Gelesen: September 2021

by - Oktober 06, 2021


Hat jemand den Monatsrückblick zum August vermisst? Es war keine bewusste Entscheidung, diesen auszulassen - erst habe ich ihn schlicht vergessen, und als er mir wieder einfiel, schien es wenig Erwähnenswertes zu geben, das einen solchen Rückblick gerechtfertigt hätte. Also wählte ich einen Monat Pause.

Folglich könnte man meinen, dass ich nun, da ich ja auf zwei ganze Monate zurückgreifen kann, besonders spannende Dinge erzählen könnte, aber leider ist dem nicht so. Ich lese mindestens seit August an The Goldfinch von Donna Tartt, und obwohl mir vieles an dem Roman sehr gut gefällt, komme ich nur langsam voran.

Deshalb berichte ich an dieser Stelle stattdessen über das Hörbuch Plea of Insanity von Jilliane Hoffman, gelesen von Karen White. Kurz zum Inhalt: Die junge Staatsanwältin Julia Valenciano wird überraschend zur Co-Anklägerin eines Aufsehen erregenden Prozesses berufen: Der erfolgreiche und wohlhabende Chirurg David Marquette hat eines Nachts seine Frau und seine drei Kinder getötet. Während die Staatsanwälte zunächst glauben, es ginge "nur" darum, ihm die Tat nachzuweisen, beruft sich die Verteidigung auf Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten - dieser hat in den letzten zwanzig Jahren völlig unauffällig gelebt, hatte als junger Erwachsener aber eine schizophrene Episode durchlaufen. Die von Staatsanwaltschaft und Verteidigern beauftragten Experten kommen zu unterschiedlichen Urteilen, die Verteidigung muss nachweisen, dass der Angeklagte schuldfähig war.

So weit, so gut, allerdings hat Julia noch jede Menge Privatangelegenheiten, die es ihr erschweren, die nötige Distanz zu wahren: Sie hat eine Affäre mit dem Hauptstaatsanwalt, außerdem weiß niemand in ihrem Umfeld, dass ihre eigenen Eltern von ihrem Bruder ermordet wurden, als sie ein Teenager war. Erst durch ihre Arbeit an dem Fall fasst sie den Mut, sich auch mit der alten Fallakte auseinander zu setzen, entdeckt, dass ihr Bruder ebenfalls die Diagnose Schizophrenie erhalten hat und seitdem in einem Krankenhaus in New York lebt.

Ihr eigenes Geheimnis zerrt genauso an Julias Nerven wie der stärker werdende Eindruck, dass der Angeklagte in ihrem aktuellen Fall möglicherweise ebenfalls nicht für seine Taten verantwortlich ist. Zudem macht sie sich in dem neu erworbenen Wissen, dass sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder an der erblichen Krankheit Schizophrenie litten, immer mehr Sorgen um ihre eigene geistige Gesundheit.

Das Zusammentreffen des aktuellen Strafprozesses mit Julias nicht verarbeiteter traumatischer Vergangenheit machte es für mich schwer, die Romanhandlung ernst zu nehmen: Es erschien einfach zu unwahrscheinlich. Dabei fand ich die verschiedenen, von den fiktiven Psychiater-Figuren übermittelten, Informationen zum Thema Schizophrenie durchaus erhellend und interessant. Aber das ändert leider nichts an der ansonsten recht hanebüchenen Handlung, und dabei habe ich noch gar nicht von Julias Affäre mit dem bösen, eitlen, karriereorientierten Staatsanwalt und ihrem neuen "Love Interest", dem aufrechten Polizisten, angefangen.

Jilliane Hoffman ist selbst ehemalige Staatsanwältin, aber mit glaubwürdigen fiktiven Handlungen tut sie sich allem Anschein nach schwer. Immerhin bin ich erleichtert, dass, obwohl erwähnt wird, dass der Angeklagte einen früh verstorbenen, ebenfalls schizophrenen Zwillingsbruder hatte, sich nicht irgendwann herausstellte, dass die Brüder die Leben getauscht hatten. So wurde zumindest ein einziges Klischee umschifft.

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