Dem Schneechaos trotzend: Slowdive in der Kölner Live Music Hall

by - Januar 21, 2024


Das Konzertjahr 2024 startete mit einer Unsicherheit: Während wir 2014 extra nach London gereist waren, um Slowdive nach ihrer Rückkehr auf die Bühne live zu sehen (damals war noch gar nicht klar, ob diese Wiedervereinigung etwas Längerfristiges sein würde), gab es nun die seltene Gelegenheit, die Engländer in unserer relativen Nähe in Köln zu sehen - allerdings war dieses Konzert komplett ausverkauft, bevor wir uns um Tickets kümmern konnten. Es blieb also lange fraglich, ob der Auftritt in Köln mit uns oder ohne uns im Publikum stattfinden würde.

Mein Freund beobachtete via Kleinanzeigen, ob es Ticketverkäufe geben würde, fand dort aber immer wieder nur Gesuche von Personen, die wie wir auf der Suche nach Eintrittskarten waren. Schließlich nahm er als gut vernetzter Musikblogger Kontakt zum Plattenlabel auf und bekam für uns Plätze auf der Gästeliste - Problem gelöst.



Wir wussten bei diesen Vorbereitungen natürlich nicht, dass Deutschland Mitte Januar im Schnee versinken würde - was einerseits dafür sorgte, dass letztlich doch einige Fans den Weg nach Köln scheuten und man in den letzten Tagen vor dem Konzert leicht Eintrittskarten hätte bekommen können. Andererseits machten wir selbst uns ebenfalls nicht nur Sorgen, wie wohl unsere Anreise aus dem Westerwald verkehrstechnisch verlaufen würde, sondern auch, ob die Band (sie reiste an diesem Tag aus Paris an) den Termin überhaupt würde einhalten können.



Letztlich verlief alles glatt - wir machten im Auto lustige Wortspiele zu "Snowdrive" und "Slowdrive", erreichten Köln aber recht problemlos und ergatterten sogar einen guten Parkplatz in Hallennähe. Und einen Vorteil hatte die Kälte immerhin: In der häufig unerträglich heißen Live Music Hall konnten wir dieses Mal sogar unsere Jacken anlassen.

Wie gesagt, das Konzert war ausverkauft und die Halle entsprechend voll. Um uns herum hörten wir Niederländisch, Russisch und Französisch, und während die Mehrheit der Konzertbesucher in unserem Alter war, gab es auch erstaunlich viele junge Besucher. Offensichtlich hat die Band sich in den letzten Jahren ein neues Publikum erobert - und bespielt mittlerweile größere Hallen als früher (in Köln war man zuletzt 2018 in Gloria aufgetreten, das etwa 600 Personen weniger fassen kann als die Live Music Hall, davor 1993 in der Kantine). 



Als Vorband hatte man die ebenfalls aus England stammenden Pale Blue Eyes mitgebracht, das Trio hatte sich für den Liveauftritt um einen Keyboarder verstärkt. Die Stammbesetzung der Band sind Frontmann Matthew Board, Schlagzeugerin Lucy Board (seine Frau) und Bassist Aubrey Simpson. Musikalisch gefiel mir das Gebotene, eine Mischung aus Krautrock und Indiepop, recht gut, allerdings war es auch unglaublich laut - und Board zeigte bei manchen der Songs, dass er als Sänger kein Naturtalent ist. Nichtsdestotrotz in meinen Augen eine ok-e Vorband, die sich auch artig und mit den üblichen Worten beim Hauptact bedankte.



Setliste:

Takes Me Over 
TV Flicker 
Spaces 
Motionless
Our history 
Chelsea 
Sister 



Slowdive sind mit ihrem aktuellen Album schon ein Weilchen unterwegs, und während die Setliste der Auftritte grob feststeht, findet sich nach und nach immer mehr Raum für Songs aus dem letztes Jahr veröffentlichten Album "Everything Is Alive". Bei den beiden vorangegangenen Auftritten in Amsterdam und Paris hatten die Songs "Chained to a Cloud" und "Skin in the Game" jeweils ihr Live-Debüt gehabt.

Rachel Goswell hat sich seit unserer letzten Konzertbegegnung optisch verändert: Sie trägt nun einen kurzen Bob mit Pony, der zweigeteilt schwarz und hellblond ist. Zum ansonsten komplett schwarzen Outfit trug sie in Köln ebenfalls schwarzweiß-zweigeteilte Schnürschuhe. Wir erinnerten uns dunkel, dass bei vergangenen Auftritten ein Aufblas-Flamingo ihr Keyboard geziert hatte - dieser ist wohl mittlerweile in Rente, stattdessen waren die von Rachel benutzten Mikrophonständer mit Federboas behängt.



Das war's dann auch schon fast bezüglich Bühnendekoration, im Hintergrund befanden sich noch eher diskrete Leuchtstäbe. Deutlich auffälliger waren die Animationen zu den einzelnen Songs, allesamt geometrische Muster in unterschiedlichen Farben mit teilweise viel Bewegung.

Die frühen Slowdive-Songs - die ältesten Lieder des Abends waren "Catch the Breeze" und "Avalyn" - wurden mit Wucht und Dynamik dargeboten, hier hat die Band zu Liveversionen gefunden, die sich stark von den einst aufgenommenen unterscheiden. Wir bekamen den Eindruck, dass diese Übertragung bei den neuesten Liedern  noch nicht perfekt funktioniert - am deutlichsten wurde das bei "The Slab", dem lautesten Song von "Everything Is Alive", der live einfach verpuffte (er hatte zwischen "Dagger" und "40 Days" allerdings ohnehin eine schwierige Position).



Ähnlich wie bei vergangenen Auftritten waren die Bandmitglieder nicht gerade gesprächig: Rachel Goswell merkte an einer Stelle an, wie still es im Publikum sei (ich hoffe mal, das war ein Lob), außerdem erzählte sie, sie habe in der Umgebung der Halle viele Schneemänner gesehen. Ihr Co-Chef Neil Halstad beließ seine Kommunikation bei einem gelegentlichen "Thank you".

Der Hauptteil des Konzertes endete mit "Golden Hair", einem Cover, das Slowdive bereits seit 2014 im Liveprogramm haben. Rachel verließ die Bühne, nachdem ihr Gesangsteil nach etwa drei Minuten beendet war, die noch anwesenden Herren schrammelten noch ganze sechs Minuten lang weiter. Zum Glück bekamen wir auch noch eine drei Lieder umfassende Zugabe.



Letztlich hatten wir einen schönen Start in die Konzertsaison 2024. Für den Sommer haben Slowdive bereits Festival-Auftritte bestätigt, vielleicht gibt es dann schon ein Wiedersehen.

Setliste:

Shanty
Star Roving
Catch the Breeze
Crazy for You
Souvlaki Space Station
Chained to a Cloud
Kisses
Avalyn
Skin in the Game
Sugar for the Pill
Alison
When the Sun Hits
Golden Hair (Syd Barrett cover)

Dagger
The Slab
40 Days

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