar prima sehen, war aber den extrem kritischen Blicken von nicht weniger als vier schrankartigen Securitymännern ausgesetzt, die das komplette Konzert damit verbrachten, finster in die Menschenmenge zu starren und zum Beispiel zu verhindern, dass man sich an hochwichtige Kisten anlehnte. Bei einem Technoabend auf der Zeil mag ein solches Aufgebot möglicherweise ratsam sein, bei einem normalen Konzert wirkte es ziemlich befremdlich.
Kommen wir nach fünf Absätzen Geplänkel endlich zur Band: Kasabian erschienen erfreulich kurz nach Honig, betraten unter erheblichem Strobogeflimmer und extrem Rockstar-mäßig die Bühne und begannen ihr Set mit "Days are forgotten", meiner Lieblingssingle von 2011. Zusätzlich zu den fünf regulären Bandmitgliedern, die bis auf den Sänger alle schwarz trugen, hatte auch ein Keyboarder und ein Musiker mit diversen Blechblasinstrumenten die Bühne betreten. Gemeinsam erzeugte die Band einen gewaltigen Geräuschpegel, so dass ich bereits nach einigen Takten verfluchte, dass ich ohne Ohrenstöpsel gekommen war. Gegen die Qualität des Sounds konnte man allerdings, mal davon abgesehen, dass ich die Trompete eher sehen als hören konnte, wenig sagen.
Weiter ging es mit "Shoot the Runner" und "Velociraptor!", es folgte ein Best of der vier veröffentlichten Alben. Im Mittelpunkt standen Sänger Tom Meighan, der seine Stubenfliege-Puck-Sonnenbrille geschätzte 500 Mal auf- und absetzte (allein während der ersten drei Lieder), sowie Gitarrist und Backgroundsänger Sergio Pizzorno, der bei "Black Whistler" allein den Gesang übernahm. Für uns von der Seite her gut sichtbar bildete sich vor der Bühne zu "Club Foot" und "Empire" eine hüpfende Masse begeisterter Tänzer, die natürlich die Raumtemperatur noch weiter erhöhte. Die Zuschauer in diesem Bereich sahen schon bald aus, als kämen sie direkt vom Schwimmen, wedelten aber fröhlich mit ihren durchnässten T-Shirts. Mein Begleiter behauptete, so eine gute Stimmung habe er bei einem Frankfurter Konzert noch nie erlebt, und auch die (ebenfalls immer feuchter werdende) Band war mit uns sichtlich zufrieden.
Nach "L.S.F." war das reguläre Set vorbei und das Publikum stimmte die Melodie in einer längeren Pause immer wieder allein an. Natürlich bekamen wir aber noch eine Zugabe, die aus den Songs "Switchblade Smiles", "Vlad The Impaler" und "Fire" bestand. Emotionaler Höhepunkt des Abends war, als sich gegen Ende von "Fire" das Publikum im kompletten Bereich vor der Bühne gemeinsam hinhockte und die Band dazu veranlasste, den Song noch einmal anzustimmen, so dass alle beim Refrain aufsprangen. Danach warf uns Tom Meighan zwar noch gerührte Kusshände zu und stimmte kurz "She loves you yeah, yeah, yeah" an, aber sobald die Band die Bühne verlassen hatte, ging das Licht an. Allerdings hörten wir nicht nur beim Warten auf die Garderobe, sondern auch beim anschließenden Einkauf im Supermarkt gegenüber (der bis Mitternacht geöffnet war, und heute ist ja ein Feiertag) immer wieder Menschen, die noch "L.S.F." summten.
Setliste:
Days Are Forgotten
Shoot The Runner
Velociraptor!
Underdog
Where Did All The Love Go?
I.D.
Black Whistler
Club Foot
Re‐Wired
Empire
Fast Fuse
Man Of Simple Pleasures
L.S.F. (Lost Souls Forever)
Switchblade Smiles
Vlad The Impaler
Fire
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