Bücherfragebogen (4): Dein Hassbuch
Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass sondern Gleichgültigkeit - wer hasst, fühlt immerhin intensiv, und das liegt näher an der Liebe, als man manchmal wahr haben möchte.
Und so ist mein Hassbuch eben auch keine ganz distanzierte Sache: Ian McEwan ist einer meiner Lieblingsautoren, und als 2005 sein Roman Saturday herauskam, war ich mir sicher, dass ich ihn lieben würde - ich kaufte ihn extra als Flughafen-Edition, als das Taschenbuch noch lange nicht erschienen war, mit großer Vorfreude aufs Lesen.
Doch es kam anders. Was ich als Kritik am Vorgängerwerk Atonement (Abbitte) zwar gehört hatte, aber selbst nicht nachvollziehen konnte, stach mir bei Saturday geradezu ins Auge: Hinter dem Erzählgeflecht blitzte allgegenwärtig ein von sich selbst eingenommener Autor hervor, der stets nach Bewunderung zu heischen schien, weil ihm schon wieder so etwas Tolles eingefallen war. "Sieh nur," schien er zu sagen, "jetzt flechte ich auch noch den Irakkrieg ein, bin ich nicht clever? Und ist Dir auch aufgefallen, dass ich mich minutiös in die Methoden der Gehirnchirurge eingearbeitet habe, damit die Gedankenwelt meines Protagonisten glaubwürdig wird? Und hast Du auch gemerkt, wie ich ihm jedes literarische Interesse abspreche, damit er so völlig anders zu sein scheint als ich? Das war schon ganz schön super von mir, oder?"
Und so erscheint mir dieser Roman völlig blutleer, vollgepackt mir unglaubwürdigen, unsympathischen Figuren und albernen Handlungselementen. Ein Trost war, dass es die Besprechung der "Times" damals genauso sah:
It is like reading a 300-page Christmas round robin from the world's smuggest family: "Well, everyone has been most busy: Rosalind has just saved press freedom (again!), Daisy was awarded a first at Oxford and her volume of poetry has won a literary prize (well done!) And our concerns about Theo leaving school at 16 were unfounded: he's now a world-class blues musician ..." On and on. While the only plot thread concerns Henry pranging his posh (lavishly-described) car into a minor villain. But even that does not burst his haute-bourgeois bubble.
The scene that made me howl with derision (read no farther if you do not want to know the "twist") is when the thug, who is about to rape Daisy naked at knifepoint, makes her read a poem. And so moved is he by a quick stanza of Matthew Arnold's Dover Beach that he lets her go. Oh behold how the gentle arts sootheth the savage beast. To which I replied in best southern Californian, "Oh pul lease!"
(Quelle: The Times, 26.02.2005, "Bad Booker" von Janice Turner)
Der Roman führte zu einem Bruch in meiner unvoreingenommenen Bewunderung des Herrn McEwan, auch seine Folgeerzählung On Chesil Beach (Am Strand) packte mich nicht wirklich. Seinen neuesten Roman Solar besitze ich noch gar nicht, weil ich mich ehrlich gesagt noch nicht an ihn heran getraut habe: Nicht, das das noch einmal so eine Enttäuschung wird.
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