Bücherfragebogen (21): Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast
Wieder eine Geschichte aus meiner Oberstufenzeit: Als nach einem Jahr mit dem unmotiviertesten Lehrer der Welt die Mitglieder meines Grundkurses zwar nicht ihren Lebenswillen, aber zumindest ihr Restinteresse an der englischen Sprache und Kultur erfolgreich verloren hatten und den Kurs folglich abwählten, blieb ich alleine übrig: Als einzige Abiturkandidatin des Kurses wechselte ich in den Parallelkurs, und siehe da, die neue Lehrerin war ganz nett.
Nur bei der Auswahl ihrer Unterrichtslektüren hatte die Frau kein gutes Händchen, wir lasen nämlich einen grässlichen Kitschroman namens Daddy Long-Legs. Das Buch aus dem Jahr 1912 enthält die fiktiven Briefe eines Waisenmädchens an ihren ihr unbekannten Gönner, der ihr ein Literaturstudium finanziert. Sie muss ihm als Bedingung ihres "Stipendiums" monatlich schreiben, kennt aber weder seine Identität, noch bekommt sie Antwortbriefe. Dennoch erfüllt sie die Briefaufgabe mit großer Begeisterung und erzählt dem anonymen Wohltäter alles aus ihrem Leben. Dann verliebt sie sich in einen wohlhabenden jungen Mann, von dem sie dem Gönner in ihren Briefen erzählt, und - Überraschung! - der junge Mann ist gleichzeitig die Person, der sie all die Briefe geschrieben hat.
Zugegebenermaßen fehlte mir als 18jähriger möglicherweise das Verständnis dafür, dass die Ich-Erzählerin für das Jahr 1912 extrem emanzipiert ist und auch jede Menge für ihre Generation ungewöhnliche Dinge tut. Ich empfand die Geschichte als erzählerisch misslungen, vor Kitsch triefend und absolut vorhersehbar.
Mit meinem vernichtenden Urteil stehe ich allerdings recht allein da, denn der Roman wurde mehrfach verfilmt und als Pastiche in andere Kulturkreise übertragen. Ich kann ihn trotzdem nicht leiden, so.
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