Gemma Ray hatte ich vor fünf Jahren einmal als Vorband von Maximilian Hecker gesehen. Damals machte die Sängerin mit ihrem blumenlastigen Auftritt einen guten Eindruck, allerdings habe ich sie auch sofort wieder aus den Augen verloren.
Als mein Freund vorschlug, ein Konzert der Künstlerin in Wetzlar zu besuchen, las ich wieder ein wenig im Internet über sie und fand Vergleiche zu Amy Winehouse. Hm. Konnte man sich ja einmal ansehen, vor allem, wenn man noch nie in diesem Örtchen war und es fahrtechnisch schnell und gut zu erreichen war.
Wetzlar als Konzertort hat anscheinend auch nicht viel mehr Anziehungskraft als Montabaur, denn beim Warten auf den Auftritt im Lokal "Franzis" dachten wie lange Zeit, dass wir hinsichtlich der Besucherzahl Gemma auch zu uns nach Hause einladen hätten können. Aber wieder einmal wussten Lokalkundige wohl einfach, dass die Konzertbeginnzeit deutlich nach 20 Uhr sein würde, und so kamen kurz vor dem Auftritt der Band dann doch noch einige Zuhörer dazu und brachten die Gesamtbesucherzahl mit sehr hohem Männeranteil auf etwa 40.
Gemma selbst hatte wohl ursprünglich vorgehabt, ihren Auftritt früher zu beginnen, denn sie begrüßte uns mit der Entschuldigung, die Band sei in einem Haus aus dem 16. Jahrhundert bei hervorragendem Essen festgehalten worden und habe sich erst jetzt befreien können.
Band? Ja, denn neben Gemma an Mikrophon und Gitarre waren auch ein Bassist und ein Schlagzeuger mit auf der Bühne, die gemeinsam mit einem nicht anwesenden Keyboarder auch auf Gemmas neuem Album "Milk For Your Motors" zu hören sind.
Los ging das Konzert mit dem neu arrangierten Traditional "900 Miles", dann folgte der Opener des neuen Albums, "The Wheel". Es folgten weitere vier Songs von "Milk For Your Motors" bis mit "100 mph (In The 2nd gear") das erste ältere Lied (von "Lights Out Zoltar!") gespielt wurde. Anschließend wurde die Setliste abwechslungsreicher und berücksichtigte auch weitere ältere Albumveröffentlichungen.
Gemma hatte bereits ganz am Anfang erklärt, sie versuche, bei Konzerten eher wenig zu sprechen, weil sie häufig Mist rede. Der Schlagzeuger hätte außerdem viel mehr Humor als sie, aber sie stünde nun einmal am Mikro. An dieser Aussage gemessen, meldete sich die Sängerin aber dann doch relativ häufig zu Wort, erklärte, worum es in einzelnen Songs ging und sagte auch, dass es ihr im Download-Zeitalter eine besondere Freude sei, dass wir alle tatsächlich aus dem Haus und zu ihren Konzert gegangen seien.
Vor "There Must Be More Than This", einem neuen Song, der es nicht aufs Album geschafft hat, steckte Gemma plötzlich ein riesiges Messer unter den Saitenhalter ihrer Gitarre. Dort passte es hin wie angegossen, aber man musste sich fragen, was sie damit vor hatte... Nachdem es einige Songs lang einfach nur dort gesteckt hatte, kam es dann am Ende von "They All Wanted A Slice" (und später noch einmal bei "Runaway") zum Einsatz und die Gitarrenseiten wurden damit malträtiert. Geigenbogen an der Gitarre macht ja mittlerweile jeder, aber das mit dem Küchenmesser ist neu!
Mit "Ghost On A Highway" von The Gun Club präsentierte Gemma Ray im Hauptteil auch eine von zwei Coverversionen des Abends. Nach "Dig Me A River" und insgesamt 17 Liedern war das offizielle Set beendet, Gemma ließ sich aber quasi sofort zurück auf die Bühne klatschen, wo sie erklärte, dass ihr dieses "Encore thing" eigentlich nicht so gut gefalle, weil man nie wisse, wie man es planen solle. Sie bot uns dann anschließend noch drei Songs ("Rescue Me", das unveröffentlichte "Go Softly, Heart" und "Desoto") allein dar, dann kehrte auch die Band zurück und man schloss das Konzert mit der Coverversion "I'm Gonna Lock My Heart" gemeinsam ab.
Anschließend konnte man Gemma und Band sofort am Merchandise-Stand wieder treffen, wo man neben Platten, T-Shirts und Stoffbeuteln auch Auto-Lufterfrischer mit dem freundlichen Hinweis "Buckle Up" erstehen konnte. Übrigens sprach die britische Sängerin, die seit Jahren in Berlin lebt, zu unserer Überraschung den ganzen Abend lang kein deutsches Wort, auch beim Merchandise-Verkauf nicht.
Wir folgten diesem Rat und machten uns im Auto sorgfältig angeschnallt auf den Weg nach Hause.
Der Retro-Stil der Sängerin gefällt mir eigentlich sehr gut, wobei der Vergleich zu Amy Winehouse natürlich etwas einfallslos ist. Viel häufiger mussten wir an Twin Peaks denken. In der Bar dieser fiktiven Stadt könnte Gemma so ziemlich jeden ihrer Songs anstimmen, während um sie herum mysteriöse Dinge passieren. Nachdem ja diese Woche bekannt gegeben wurde, dass die Serie eine dritte Staffel bekommt, sollt sich Gemma Ray unbedingt für den Soundtrack bewerben.
Setliste:
900 Miles
The Wheel
Shake Baby Shake
Buckle Up
The Right Thing Did Me Wrong
Out In The Rain
100 mph (In The 2nd Gear)
Trou De Loup
If You Want To Rock And Roll
There Must Be More Than This
You Changed Me
Ghost On The Highway (The Gun Club Cover)
They All Wanted A Slice
Flood And A Fire
Runaway
So Do I
Dig Me A River
Rescue Me
Go Softly, Heart
Desoto
I'm Gonna Lock My Heart (Billie Holiday Cover)
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