Gelesen: Mai 2020
Im Mai las ich endlich Jeffrey Eugenides' The Marriage Plot. "Endlich", da ich mir das Buch, nachdem ich dir Vorgängerromane The Virgin Suicides und Middlesex beide sehr genossen hatte, direkt nach seinem Erscheinen 2011 als E-Book gekauft hatte. Nur fehlte irgendwie stets die Lust, mit dem Lesen zu beginnen, und bei mir türmt sich jederzeit ein riesiger Stapel gekaufter, geschenkter und sonstiger Bücher mit demselben Schicksal. Dieses Jahr beschloss ich dann, mir zur Motivationssteigerung zusätzlich das Hörbuch zu kaufen - hören geht manchmal leichter als lesen.
Als ich dann also mit dem Anhören begann, wusste ich genau gar nichts über den Inhalt des Romans. Er beginnt mit dem Morgen der College-Abschlussfeier der Protagonistin Madeleine, die verkatert und frisch von ihrem Freund getrennt ist. Es fiel mir zunächst schwer, in die Geschichte hinein zu finden - das wurde ironischerweise viel besser, als ich mich des bereits vorhandenen E-Books besann, denn die Vorlesestimme von David Pittu erschien mir recht monoton und einschläfernd. Beim Selbstlesen bekam ich schnell Spaß an der Geschichte.
Grob erzählt geht es oberflächlich um eine klassische Dreiecks-Liebesgeschichte: Madeleine, ihren Bald-wieder-Freund Leonard und ihren Nur-Freund Mitchell. Aus allen drei Perspektiven wird mit vielen Rückblenden erzählt, wie alle drei ihr bisheriges Leben und ihr Studium verbracht haben und wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Gleichzeitig ist die Handlung aber auch die erzählerische Antwort auf die Frage in Madeleines College-Abschlussarbeit über Romane des 18. und 19. Jahrhunderts. Dessen häufig vorkommendes Motiv des "Marriage Plots" funktioniert nämlich nur in einer Gesellschaft, in der die Heirat für die Frau gesellschaftlich absolut entscheidend und zudem quasi nicht revidierbar ist - was die Frage aufwirft, ob eine solche Geschichte unter den Bedingungen der Jetztzeit (die Geschichte spielt in den 1980ern) überhaupt stattfinden könnte.
Besonders gut gefällt mir aber die tatsächliche Handlung. Leonard leidet unter einer bipolaren Störung, deren Auswirkungen auf ihn selbst und Madeleine sehr eindringlich und geradezu schmerzhaft geschildert werden. Ebenso spannend ist Mitchells Selbstfindungsreise nach Indien. Ein häufig kritisiertes Manko des Romans besteht darin, dass Madeleine praktisch keine weiblichen Refernzpunkte (wie enge Freundinnen) hat, was zugegebenermaßen auch nicht realistisch ist.
Dennoch haben mit die drei Hauptfiguren in ihren Bann gezogen, ich habe nebenbei ein bisschen über Strukturalismus und Roland Barthes verstanden und das Ende präsentiert sich angenehm postmodern.
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