Konzert Nummer zwei, das mein Freund besuchte, während ich auf Reisen war. Beirut hat er schon öfter gesehen und war einmal, in der Kölner Philharmonie, sogar mit der Band auf der Bühne. Außerdem entschied er sich bei unserem germeinsamen Hurricane-Besuch 2012, als wir die Qual der Wahl hatten, entweder Die Ärzte, New Order oder eben Beirut zu sehen, doch glatt für letztgenannte Band. Man kann wohl sagen, dass er Beirut ganz gut findet. Ich selbst sah die Band bislang nur einmal, natürlich gemeinsam mit ihm, 2010 in Haldern.
Wenn langweilige Musik einen anfängt einzulullen, dann begeben sich die Gedanken schon einmal auf Wanderschaft: Ob die Teamkleidung (dunkle Schuhe und Hose mit Gürtel sowie T-Shirts in den Farben Gelb, Blau und Rot) die Fahne der ecuadorianische Heimat von Roberto Carlos Langes Eltern darstellen sollen? Und trugen nicht Tick, Trick und Track die gleiche Kleidung wie das Trio dort auf der Bühne? Oder ähnelt die Bekleidung nicht viel mehr den Trikots aus Star Trek und was wird der Frau im roten T-Shirt dann gleich Schlimmes passieren? Vielleicht explodiert ihr Kopf, denn schließlich steht sie direkt neben zwei Saxophonen und trägt dabei - anders als ihr Kollege - keine Ohrenschützer! Und überhaupt: Sind zwei Saxophone gleichzeitig auf der Bühne überhaupt zulässig? Gibt es da nicht ein Gesetz gegen?
Der Auftritt von Helado Negro im Vorprogramm von Beirut bot reichlich Anlass, die Gedanken kreisen zu lassen, eine ungewöhnliche Mischung aus smoothem Jazz und Latin-Schnulzen zu elektronischen Beats sowie mit „Running“ ein unfassbar eingängiges Lied, bei dem es Roberto Carlos Lange gelang, große Teile des Palladiums mitsingen zu lassen. Gut, dass mir die Melodie etwas später von Posaunen und Trompeten aus den Gehörgängen geblasen wurde, sonst hätte ich sie vermutlich jetzt immer noch im Ohr. Der Sänger und Kopf von Helado Negro merkte während des Sets an, dass er keine CDs dabei habe, weil alle ausverkauft seien. Und auch in Köln wäre er sicherlich nach diesem Auftritt einige los geworden - wenn auch nicht an uns.
Wir waren sehr früh nach Köln gereist, da Kölns unangenehmster Veranstaltungsort nur dann zu ertragen ist, wenn man möglichst weit vorne steht oder einen Platz auf der Empore ergattert. Der Klang im Palladium ist nicht besonders, von hinten hallen die Gespräche anderer, weniger interessierter Konzertbesucher besonders lautstark nach vorne, die Garderobensituation ist suboptimal, womit der schmale, fast schlauchartige Konzertsaal noch nett umschrieben wäre. Am Ende des Konzerts von Beirut fiel uns jedoch auf, dass wir an diesem Abend keinen dieser Punkte als negativ empfunden hatten - muss wohl an Zach Condon und seinen fünf Mitstreitern gelegen haben. Von "unangenehmster Veranstaltungsort“ kann also an diesem Abend gar nicht die Rede gewesen sein - schließlich trat gleichzeitig im benachbarten E-Werk Carolin Kebekus auf.
Die Bühne des ausverkauften Palladiums war mit ca. 50 kleinen Lampen bestückt, die abwechselnd leuchten konnten oder gedämmt wurden und so ein unspektakuläres, aber sehr angenehmes Bühnen- und Stimmungsbild erzeugten. In der Mitte stand Zach Condon, der sang und zwischen Trompete, Ukulele und einem Tasteninstrument wechselte. Links und rechts von ihm standen Kyle Resnick und Ben Lanz, die ebenfalls sangen und Trompete bzw. Posaune spielten. Auf drei Podesten befanden sich dahinter Tour-Musiker Aaron Arntz (Orgel, Akkordeon), Nick Petree (Schlagzeug) und Paul Collins (Bass, Gitarre). Damit war die Bühne gut gefüllt und die Frage, ob Teile des Kölner Publikums, wie vor Jahren in der Philharmonie, bei den Zugaben zum Tanzen auf die Bühne kommen würden, eigentlich auch schon negativ beantwortet.
Wenn man nach weiteren negativen Aspekten des Auftritts suchen wollte, dann wäre vielleicht die fehlende Kommunikation zwischen Band und Publikum zu nennen. Zwar begrüßte uns Zach Condon, der zeitweise in Berlin lebt, auf Deutsch und gab auch einen kurzen, holprigen deutschen zu Köln, Berlin und deren Nachtclubs zum Besten, aber abgesehen von zahlreichen „Thank you“ war es das auch schon.
Die Band spielte ihr Programm - die Setliste steht unverrückbar fest - perfekt herunter. Der Hauptteil bestand aus 20 Titeln, von denen „Postcards From Italy“, „Elephant Gun“ und „Nantes“ besonders euphorisch und lautstark vom Publikum gefeiert wurden. Was hätte das für ein Abend werden können, wenn auch noch „A Candle’s Fire“, „East Harlem“, „Gibraltar“ und „Mount Wroclaw“ berücksichtigt worden wären!
Die älteren Alben von Beirut wurden nahezu gleichberechtigt mit jeweils drei Liedern bedacht, nur von „No No No“ hatten es zwei Lieder in die Setliste geschafft. Das neue Album „Gallipoli“ wurde mit neun Liedern berücksichtigt, wobei ich auf „Corfu“, ein etwas elektronischeres Instrumental, auch hätte verzichten können. Mit „Serbian Cŏcek“, das im Original von A Hawk and a Hacksaw stammt und auf der Melodie eines Stücks Marko Nešić's ("Kad sam bio mlađan lovac ja“) beruht, wurde ein zweites Instrumental gespielt, was im eher melancholischen Folkpop von Beirut als temporeichstes Lied deutlich heraus stach.
Nach dem Hauptteil kamen zunächst nur Zach Condon und Aaron Arntz unter tosendem Applaus zurück auf die Bühne, um „Un dernier verre (pour la route)“ darzubieten. Im Verlauf des Liedes betrat auch das restliche Quartett wieder die Bühne und stieg in den Song mit ein. Abschließend wurde noch „We Never Lived Here“ und „The Gulag Orkestar“ gespielt.
Im Sommer werden wir Beirut auf dem Down the Rabbit Hole Festival erneut sehen können - es wird sicherlich wieder ein sehr schönes Konzert werden, auch wenn sie an der Setliste bis dahin gern noch die ein oder andere Feinjustierung vornehmen dürfen.
Setliste:
When I Die
Varieties of Exile
No No No
Family Curse
Santa Fe
Fener
Postcards From Italy
The Shrew
The Peacock
Gallipoli
The Rip Tide
Landslide
Corfu
Scenic World
Light in the Atoll
Elephant Gun
Gauze für Zah
Serbian Cŏcek (A Hawk and a Hacksaw Cover)
In the Mausoleum
Nantes
Un dernier verre (pour la route)
We Never Lived Here
The Gulag Orkestar
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