Mit Norddeutschland kenne ich mich eher schlecht aus, und wohl deshalb bin ich, wann immer ich in diese Gegend komme, stets erstaunt, wie viel es davon gibt. Und entsprechend dauern auch Fahrten nach und durch den Norden immer viel länger, als ursprünglich erwartet.
Der gestrige Tag war keine Ausnahme von dieser Regel, und so schafften wir es nach einer dank Bahn leicht verspäteten, frühnachmittäglichen Abfahrt von Koblenz aus nicht einmal annähernd, das Hurricane-Festivals zur ursprünglich angestrebten Ankunftszeit zu erreichen. Nach endloser Fahrerei über Autobahnen mit Staus, Landstraßen und kleine Dörfer (nicht zuletzt einen Ort namens „Grauen“) und dem Einchecken in ein ländliches Hotel war es bereits 21 Uhr. Ganz Deutschland saß nun vor dem EM-Viertelfinale, wir dagegen mussten schleunigst weiter zum Festivalgelände. Und obwohl immerhin dieser letzte Anfahrtsweg recht zügig verlief, war der Auftritt von The XX bereits in vollem Gange, als wir uns noch um unsere Einlassbändchen bemühten. Immerhin hatten wir so das etwas bittere Vergnügen, zu deren „Intro“ auf das Gelände zu marschieren – dem Lied von The XX, zu dem zurzeit auch die Nationalmannschaften bei der EM aus der Kabine einlaufen.
The Cure
Bis wir dann erfolgreich die Einlasskontrolle passiert hatten, war es schon Zeit, sich zum Auftritt vom Headliner des ersten Abends auf der Hauptbühne zu begeben: The Cure. Wohl wegen der diversen Erfahrungen mit unschönen Ereignissen bei Massenveranstaltungen ist man beim Hurricane sehr vorsichtig geworden: Vor den beiden großen Bühnen gibt es jeweils zwei „Brecher“, und um den zweiten zu passieren und direkt vor die Bühne zu gelangen, muss man durch einen Security-geregelten Bereich ganz an der Seite der Bühne. Bei The Cure war uns dieser doch recht umständliche Weg zu weit und gleichzeitig zu wenig erfolgversprechend, und wir entschieden uns, an der Barriere stehen zu bleiben, die uns vom Vorbühnenraum trennte – was sich als Fehler erwies. Hurricane-Gäste sind leider häufig besoffen und rücksichtslos, und so wurde man an dieser Stelle, an der die von Menschen verdeckte Barriere in besoffenem Zustand nicht einwandfrei erkennbar war, häufig von Menschen beiseite gedrängelt, die nicht verstanden, dass nach vorne kein Durchkommen war.
Ein persönliches Highlight des Freitagabends war für mich auch, dass wir zuerst hinter drei betrunkenen Engländern standen, von denen einer, als er kurz vor Konzertbeginn mal musste, sich einfach auf die Knie niederließ und laufen ließ. Ein schneller Platzwechsel unsererseits war die Folge.
In dem bei mir aufsteigenden Menschenhass gingen die doch sehr weit entfernten The Cure ein wenig unter, dabei spielten sie ein stellenweise sehr schönes Set mit vielen Klassikern älteren Datums („In Between Days“, „Just Like Heaven“) und Überflüssigem neueren Datums („Mint Car“, „Wrong Number“). Besonders viel Gefallen hatten Robert & Co. an diesem Abend an den Alben „Disintegration“ und „Wish“, von denen jeweils eine Handvoll Songs berücksichtigt wurde.
Robert Smith war pummelig, schwarz gekleidet und geschminkt wie eh und je, nur der Haarpuschel enthielt verglichen mit früher mehr grau. Im Publikum fanden sich, wie bei Festivals ja üblich, neben beinharten Fans auch viele komplette Neulinge, und so wurde mein Freund ausgerechnet während des superbekannten „A Forest“ gefragt, welche Band da denn gerade spiele. Immerhin „Friday I’m in Love“ und „Lullaby“ schienen beim Publikum weitgehend bekannt zu sein, bei Cure-Konzerten wohl traditionelle Interaktionen bei Liedern wie „A Forest“ und „Play for Today“ klappten mangels informierter Fans aber überhaupt nicht.
Nach „Disintegration“, das den heutigen Festivalauftritt abschloss, mussten wir das Konzert verlassen, weil wir einen wichtigen Termin vor der Blue Stage hatten. Im Gegensatz zu vollständigen The Cure-Konzerten verpassten wir nach diesem Hauptteil nicht noch eine weitere Stunde Musik, sondern nur die Zugaben „The Same Deep Water as You“ und „Boys Don’t Cry“.
Setliste:
Plainsong
Pictures of You
High
The End of the World
Lovesong
Sleep When I'm Dead
In Between Days
Just Like Heaven
From the Edge of the Deep Green Sea
The Hungry Ghost
Play for Today
A Forest
Bananafishbones
Lullaby
The Walk
Mint Car
Friday I'm in Love
Doing the Unstuck
Trust
Want
Wrong Number
One Hundred Years
Disintegration
The Same Deep Water as You
Boys Don’t Cry
The Stone Roses
Zur etwas späten Anfangszeit von 0:30 Uhr standen die Stone Roses auf dem Programm, ein Termin, der uns so wichtig war, dass wir das Ende von The Cure sausen ließen. Dieses Mal gelangten wir auch mühelos in den Vorbühnenbereich, in dem wir gut sehen konnten und dank relativ viel Platz auch sämtlichen Idioten ausweichen konnten. Die Stone Roses treten ja zurzeit europaweit bei Festivals und auch allein auf, und teils hörte man schon Berichte, die Anlass zur Sorge gaben, dass eine erneute Bandauflösung unmittelbar bevorstehen könnte.
Beim Hurricane waren aber alle gut gelaunt und scherzten miteinander. Dass Ian Brown nicht singen kann, ist bekannt und sollte niemand, der die Band mag, stören. Sein Gesang war aber gerade während der ersten paar Lieder im Rahmen seiner Möglichkeiten in Ordnung und erhielt gleich beim Opener „I Wanna Be Adored“ reichlich Unterstützung aus dem Publikum. Herr Brown war ansonsten entertainermäßig unterwegs: Er gestikulierte für die Fernsehkameras und das Publikum, warf sich in dramatische Posen und drohte an einer Stelle scherzhaft, Manis Bass an einem Lautsprecher zu zerschlagen.
An einer LED-Wand im Hintergrund konnte man sich an zahlreichen Erinnerungen aus der Stone Roses-Geschichte erfreuen, also den Drop Paintings von John Squire, Zitronenscheiben, psychedelischen Animationen und Ausschnitten des Covers von „Fool’s Gold“.
Die Setliste wird von Konzert zu Konzert leicht variiert, die Schwäche, dass im ersten Drittel jedoch gleich drei Single-B-Seiten präsentiert werden, aber nicht behoben. Daher war ein deutlicher Stimmungsanstieg ab „Fool’s Gold“ zu verspüren.
„Fool’s Gold“ und auch „Waterfall“ fielen durch ausgiebige Gitarrensolos von John Squire deutlich länger aus als auf Platte (bei „Fool’s Gold“ handelt es sich bei der veröffentlichten 9-Minuten-Singleversion also offenbar um eine gekürzte). Hier konnten die Stone Roses zeigen, dass mit Squire, Reni und Mani drei hervorragende Musiker in der Band stehen. Und eben Ian Brown.
Dieser ergänzte „Love Spreads“ am Ende durch eine Rap-Einlage („The Stone Roses are back on stage“ ?) und versemmelte „Don’t Stop“ gehörig. Da wollte der Titel des Songs so gar nicht zum Eindruck beim Hören passen. Der Abschluss ließ mit vier weiteren Songs aus ihrem Debütalbum sicherlich keine Fan-Wünsche offen.
Vielleicht um die Gefahr zu mindern, dass einzelne Bandmitglieder schon nach Hause fahren könnten, wurde „I am the Resurrection“ nicht als Zugabe sondern einfach als letzter Song gespielt.
Setliste:
I Wanna Be Adored
Mersey Paradise
Sally Cinnamon
Where Angels Play
Shoot You Down
(Bye bye) Badman
Ten Storey Love Song
Standing Here
Fools Gold
Something’s Burning
Waterfall
Don’t Stop
Love Spreads
Made Of Stone
This Is The One
She Bangs The Drums
I Am The Resurrection
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