Die Gurkenrepublik

Seit einer Woche verfolge ich hin- und hergerissen die in den Medien reichlich vorhandene EHEC-Berichterstattung. Getrieben werde ich dabei weniger von persönlicher Angst - was möglicherweise anders wäre, wenn ich in Hamburg wohnte - als von dem Gefühl, dass ich ganz sicher irgendetwas verpasst haben muss und das Problem folglich (noch) nicht richtig verstehe. Ich fasse zusammen:

  • Man fand EHEC Keime auf den legendären spanischen Gurken, diese waren aber nicht die, die die "Epidemie" ausgelöst haben, und der Fund hat eigentlich nichts genützt, außer die deutsch-spanische Beziehung zu schädigen.
  • Seitdem hat man keinerlei Lebensmittel gefunden, die Erkrankungen ausgelöst haben könnten. Im Grunde kann man nicht einmal sicher sein, dass die Ansteckungen von Gemüse herrühren oder sogar generell nahrungsbedingt sind.
  • Dennoch hält man offiziell an der Warnung davor, Blattsalate, Gurken und Tomaten gleich welcher Herkunft zu essen, fest. Sicher ist sicher.
Und hier ist der Punkt, wo ich nicht mitkomme:

  • Was ist an diesen drei Lebensmitteln so einzigartig? Gut, man verzehrt sie meist roh und ungeschält, aber warum ist bei den Warnungen nie die Rede von Paprika, Radieschen, Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Zucchini ...? 
  • Und wenn man, wie es ja der Fall zu sein scheint, ÃœBERHAUPT KEINEN SCHIMMER HAT, an was all diese Menschen genau erkrankt sind, und wenn weiterhin kein einziges dieser Gemüse jemals positiv auf den gefährlichen Keim getestet wurde (und getestet wird ja wie wild), wäre es dann nicht vielleicht an der Zeit, nach einer anderen Ursache zu suchen?
Am Mittwoch war auf dem "Erzeugermarkt" in der Frankfurter Innenstadt nur etwa die Hälfte der normalerweise anwesenden Stände vorhanden - die Betreiber dachten sich wohl, dass sie, wenn sie ihre Ware sowieso wegwerfen müssen, sich wenigstens die Rumsteherei ersparen können.

Mir tun die Bauern und Marktleute leid, und ich selbst hätte ganz furchtbar Lust auf Tomaten und Salat. Und wenn mir weiterhin niemand erklären kann, warum ich das sein lassen muss, wenn ich gleichzeitig öffentliche Verkehrsmittel nutze und mich dabei täglich jeder Menge potenziell seuchenkeimbelasteten Mitmenschen aussetze, gibt es ab dem Wochenende bei U.s auch wieder genau das zu essen. So. Man reiche mir die Tomate des Todes.

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8 Kommentare

  1. sehr guter beitrag zum thema, sehe ich genauso... ich finde die metaphern in dem zusammenhang auch äußerst befremdlich: "gemüse wird sichergestellt!" "verdächtige killergurken!"

    naja, inzwischen kursieren verschwörungstheorien, dass es ein bioterror-anschlag ist...

    ich ess jetzt auch gleich russisches blattsalat-roulette...

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  2. Den vorzeitigen Glanzpunkt zu diesem Thema hat eine Boulevard-Zeitung gesetzt, die einfach mal einen gezielten Anschlag als Ursache in den Raum wirft. Ein wirkliches schlechtes Bild gibt m. E. das Robert Koch Institut ab. Als Blogger müsste man sich für solche eine Informationspolitik schämen...

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  3. Ui, Updates: Biogasanlagen sich schuld. Oder Sprossen. Haben wir bald alle Möglichkeiten durch?

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  4. mir wurde es am freitag zu blöd, da gab es abends endlich mal wieder salat mit allem. am mittwoch war meine tochter sushi essen und hatte einen leckeren sprossensalat ... tja, wie man es macht - es ist verkehrt.

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  5. @ Burgherr: In Foren schlägt man auch gerne kenianische Blumen (Klar! Ausländer! Unhygienisch!) vor.
    Sehr schön auch, dass man von offizieller Seite nebenbei Existenzen wie "das Lübecker Restaurant" oder jetzt "den Uelzener Sprossenlieferanten" in jedem Fall zerstört, ob sich Verdachtsmomente nun bestätigen oder nicht.
    @vielleichtsagerin: Na ja, wer weiß schon, wie lange jetzt die Sprossentheorie vorhält.

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  6. Im Ausland möchte man's nun auch nicht mehr mit ansehen: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,767260,00.html

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  7. Stellte soeben fest, dass das mein 250. Blogeintrag auf Blogger war! Holt die Wunderkerzen raus!

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  8. Wunderkerze brennt (im Geiste).

    Herzlichen Glückwunsch!

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