Hundreds sind ja durchaus eine prima Band (wenn man ein
Bruder-Schwester-Duo Band nennen kann). Allerdings hatte ich sie allein dieses
Jahr bereits zweimal live gesehen, wobei die Liveauftritte von Philip und Eva
auf eine Weise durchgeplant sind, dass mit Überraschungen eher weniger zu
rechnen ist.
Deshalb reagierte ich zunächst verhalten, als mein Freund
vorschlug, sich die Band in Wiesbaden anzusehen. Sein eigenes Hauptinteresse
galt hierbei vor allem der Vorband Wooden Arms.
Letztlich ging ich dann (ohne irgendwelches Wissen über
Wooden Arms) doch mit in den Wiesbadener Schlachthof, der im normalen Zustand
genug Platz für Konzerte der Kategorie Editors oder Franz Ferdinand bietet.
Zunächst dachte ich noch, dass das Konzert im kleineren Saal, der Räucherkammer
stattfinden würde, da dieser dem Bekanntheitsgrad der Band doch eher
entspräche. Jedoch widersprachen die dortigen Säulen und Bühnengröße der
aufwendigen Licht- und Videoinszenierung von Hundreds. So war der Hauptsaal des
Schlachthofes für diesen Abend mit Hilfe von Barrieren erstaunlich zusammen
geschrumpft. Während es bei unserem Eintreffen noch so aussah, als wäre für die
wenigen Besucher immer noch zu viel Platz vorhanden, füllte sich der minimierte
Zuschauerbereich dann doch noch ganz ordentlich.
Bühne frei für Wooden Arms, die sich als sehr jugendliches
britische Quartett entpuppten. Zumindest beim Gitarristen / Trompeter und der
Geigerin hätte man vermuten können, dass sie am nächsten Morgen eigentlich den
Schulunterricht in Norwich besuchen müssten, statt durch Deutschland zu touren.
Sowohl der Gitarrist als auch der Keyboarder übernehmen
abwechselnd die Rolle des Sängers, während ihre Kollegin Geige spielte und
manchmal mitsang. Man merkte den Musikern zum einen an, dass sie sehr jung
waren, zum anderen reagierten sie auf den verdienten Applaus des Publikums
geradezu verlegen. Die Live-Darbietung ihrer Songs entpuppte sich zeitweise als
rockiger und dynamischer als auf Platte und stand dem Prog-Rock näher als dem
Kammerpop. Das halbstündige Set wurde von den Titeln ihres soeben erschienen
Debüt-Mini-Albums „Tide“ dominiert und fand im letzten Song „December“ seinen
Höhepunkt.
Weiter ging’s mit Hundreds, wobei mein Freund und ich
angesichts unserer zwei diesjährigen Konzerterfahrungen scherzhafte Prognosen
wagten: „Ich könnte mir vorstellen, dass zunächst Philip und der namenlose
Percussionist rauskommen und Eva dann erst nach dem ersten instrumentalen Lied
dazu kommt!“ „Ich könnte mir vorstellen, dass sie ein schwarz-weißes Kleid
trägt und barfuß ist!“ „Ich erwarte, dass Philip höchstens dann etwas sagt,
wenn etwas nicht funktioniert!“
Die Bühnenaufteilung war wie gewohnt: Links und rechts
hinten hatten Philip und der namenlose Percussionist auf zwei Podesten ihren
Platz, für Eva war mittig vorne ein Mikrofon aufgebaut und reichlich Platz für
Tanzeinlagen vorhanden. Vor Konzertbeginn wurden die Instrumente noch mit
Setlisten beklebt und der Boden gründlich mit einer Taschenlampen-App nach
möglichen Störfaktoren abgesucht. Eva schien also die Setliste zu kennen und
wieder barfuß aufzutreten. Die erste Vermutung konnte wohl bereits vor
Konzertbeginn als zutreffend abgehakt werden.
Es kam dann wie vermutet: Zunächst betraten Philip und der
Percussionist ihre Plätze links und rechts ein und spielten den
Instrumentalsong „Seals“, erst dann folgte Eva im weißschwarzen Kleid und
barfuß. Nur bezüglich der Setliste hatten wir Unrecht, denn die hatte sie in
einer Kladde dabei, die sie aufgeschlagen vor sich auf den Boden legte – womit
sie auch uns einen Einblick in das geplante Abendprogramm ermöglichte.
Nach „Aftermath“, dem Titelsong ihres zweiten Albums
präsentierten Hundreds mit „Solace“ und „Fighter“ gleich zwei Klassiker und es
wurde trotz meiner ursprünglichen Unlust, das Duo zum dritten Mal in einem Jahr
zu sehen, wieder deutlich, dass es einfach sehr gut Musik macht. Tatsächlich
sagte mein Freund beim Anfang von „Ten Headed Beast“ zu mir „Jetzt kommt ein
tolles Lied“, während ich mir dachte, dass das soeben vollendete „Beehive“ doch
auch großartig gewesen war.
Evas Kommunikation mit dem Publikum fiel gewohnt spärlich
aus, sie sagte lediglich vor „Please rewind“, dass das Hundreds Set sich aus
alten und neuen Songs von beiden Alben zusammen setze – und das nun etwas Neues
käme – nur um Sekunden später mit „Stimmt gar nicht!“ zu korrigieren, denn
„Please rewind“ ist in Wirklichkeit auf „Aftermath“.
Wie schon bei den jüngeren Auftritten beobachtet, wurden
zahlreiche Songs von Videoprojektionen begleitet oder in veränderten, deutlich
„technoideren“ Versionen dargeboten („Happy Virus“), zog sich Eva in den
Bühnenhintergrund zum Tanzen zurück oder wand sich ihrem Bruder zu, um
gemeinsam zu singen. Auffallend war, oder vielleicht achtet man nach mehreren
besuchten Konzerten einer Band auch eher auf Kleinigkeiten, dass Philip bei mehreren
Songs mitsang, etwa bei „Stones“ und dann besonders intensiv bei „Grab the
sunset“. Dieser Song beendete auch den Hauptteil des Konzertes.
Zu „Foam Born“, zu dem die nicht gerade redseligen Hundreds
sonst erwähnten, dass es im Original von Touchy Mob ist, kamen zunächst nur die
beiden Geschwister wieder auf die Bühne. Der namenlose Percussionist, der es
wirklich einmal verdient hätte, vorgestellt zu werden, begleitete sie dann noch
bei „Circus“ und „Sailor“.
Nachdem Eva und Philip noch einmal für „Little Heart“
zurückgekehrt waren, ging ein erwartet gutes Konzert zu Ende.
Werden wir beim nächsten Mal, wenn Hundreds in unserer Nähe
spielen, wieder hingehen? Vermutlich, aber ein wenig mehr Kommunikation mit dem
Publikum wäre schon willkommen.
Setliste:
Seals
Aftermath
Solace
Fighter
Beehive
Ten Headed Beast
Please Rewind
Wait For My Raccoon
Rabbits On The Roof
Stones
Our Past
Happy Virus
Let's Write The Streets
Grab The Sunset
Foam Born
Circus
Song For A Sailor
Little Heart
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