Gesehen: Juni 2024
Wir Janes Austen-Fans haben es schwer: Ganze sieben Romane hat die Autorin geschrieben, sie wurde auch nur 41 Jahre alt. Austens Romane sind nur oberflächlich betrachtet Liebesgeschichten aus der Perspektive englischer Damen vom Land im frühen 19. Jahrhundert. Die Romane zeigen eine tiefe Menschenkenntnis, die auch 200 Jahre später noch beeindruckt, Humor, Ironie und nicht zuletzt Sozialkritik aus weiblicher Perspektive.
Wer das Original schon kennt, muss zur Nachahmung greifen, und das erklärt wohl den Erfolg der seit dem Jahr 2000 erschienenen Romane von Julia Quinn um die kinderreiche Londoner Hochadelsfamilie Bridgerton. Von den Büchern hatte ich noch nie gehört, bis Netflix 2020 die erste Staffel der gleichnamigen Serie veröffentlichte.
Schon die Romane von Quinn orientieren sich nicht streng an der Realität im Regency-Zeitalter, die Verfilmung unter Leitung von Shonda Rhimes nimmt sich noch mehr Freiheiten: Die auffälligste ist, dass in ihrer Version die agierenden Adeligen zu einem großen Teil schwarz sind - auch die Königin. Andere Anpassungen erleichtern den Zugang für eine jüngere Generation zusätzlich, so begegnen sich die Protagonisten zwar wie in ihrer Epoche und Gesellschaftsschicht üblich auf Bällen, dort tanzen sie aber zu den Orchesterversionen heutiger Popsongs.
Ich konnte mit der ersten Staffel von Bridgerton nicht allzu viel anfangen, die zweite gefiel mir - vielleicht, weil Teile der Handlung an Austens Pride and Prejudice erinnern - deutlich besser. Im Juni kam nun Staffel drei heraus.
In jedem Buch und jeder Serienstaffel findet ein anderes Bridgerton-Kind einen Ehepartner. In der dritten ist es nun der drittälteste Sohn Colin, der nach langem Hin und Her erkennt, dass er seine Kindheitsfreundin Penelope liebt. Nachdem bereits in den ersten beiden Staffeln erzählt wurde, dass Penelope seit jeher in Colin verliebt ist, was dieser schlicht nicht bemerkt, geht dann im neuesten Teil der Geschichte alles ganz schnell, bereits nach den ersten vier der insgesamt acht Folgen ist man verlobt. Die restliche Handlung dreht sich um eine ganze Reihe Nebenerzählungen (es heiratet sogar noch ein weiteres Bridgerton-Kind, Francesca) und Penelopes Entlarvung als Autorin des Gesellschaftsblättchens von "Lady Whistledown".
Gerade letzteres fand ich an dieser Staffel wenig überzeugend, denn der Sprung von "Wenn die Identität Whistledowns bekannt wird, ist diese Person und deren Familie dauerhaft gesellschaftlich geächtet" zu "Ach ja, eigentlich lesen wir das Klatschblatt doch alle gerne, Schwamm drüber" verlief für meinen Geschmack doch allzu abrupt. Überraschend ist auch, dass das Paar der vorherigen Staffel (der älteste Sohn Anthony und seine Frau Kate) zwar weiterhin dabei ist, aber handlungstechnisch rein gar nichts zu tun bekommt.
Weitere Staffeln werde ich als leichte Unterhaltung an der Rudermaschine sicher ebenfalls ansehen, aber ich erwarte nicht viel davon.
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