Heute kommen wir gleich wieder zu einer Künstlerin, von der ich irgendwie gedacht hatte, sie relativ kürzlich live gesehen zu haben - es war aber dann schon 2017, als mein Freund und ich eine sehr schwangere Emilíana Torrini im Frankfurter Mousonturm besuchten - dieses Kind geht dann wohl demnächst schon zur Schule!
Das Konzert letzten Sonntag führte uns außerdem zum zweiten Mal in das neue Zoom, ehemals der Cocoon Club, in Frankfurt. Beim letzten Besuch waren wir enttäuscht gewesen, dass das Konzert von Gang of Youths auf einer Minibühne in der Bar stattfand, dieses Mal hatten wir mehr Glück, Emilíana Torrini und das Colorist Orchestra durften den eigentlichen Clubbereich nutzen - anders wäre es auch kaum gegangen, denn die acht Musiker benötigten für ihre diversen Instrumente so viel Platz, dass die gar nicht einmal so kleine Bühne komplett vollgestellt war. Anders als 2017 entdeckte ich nicht auf Anhieb selbstgebastelte Instrumente (die sich weiter hinten aber durchaus verbargen), dafür sahen wir recht mittig ein Wasserbecken, das offenbar eine musikalische Bedeutung hatte - kurios.
Allzu gut war der Vorverkauf für den Abend anscheinend nicht gelaufen - obwohl Stuhlreihen aufgestellt worden waren, waren diese nur zu etwa drei Vierteln besetzt, als das Konzert (ohne Vorgruppe) begann.
2017 hatte Emilíana Torrinis Zusammenarbeit mit The Colorist (damals zwei Personen) den Anschein eines temporären Projektes gehabt, zumal The Colorist auch vorher immer wieder die Werke unterschiedlicher Künstler neu arrangiert hatten. Aber auch 2017 hatte man schon gemeinsam ein neues Lied komponiert, „When We Dance“. Dieser kreative Austausch hat offenbar allen Beteiligten gut gefallen: Heute ist das The Colorist Orchestra zu acht, und das aktuelle Album hat man komplett gemeinsam mit Torrini komponiert und aufgenommen. Im Laufe des Abends hörten wir zahlreiche Anekdoten dazu.
Emilíana Torrini betrat als letzte die Bühne und bot in einem spanisch anmutenden Ensemble die beiden Lieder „Illusion Curse“ und „Thinking Out Loud“ dar, bevor sie das erste Mal etwas sagte - da ich meinen 2017er-Bericht vorab nicht nochmals gelesen hatte, war ich ein weiteres Mal überrascht, dass die Künstlerin recht fließend Deutsch spricht. Neben der isländischen und der italienischen Verwandtschaft gibt es nämlich Onkel Toni und Tante Elke in Mörfelden Walldorf (was im Frankfurter Einzugsbereich liegt - Emíliana Torrini kommentierte das Raunen, dass bei der Nennung des Provinzortes durch den Raum ging, mit "Ihr lacht, aber dort gibt es das beste Freibad!"), bei denen die junge Emilíana regelmäßig die Sommerferien verbrachte.
Selbige italienisch-deutsche Verwandtschaft war an diesem Abend auch anwesend, wie wir in der ersten Ansage erfuhren - und Emilíana deshalb ganz schön aufgeregt. Dennoch erzählte sie zum nun folgenden Lied „Right Here", es handele von der Situation, mittleren Alters zu sein, und der Frage, was einen in diesem Alter so beschäftigt. Später bekamen wir in einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch noch verschiedenes anderes erzählt, am einprägsamsten waren dabei zwei Anekdoten: Zu „Racing the Storm“ - dem Lied, das gleichzeitig der Albumtitel der neuesten Veröffentlichung ist - erzählte sie, dass sie sich mit den Belgiern von The Colorist Orchestra auf dem Land nahe Reykjavik verabredet hatte, um gemeinsam zu komponieren. Am Abreisetag erfuhren sie von einer Sturmwarnung, und Emilíana sagte zu ihren musikalischen Kollegen, dass diese, wenn sie den Flughafen rechtzeitig erreichen wollten, sofort aufbrechen müssten. Mit zwei Autos fuhr man direkt vor dem Sturm her, und während Emilíana das als relativ normal empfand, waren die weniger Island-erprobten Belgier verständlicherweise recht aufgeregt über diese Situation.
Zum direkt anschließenden „Hilton“ erzählte Emilíana, sie könne anhand dieses Liedes gut den gemeinsamen Song-Schreibe-Prozess erklären: Sie habe Brighton besucht (wo sie auch lange gewohnt hat) und dort im Hotel ein Bad genommen. Der Wasserhahn sei kaputt gewesen, weshalb er ein seltsames rhythmisches Geräusch machte, das sie sofort begeisterte (sie stellte sich winzige Steptänzer vor, die aus dem Abfluss kamen), also nahm sie es mit ihrem Smartphone auf. Später spielte sie es ihren Mitmusikern vor, die sich ohne Zögern mitreißen ließen, den Rhythmus nachspielten und sofort weitere Ideen einbrachten. Bei diesem Lied kam dann - natürlich - auch das Wasserbecken zu seinem Einsatz.
Nicht nur bei diesem Lied spürte man bei den Darbietungen die Begeisterun aller Beteiligten, die sich offenbar kaum etwas Schöneres vorstellen konnten, als an diesem Abend gemeinsam Musik zu machen. In einer weiteren Geschichte, zu „Lonesomefears“ erfuhren wir auch noch, dass Wim (einer der beiden The Colourist-Köpfe) bei einem weiteren Treffen der Gruppe auf einem Baumstumpf sitzend (sie erkundigte sich beim Publikum nach dem Wort und wiederholte sichtlich verwundert „Baumstrumpf“) den strömenden Regen dirigiert habe, um hinterher zu verkünden, er habe nun einen Text für das Lied komponiert.
Im Zugabenteil hörten wir dann auch noch den insbesondere in Deutschland erfolgreichen Hit „Jungle Drum“ und Emilíana erzählte, sie werde häufig gefragt, ob sie das Lied mittlerweile hasse (was auch mir durch den Kopf gegangen war). Sie meinte, sie hasse zwar die Idee davon, es zu spielen, wenn sie es tatsächlich sänge, fände sie es aber doch immer schön.
Den Abschluss des Abends bildete dann „Wedding Song“, ein Lied, das Emilíana Torrini zunächst geträumt hatte, und dem sie dann Jahre später, als sie entgegen ihrer eigenen Erwartung selbst heiratete, einen Text gab - ein sehr persönliches Lied.
Ich habe selten ein Konzert erlebt, dass mir den kreativen Prozess so nahe brachte, und es machte wirklich Spaß, die Begeisterung der Künstler zu erleben. Da ist es dann auch gar nicht schlimm, dass ich das Album „Racing the Storm“ für sich allein genommen vorab gar nicht so mitreißend fand.
The Illusion Curse
Thinking Out Loud
Right Here
Blood Red
Dove
Nightfall
Smoke Trails
Mikos
Racing The Storm
Hilton
Gun
Lonesomefears
Me and Armini
You Left Me In Bloom
Dreamlands
Jungle Drum
Wedding Song
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