Als ehemalige (mittlerweile sehr ehemalige) Kölnerin habe ich eine natürliche Abneigung gegen alles, was mit Düsseldorf zu tun hat. Nichtsdestotrotz hatte ein Kurzbesuch beim hier stattfindenden New Fall Festival im letzten Jahr gezeigt, dass Düsseldorf im Herbst interessante Konzerte an schönen Veranstaltungsorten zu bieten hat. Also nahmen wir die Chance, dieses Mal das Konzerttagebuch zu repräsentieren, bereitwillig wahr. Dieses Jahr spielen insgesamt zwölf Bands (darunter so namhafte und unterschiedliche Künstler wie Ryuichi Sakamoto, Dillon, Why? oder Caligola) in der Tonhalle und im Robert-Schumann-Saal, und vorgestern ging es mit The Notwist und Ewert and the Two Dragons los.
Unser erster Besuch in der Tonhalle, einem ehemaligen Planetarium, das 1926 von einem Architekten namens Kreis erbaut wurde und dementsprechend rund ist, bestätigte im Vorfeld angestellte Vermutungen: Anders, als man das bei Popkonzerten gewöhnt ist, wurde man angehalten, seine Jacke abzugeben, wurde von zahlreichen Platzanweisen sowohl bei der Sitzplatzfindung unterstützt als auch am Danebenbenehmen (eingeschmuggelte Jacken über Stuhllehnen hängen!) gehindert, und während eine Band spielte, mussten Zuspätkommer auf eine Unterbrechung warten, bevor sie eingelassen wurden. Nichtsdestotrotz entschädigten die erhabene Architektur der Halle, die wunderbare Akustik und die bequemen Sitzplätze für die etwas strengeren Verhaltensregeln.
Auf den bereitliegenden Feedback-Fragebögen zum Festival könnte man höchstens den Online-Kartenvorverkauf via tickets.de bemängeln, der einem wiederholt vorgaukelte, sich auf dem Saalplan einen Sitzplatz aussuchen zu dürfen, um einen dann im Buchungsprozess einfach per Zufallsgenerator irgendwohin zu platzieren, und zwar bei jedem erneuten Versuch auf denselben Platz. Wobei innerhalb von Sekunden auch ganze Sitzblöcke plötzlich nicht mehr zu buchen waren. Daher sollten sich wohl die Platzanweiser an diesem Abend auch darüber beschweren, dass teilweise Sitzplätze doppelt vergeben waren.
Die estische Band Ewert and the Two Dragons, die in ihrer baltischen Heimat anscheinend schon überaus erfolgreich ist, eröffnete den Konzertabend. Als Vorband konnten sie von der „anderen“ Konzertsituation, in der das Publikum nicht, wie sonst üblich, noch mit Bier holen, Freunde suchen und sich unterhalten beschäftigt war, sondern quasi erzwungenermaßen still auf seinen Plätzen blieb, besonders profitieren. Insofern wäre es interessant, zu wissen, ob der Auftritt des Supports auch unter „normalen“ Konzertbedingungen so gut angekommen wäre, wie das in der Tonhalle der Fall war. Die Band spielte in 30 Minuten nur sechs Titel, darunter an 3. Stelle das country-eske „The Rabbit“, außerdem „Good Man Down“ und als Abschluss „(In the end) There’s only love“. Mir hatte seit langer Zeit keine Vorband so gut gefallen wie diese, und dem Applaus nach sah es das restliche Publikum genauso, aber wie gesagt, Ewert and the Two Dragons hatten auch besonders gute Ausgangsbedingungen.
Nach eine halben Stunde Umbaupause, die zahlreiche Gäste dafür nutzten, sich einen besseren Sitzplatz zu sichern – reichlich Plätze waren frei geblieben – betraten The Notwist zu sechst die Bühne. Während das erste, sich langsam steigernde Lied namens „Hands“ noch brav angesagt wurde, begannen bereits mit dem folgenden, sich nahtlos anfügenden Song unsere Setlistenprobleme, die wir auch mit späterem „Nachhören“ einzelner Lieder nicht vollständig lösen konnten.
Vom Rang aus hatte man aber immerhin eine gute Aussicht auf die teils recht spannenden Tätigkeiten der Band (Vibraphon mit dem Geigenbogen spieln, Martin Gretschmann nutzte Wii-Controller, um eine seiner Gerätschaften zu bedienen) und auch das Publikum. Kinder sah man in den letzten Jahren ja bereits öfter bei Konzerten, bei The Notwist sahen wir aber zum ersten Mal ein Baby. Dieses hatte sich Ewert and the Two Dragons geduldig angehört, wurde aber nach dem ersten Notwist-Lied schreiend aus dem Saal getragen und nicht wieder gesehen. Vermutlich waren Ewert and the Two Dragons für den kleinen Schreihals nicht der angekündigte „Geheimtipp“, sondern der Hauptgrund für den Konzertbesuch und ich hoffe, seine Eltern bestellen ihm die Konzerttagebuch-Tasche mit der Aufschrift „Ich bin nur wegen der Vorband hier“.
Auf der Bühne folgten nun die bekannten Lieder „Pick Up The Phone“ und „Where In This World“, die ebenfalls ineinander flossen. Beim anschließenden „This Room“, das in einer anderen, leicht jazzigeren Version als auf „Neon Golden“ gespielt wurde, gab es Szenenapplaus, bevor es vor allem Markus Acher, der auf einem bereit stehenden Plattenspieler scratchte, der Schlagzeuger sowie der Saxofonist (der Teil eines bei mehreren Liedern mitspielenden Bläsertrios war) kakophonisch enden ließen.
Es folgte ein wiederum vom Bläsertrio unterstütztes Instrumentallied (oder sollte dieser Teil noch zu „This Room" gehören?), und später als Höhepunkt des Abends „Neon Golden“ und das ihm nahtlos folgende „Pilot“, die durch Samples von Achers Stimme mit der immer wiederkehrenden Textzeile „different cars and trains“ miteinander verwoben wurden. Viele Titel, gerade aus dem Album „Neon Golden“ wurden in neuen und spannenden Arrangements dargeboten.
Die Kommunikation mit dem Publikum fiel spärlich aus, außer „Tausend Dank“ wurde wenig gesprochen, immerhin das letzte Lied, „Gravity“, wurde aber für die zunehmend verzweifelten Setlistenmitschreiber angesagt und passte mit seiner Textzeile „I see the planets spinning faster“ auch sehr gut zum ehemaligen Planetarium, in dem wir uns befanden. Wie beim letztjährigen Jens Lekmann-Konzert wurden auch jetzt Tausende von Seifenblasen in den Saal geweht – beim nächsten Konzert wird sich zeigen, ob dies Zufall war oder ein Markenzeichen von allen Konzerten des New Fall Festivals ist.
Das begeisterte Publikum holte The Notwist noch zweimal zurück auf die Bühne, im ersten Zugabenteil müssen wir leider nach „One With The Freaks“ und „Off The Rail“ den dritten Titel schuldig bleiben, anschließend wurden noch „Consequence“ und „Gone Gone Gone“ gespielt, wonach die Band mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde.
Es war ein sowohl hinsichtlich Ambiente und Atmosphäre als auch der dargebotenen Liedversionen ausgesprochen schöner Konzertabend, so dass man dem New Fall Festival – das 2012 erst zum zweiten Mal stattfindet – nur eine lange Zukunft wünschen kann. Selbst, wenn es in Düsseldorf stattfindet.
Setliste:
Hands On Us
?
Pick Up The Phone
Where In This World
This Room
Casino (?)
Boneless
On Planet Off
Gloomy Planets
Trashing Days
Neon Golden
Pilot
Gravity
One With The Freaks
Off The Rail
?
Consequence
Gone Gone Gone
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