Traurige Liebeslieder und was sie auslösen: Enno Bunger im Frankfurter Mousonturm
Letzte Woche noch rügte ich Christoph auf Facebook dafür, dass er scherzhaft beim The National-Konzert ein Gemetzel an den anderen Konzertbesuchern ersehnte, vorgestern war ich dann selbst so weit. Dass das Publikum beim Enno Bunger-Konzert im Mousonturm zu 75 % weiblich war, überraschte zunächst nur, aber störte selbstverständlich nicht. Dass viele der altersmäßig breit gestreuten Besucherinnen unter hormoneller Unausgeglichenheit zu leiden schienen, muss man beim Konzert eines Dichters trauriger Liebeslieder wohl akzeptieren, da werden eben Retterinneninstinkte wach. Dass die alleraufgeregteste Konzertbesucherin direkt vor uns, also quasi zwischen uns und Enno saß, war dann aber schon extrem störend. Es ist einfach unheimlich schwer, der eher ruhigen Musik zuzuhören, wenn vor einem im Sitzen abgetanzt, headgebangt und Luftklavier gespielt wird, und wenn jeder einzelne Applaus mit einem extralauten "WUHUU!" eingeleitet und die kleinste Bemerkung des Idols mit einem demonstrativen Lacher bedacht wird. Herrje, das war wirklich schwer zu ertragen.
Wie das meiner Erfahrung nach immer der Fall ist, profitierte die Band vom bestuhlten Saal: Die Leute saßen bereits auf ihren Plätzen und waren somit eher bereit, etwas Unbekanntem zuzuhören. Ich fand den sehr wechselhaften, teils unheimlich hohen, dann auch wieder "normalen" Gesang zunächst gewöhnungsbedürftig, aber mit den letzten beiden Songs, insbesondere dem sehr starken "I'll call thee Hamlet" konnten mich Woods of Birnam dann doch noch packen. Speziell das "Hamlet"-Album muss ich mir definitiv einmal anhören - was nun geht, da mein Freund nach dem Konzert noch beide Tonträger der Band erwarb.
Setliste:
Daylight
The Healer
Greenwood Tree
Remembrance
Dance
I’ll Call Thee Hamlet
Soon
Auf der Setliste, die wir später sahen, war übrigens nur vermerkt gewesen, dass Enno an dieser Stelle ein bis zwei Lieder allein spielt, folglich war die Bitte um Zuschauerwünsche eine ernst gemeinte - während des Konzertes hatten wir ein wenig daran gezweifelt. Im Anschluss spielte der Sänger ein neues Lied, das als Refrain "Das Licht am Ende des Tunnels ist kaputt" hatte. Man kann also wohl davon ausgehen, dass Album Nummer drei in textlicher Hinsicht keine Kehrtwende Richtung Optimismus beinhalten wird. In der Ankündigung des Songs erklärte Enno, dass ihn Radiohören beim Autofahren stets superwütend mache, weil überall dieselben drei Lieder laufen, zurzeit wohl hauptsächlich "An Tagen wie diesen" von den Toten Hosen. Diese hätten ein astreines Liedkonzept, in dem man bei jedem Refrain "Wohoo!" mitgrölen könne, was er uns an einigen Beispielen demonstrierte.
Nach anschließenden Rückkehr der Band hörten wir zunächst eine rockige ("Ennowar"-)Version von "Die Flucht". Nach "Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung" und "Herzschlag" war dann erst einmal Schluss, wobei das Publikum nicht lange um eine Zugabe betteln musste.
Es folgten noch zwei Lieder, zuerst ein weiteres neues, das zur allgemeinen Überraschung auf Englisch war. Als Refrain machte ich "This won't break me" bzw. "You won't break me" aus, auf der Setliste war jedoch nur "You" vermerkt. Den Abschluss bildete mit "Regen" wieder ein Lied von "Wir sind vorbei", dann trat die nach all den traurigen Texten immer noch gut gelaunte Band gemeinsam an den Bühnenrand und verbeugte sich.
Enno Bunger mit Bandbegleitung zu sehen, war - von den Störfaktoren abgesehen - ein sehr schönes Erlebnis, das seine sowieso guten Songs noch einmal spannender und abwechslungsreicher wirken ließ.
Setliste:
Abspann (solo)
Leeres Boot
Roter Faden
Astronaut
Präludium
Blockaden
Euphorie
Wahre Freundschaft (solo)
Pass auf dich auf (solo)
Am Ende des Tunnels (solo)
Die Flucht
Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung
Herzschlag
You
Regen
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