Neulich in den 80ern (1): Deacon Blue im madrilenischen Sala Riviera

by - März 09, 2019


Mein Freund hat das manchmal etwas unheimliche Talent, an den unwahrscheinlichsten Orten Konzerte zu entdecken, die er besuchen möchte. Die bisherigen Höhepunkte dieser Bemühungen waren Get Well Soon in Rovereto und Whipping Boy im irischen Dingle. Dass er es anlässlich eines bereits gebuchten Madrid-Wochenendes schaffte, in der spanischen Hauptstadt ein Konzert zu entdecken, erscheint im Vergleich geradezu banal - ich war dann aber doch sehr überrascht, als er mir den Namen der Band nannte, deren Konzert er gerne besuchen wollte: Deacon Blue. Deren Videos hatte ich vor Urzeiten auf MTV gesehen, und mit "vor Urzeiten" meine ich: als ich noch zur Schule ging.

Deacon Blue gibt es also noch, und aktuell machen die Schotten eine Tournee durch Spanien, das sie vorher 20 Jahre lang nicht besucht hatten. Wie so häufig wusste ich nicht, was mich an dem Abend erwarten würde: Ich hatte keine Vorstellung von der Größe des Veranstaltungsortes "Sala Riviera", keine Ahnung, wie erfolgreich die Band in Spanien jemals gewesen war und wer sie heute würde sehen wollen.


Alle diese Fragen wurden am Abend des Geschehens zügig beantwortet: Das Riviera passte mit seinem 80er-Ambiente und einer künstlichen Palmeninsel in der Raummitte perfekt zu einer Band aus eben diesem Jahrzehnt. Das Publikum - der Saal fasste um die 800 Personen, war aber nicht komplett gefüllt - bewegte sich altersmäßig um die 50 und wies neben vielen Spaniern auch das eine oder andere Grüppchen von Briten auf. Einigen Facebook-Posts am nächsten Tag entnahm ich, dass manche Schotten extra für ihre Lieblingsband nach Madrid gereist waren und vermutlich die gesamte Spanien-Tour mitmachten. Das Konzert in Madrid war das größte, das die Band jemals in Spanien gespielt hatte.

Eine Vorband gab es an diesem Abend nicht, dafür wurden wir während der Wartezeit mit 80er-Hits beschallt, die sehr gut zum Palmen-Ambiente passten - ich sage nur K.C. & The Sunshine Band.


Deacon Blue haben sich war einmal aufgelöst, als der Schlagzeuger der Band zum Fernsehen ging, aber das war bereits 1994. Seit 1999 ist man - inklusive des Drummers Dougie Vipond, der jetzt einfach Band und Fernsehen parallel macht - wieder zusammen. Allerdings starb der ursprüngliche Gitarrist Graeme Kelling 2004 an Pankreaskrebs. Dennoch ist das Lineup der Band über diesen langen Zeitraum erstaunlich konstant geblieben, Sänger Rickie Ross und Sängerin Lorraine McIntosh sind überdies miteinander verheiratet und haben vier Kinder.

Das erklärt vielleicht, dass dieses Konzert von Anfang an ausgesprochen... freundlich wirkte. Die Bandmitglieder schienen allesamt äußerst entspannt, sichtlich froh, auf der Bühne zu stehen und enthusiastisch bei der Sache. Mein Freund hatte, bevor die Musiker die Bühne betraten, gemutmaßt, ein separat stehendes zusätzliches kleines Keyboard sei sicherlich für Lorraine gedacht, denn diese werde als Sängerin nicht für alle Lieder gebraucht - das störte sie aber nicht, sie sang trotzdem bei allen mit.


Die Setliste der Konzerte wird von Abend zu Abend leicht abgeändert - was ich einerseits begrüße, weil es aus meiner Sicht für mehr Spielfreude der Band spricht (wer will schon jeden Abend genau dasselbe machen), andererseits aber für mich als Setlisten-Mitschreiberin zu Problemen führte, denn ich kannte im Vorfeld nur vier Deacon Blue Songs! Auch hier erwies sich die Band aber als nett und postete die Setliste des Abends einfach im Nachhinein auf Facebook.

Am Anfang wird jedes Mal "I Was Right and You Were Wrong" gespielt - sicherlich, weil man den langen Instrumentalteil gut zum langsamen Betreten der Bühne nutzen kann. Das Set konzentrierte sich auf die erfolgreichsten, früheren Alben der Band wie "Raintown" (1987), und "When the World Knows Your Name" (1989), aber auch neuere wurden berücksichtigt. Mit dem dritten Lied, "The Very Thing" ging dann auch bereits das Setlisten-Variieren los - dieser Song war auf der aktuellen Tour noch überhaupt nicht gespielt worden. Mit "Wages Day" folgte der erste Höhepunkt (und eines der vier Lieder, die ich vorab kannte).


Zu "The Rest", einem Lied von 2012er Album "The Hipsters", griff sich Ricky Ross ein Schild, das aus dem Publikum hochgehalten worden war - darauf stand "Graeme - Never Forgotten", und Ross platzierte es zustimmend auf der Bühne.

Mein Freund hatte bereits vorab beobachtet, dass neben den Setlisten auch einige spanische Sätze auf die Bühne geklebt worden waren, und wir warteten bereits gespannt, wann diese zum Einsatz kommen würden (und ob ich sie mit meinen rudimentären Spanischkenntnissen verstehen würde). Für das nächste Lied "Chocolate Girl" sagte Ross dann, es heiße auf Spanisch "Chica de Chocolate" - aber das musste er vermutlich nicht ablesen. Der Song war auch der erste von mehreren, in den ein anderer "eingebaut" wurde - in diesem Fall "You've got a friend"von Carole King (mir hauptsächlich bekannt als The Housemartins-Song). Das erklärte auch, warum dieses Lied vorab dem Betreiber der spanischen Website der Band gewidmet worden war.


"Loaded" war das nächste Lied, in das ein anderes integriert wurde - in diesem Fall war es "I Ain't Got No Home" von Woody Guthrie. Ricky Ross hatte vor dem Lied ermahnt, dass alle durch gute und schlechte Zeiten gehen, dass aber niemand allein sei und gemeinsames Singen uns allen helfen werde.

Zum Leidwesen meines Freundes hatte es auch "Queen of the New Year", ein von ihm wenig geschätztes Lied, auf die Setliste geschafft, zu "That's What We Can Do" erklärte Ricky Ross, als Schotte und aus Sicht der Band könne er sagen "We're not leaving Europe!", was mit viel Applaus bedacht wurde. Hier kam auch ein Teil seiner aufgeschriebenen spanischen Worte zum Einsatz, "Necesito escuchar tus voces". Das verstand ich gut, nicht aber den anderen Satz, den er später noch sagte.


Bei "Every Time You Sleep" wurde dann auch endlich das kleine Keyboard benutzt - Ricky Ross setzte sich persönlich daran. Direkt im Anschluss durfte Lorraine McIntosh "Cover From The Sky" allein singen. Mit dem darauf folgenden Lied "Sad Loved Girl" bildeten diese drei Lieder außerdem ein Trio von Songs, die auf der aktuellen Tournee noch überhaupt nicht gespielt worden waren.

Wir bewegten uns nun schnell auf den zweiten Höhepunkt des Sets zu, "Real Gone Kid", die erfolgreichste Single der Band (von 1988). Das Set endete etwas ungewöhnlich mit "Town To Be Blamed", einem eher ruhigen Song, zu dem es seitens des Publikums eine gut hörbare Geräuschkulisse gab - und viele "Schsch"s als Reaktion darauf.


Aber natürlich gab es auch Zugaben, die man in Spanien, wie wir nun erfuhren, mit dem Fußballgesang "Oleoleoleole" herbei ruft. Es folgten dann noch "When Will You (Make My Telephone Ring)", zu dem Ross sich ein weiteres Mal ans Keyboard setzte, hier wurde schnell noch "Have You Seen Her" von The Chi-Lites eingebaut (mir erschreckenderweise bekannt in der Coverversion von MC Hammer...).

Mit "Dignity", zu dem das Publikum begeistert mitsang, und "Fergus Sings The Blues" (dem letzten der vier mir bekannten Lieder) endete das Set ein weiteres Mal, aber die Band kehrte nochmals zurück und trug noch "Always On my Mind" von Brenda Lee (mir und vermutlich vielen besser bekannt als Lied der Pet Shop Boys) vor. Das Lied wurde akustisch dargeboten, Ricky Ross griff dafür das einzige Mal zur Gitarre, und sämtliche Bandmitglieder durften am Ende abwechselnd singen, was sie mit (offensichtlich) unterschiedlich großer Begeisterung taten.


Dann war das Konzert wirklich vorbei und wir gerieten in die vermutlich bestorganisierte und effizienteste Garderobenschlange aller Zeiten. Das Konzert gefiel mir, obwohl ich es von mir aus sicherlich nicht besucht hätte, sehr gut - der echte Enthusiasmus der Band war genauso zu spüren wie der des Publikums.

Setliste:

I Was Right and You Were Wrong
The Outsiders
The Very Thing
Wages Day
The Rest
Chocolate Girl / You've Got A Friend
Your Swaying Arms
Loaded / I Ain't Got No Home
Queen Of The New Year
That's What We Can Do
Every time you sleep
Cover from the Sky
Sad Loved Girl
The Hipsters
Real Gone Kid
The Believers
Your Town
Town to Be Blamed

When Will You (Make My Telephone Ring) / Have You Seen Her
Dignity
Fergus Sings The Blues

Always On My Mind



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