Neulich im Museum (7): Matthew Wong im Amsterdamer Van Gogh-Museum

by - April 11, 2024

Matthew Wong, The Kingdom


Ich habe ja bereits über unseren kürzlichen Besuch im Van Gogh-Museum berichtet. Dieses verfügt auch über einen Bereich für regelmäßige Sonderausstellungen; hierfür wählt man Künstler aus, deren Werk einen Bezug zu dem van Goghs aufweist. Das Interesse der meisten Besucher an diesen Exponaten ist offenbar begrenzt - so interpretiere ich es zumindest, dass in der Erinnerungsmail, die ich am Tag vor dem Ausstellungsbesuch erhielt, explizit auf sie hingewiesen wurde. Im Eingangsbereich des Museums gab es bei unserem Besuch zusätzlich Displays, die darüber informierten, dass das bekannte van Gogh-Bild "Schlafzimmer in Arles" aktuell als Teil der Sonderausstellung zu sehen sei - also ein weiterer Grund, dort vorbei zu schauen.



Genau das taten wir dann, nachdem wir uns das Museum angesehen hatten -  ohne große Erwartungen, denn von Matthew Wong, einem chinesisch-kanadischen Maler, der von 1984 bis 2019 lebte, hatten wir noch nie etwas gehört. Die Ausstellung trägt den Namen "Matthew Wong - Vincent van Gogh: Painting as a Last Resort". Tatsächlich gibt es im Leben beider Künstler diverse Parallelen: Beide fanden relativ spät und ohne Ausbildung zur Malerei (Wong war ausgebildeter Fotograf), beide schufen viele Gemälde innerhalb relativ kurzer Zeit und beide kämpften mit großen psychischen Problemen, die sie letztlich in den Selbstmord trieben. 

Aber auch die Kunstwerke an sich sehen einander zwar nicht wirklich ähnlich, weisen jedoch Parallelen auf: Wong malte in seinen großflächigen und häufig farbenfrohen Gemälden wie van Gogh bevorzugt die Natur, wie dieser trug er die Farbe so dick auf, dass die Oberflächen eine Textur bekamen. 


Matthew Wong, Contemplating Infinity


Die Ausstellung benutzt insgesamt fünf van Gogh-Bilder, um Parallelen, aber auch Unterschiede der beiden Künstler heraus zu arbeiten. So wird das bereits erwähnte "Schlafzimmer in Arles" mit einem thematisch ähnlichen Bild von Wong verglichen, "Time after Time". Doch während van Goghs Bilder zwar Gefühle des Künstlers ausdrücken sollten, aber meist ein Vorbild in der Realität hatten, kamen Wongs Inspirationen stets aus dessen Phantasie.


Vincent van Gogh, Schlafzimmer in Arles

Die Ausstellung zeigt auch Bilder Wongs, die in direktem Dialog zu denen van Goghs stehen, wobei es sich bei letzteren vielfach um Gemälde handelt, die sich nicht im Besitz des Van Gogh-Museums befinden. So ist Wongs "The Space between Trees" eine direkte Hommage an van Goghs "Maler auf der Straße zu Tarascon" (ein Bild, das vermutlich im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde). Wong kopiert den Hintergrund und ersetzt van Goghs Selbstporträt durch eine Parkbank, auf der er häufig saß.


Matthew Wong, Coming Of Age Landscape


Eine andere Gegenüberstellung findet zwischen van Goghs "Weizenfeld mit Schnitter" und Wongs "Coming of Age Landscape" statt. Beide Gemälde zeigen Felder in der prallen Sonne, die Umsetzung in Detail ist dennoch sehr unterschiedlich.


Vincent van Gogh, Weizenfeld mit Schnitter


Ein drittes Beispiel für einen solchen direkten Dialog ist Wongs Version von "Starry Night", eine direkte Reaktion auf van Goghs bekanntes Bild "Sternennacht" (das sich im Besitz des MoMa in New York befindet). Für den Himmel seiner Version der Sternennacht benutzt Wong gleich noch eine weitere Inspiration, die mir auch in anderen seiner Bilder aufgefallen ist: die für ihre Punktemuster bekannte japanische Künstlerin Yayoi Kusama.


Matthew Wong, Path to the Sea, 2019, © Matthew Wong Foundation c/o Pictoright Amsterdam 2023


Am Ende des Ausstellungsrundgangs können die Besucher in einem separaten Raum unter dem Motto "In silence with Matthew Wong" das Bild "Path to the Sea" besonders intensiv betrachten. Der Raum ist mit zum Bild passenden Stoff ausgekleidet, und die Besucher sind eingeladen, sich vor das Bild, das einen verschlungenen Pfad in einer nächtlichen Landschaft zeigt, zu setzen, im Raum umher zu gehen oder sich auf den Boden zu legen.

Obwohl wir die Ausstellung ohne große Erwartungen besucht hatten, bin ich sehr froh, dass wir uns die Zeit genommen haben: ein interessanter Künstler, der in seiner unglaublich kurzen Schaffensperiode von nur sechs Jahren beeindruckende Werke geschaffen hat. 

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