Diese Woche ging das New Fall Festival in Düsseldorf in die dritte Runde. Bereits vorletztes und letztes Jahr hatte ich die Veranstaltung besucht und dabei Auftritte von Jens Lekman, Get Well Soon, Dear Reader und The Notwist gesehen. Das Motto der Veranstaltungsreihe, "besondere Künstler and besonderen Orten", lockte mich auch ein drittes Mal an den Rhein, denn dieses Mal sollte unter anderem Woodkid mit einem Orchester auftreten. In der Tonhalle, einem ehemaligen Planetarium, hatte ich letztes Jahr bereits The Notwist gesehen und freute mich, dort ein weiteres Konzert besuchen zu können.
Weitere Künstler der diesjährigen Festivalauflage waren unter anderem Tocotronic, Birdy, Billy Bragg und Element of Crime - offenbar könnte man dieses Jahr mehr größere Namen verpflichten als in der Vergangenheit, und zum ersten Mal gab es auch drei ausverkaufte Konzerte. Gut, dass ich meine Woodkid-Karte bereits seit dem Frühjahr hatte.
Als herausfordernd erwies sich lediglich das Problem, nach einem Arbeitstag pünktlich vom Westerwald nach Düsseldorf zu kommen, noch dazu im Feierabendverkehr vor einem Feiertag. Tatsächlich war die Autobahn völlig verstopft, und bei Köln schwanden unsere Hoffnungen, das Konzert noch rechtzeitig zu erreichen. Dazu kam noch die Furcht, dass man klassische Konzertsäle wie die Tonhalle ja meistens als Zuspätkommer nicht einfach so betreten darf. Irgendwie hat es dann zum Glück trotzdem geklappt und wir waren vor 8 am Ziel und konnten unsere fest gebuchten Sitzplätze in Reihe 4 einnehmen.
Woodkids Debütalbum "The Golden Age" ist mit seiner bombastischen Emotionalität möglicherweise meine Platte des Jahres - obwohl ich mich, seit ein Lied nach dem anderen in Werbespots auftaucht, auch ein wenig frage, ob die Musik nicht vielleicht doch allzu gefällig und massenkompatibel ist. Yoann Lemoine stammt ja selbst aus der Werbebranche, vielleicht steht er somit der Weiterverwendung seiner Lieder deshalb offener gegenüber als andere? Aber egal, es gefällt, was gefällt, auch, wenn andere es ebenfalls mögen.
Als wir also leicht außer Atem unsere Plätze eingenommen hatten, betrat zunächst Veranstalter Hamed Shahi die Bühne und begrüßte das Publikum. Er erklärte, dass wir einen einmaligen Auftritt mit insgesamt 20 Musikern "und mehr Scheinwerfern als Bon Jovi" vor uns hätten und dass Eins Live das Konzert aufzeichnen werde. Im Hintergrund, unterhalb der zwölf mal acht Meter großen Leinwand nahmen die zwölf Musiker des Jugendsinfonieorchesters der Tonhalle Platz. Es handelte sich ausschließlich um Streicher, drei Bläser hatte Woodkid alias Yoann Lemoine selbst dabei, ebenso zwei Trommler und zwei Keyboarder. Nach diesen und nach einem instrumentalen Eingangsstück betrat auch der kleine Mann aus Frankreich die Bühne, freute sich über den beeindruckenden Auftrittsort und sagte, er sei froh, nach eine Reihe von Auftritten in den USA wieder in Europa zu sein.
Im Gegensatz zu den komplett schwarz gekleideten Musikern trug Yoann Lemoine etwas seltsam anmutende Hiphopkleidung, die nicht recht mit der sonst von ihm bevorzugten Ästhetik harmonieren wollte. Grundsätzlich kleine Menschen sollten eigentlich auch nicht unbedingt Dreiviertelhosen (und riesige, klobige Schuhe) tragen, weil das den Körper optisch noch mehr staucht.
Hinter der Bühne wurden auf der Leinwand jeweils zu den Liedern passende Animationen gezeigt, etwa Sternenhimmel, seltsame Waben, Kathedralen oder auch der Junge mit dem Wikingerhelm aus den Videos. Dass für Woodkid die aus seinen Videos bekannte Symbolik wichtig ist, konnte man auch an den beiden auf seine Unterarme tätowierten Schlüsseln sehen.
Der Anfang erste Teil des Konzertes wurde von ruhigen Songs beherrscht, etwa "Baltimore", "Where I Live" oder "The Golden Age". Die Mitglieder des Jungendorchesters kamen hier immer wieder zum Einsatz, allerdings konnte man sie nicht besonders gut hören, teilweise auch, weil die Keyboards, die normalerweise ihren Part spielten, sie übertönten. Neben der bekannten Single "I Love You", die besonders viel Applaus erhielt, wurden mit "Baltimore's Fireflies" und "Brooklyn" zwei Songs ins Set aufgenommen, die nur auf der "Iron" EP zu finden sind.
Erst im weiteren Verlauf des Konzerts folgten die temporeicheren und bombastischeren Lieder "Iron", "Conquest Of Spaces" und "The Great Escape". Nachdem alle Musiker zunächst nahezu regungslos an ihren Instrumenten verharrten, wurden diese nun beiseite gelegt und wild über die Bühne gehüpft, was nach kurzer Zeit dazu führte, dass auch der größte Teil des Publikums aufstand und den Rest den Konzertes die Sitzplätze auch nicht mehr einnahm.
Danach war das reguläre Set beendet, als Zugabe folgte mehr oder weniger sofort "Run Boy Run" in einer äußerst lang gezogenen, von den Trommeln geprägten Version. Anschließend erklärte Yoann Lemoine, nun käme eigentlich das letzte Lied, wenn wir versprächen, ordentlich mitzugehen, werde nun vorher aber noch ein neuer Song gespielt. Unter allgemeinem Jubel wurde dieser Plan dann umgesetzt, wobei das neue, instrumentale Lied eher kein musikalischer Höhepunkt war. Danach folgte glücklicherweise noch das bessere "The Other Side", bei dem es, wie wir jetzt wissen, um den Tod geht.
Das Publikum wäre anschließend sicherlich noch für weitere Zugaben zu haben gewesen, das Konzert war nun aber vorbei und ließ mich mit etwas gespaltenen Gefühlen zurück. Mir war der zweifellos musikalisch wie ästhetisch gute Auftritt etwas zu stark durchchoreographiert. Natürlich weiß man, dass ein Künstler auf Tournee zwangsläufig meist relativ ähnliche Auftritte abliefert, und eine geplante Licht- und Videobegleitung lässt ohnehin wenig Raum für Spontaneität. Dennoch fehlte mir irgendetwas, das ich auch nicht so recht erklären kann.
Setliste (ohne Gewähr):
Intro
Baltimore's Fireflies
Falling
Where I Live
The golden age
I love you
Brooklyn
Boat Song
Ghost Lights
Shadows
Stabat Mater
Conquest of Space
Iron
The Great Escape
Run Boy run
Instrumental (Neu)
The other side
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