Neulich beim musikalischen Quartett: 10 Jahre Sublime im Regensburger Leeren Beutel
Aktuell besteht in meinem Umfeld die Tendenz, dass sich Freunde und Bekannte, die eigentlich nicht professionell im musikalischen Umfeld tätig sind, zu Veranstaltern erklären – nicht, um damit Geld zu verdienen, sondern einfach, um Events zu organisieren, an denen man selbst gerne teilnehmen möchte, und die es in dieser Form noch nicht gibt. Ich selbst mache auch kleine Schritte in diese Richtung, immerhin haben bei mir Zuhause schon sieben Konzerte stattgefunden.
Die Kollegen von Sublime können angesichts dieser Zahl sicherlich nur müde lächeln. Vor zehn Jahren beschloss eine Gruppe von Freunden aus Regensburg, Parties mit Shoegaze, Noisepop, Dreampop und New Wave Musik zu veranstalten, die sie selbst gerne beim Ausgehen hören wollten. Schon früh kamen auch Bandauftritte dazu, bald wurde ein Verein gegründet und im Jahr 2011 wurde der Kulturförderpreis der Stadt Regensburg abgestaubt – all das in der Freizeit neben dem Berufsleben.
Nach mittlerweile 70 Parties, 44 Bands und sechs Feuerwehreinsätzen (der Rauchmelder der Haupt-Party-Location mag keinen Nebelmaschinennebel) war am letzten Wochenende Zeit für das zehnjährige Jubiläum. Für den Freitag wollte man den zahlreichen bereits veranstalteten Konzerten noch eins draufsetzen und buchte gleich vier Bands – eine Art Mini-Festival. Mit von der Partie waren die Österreicher Crystal Soda Cream, die Italiener Schonwald, die Belgier The Spectors und die Briten Spotlight Kid. Sie alle traten am Freitag auf, am Samstag folgte eine Party und am Sonntag für alle, die noch konnten, ein Shoegaze-Filmnachmittag. Wer den Vorverkauf nutzte, erhielt zudem noch ein selbst gestaltetes Quartett, das die beliebtesten Musiker der Partyreihe zeigt und hinsichtlich Gründungsjahr, Fanzahl, Noise-Faktor und Sublime-Tauglichkeit einordnet.
Zugegebenermaßen hatte ich schon längere Zeit keine Sublime-Party mehr besucht, was nicht unwesentlich damit zu tun hat, dass ich mehr als 400 Kilometer vom Veranstaltungsort entfernt wohne. Fürs Jubiläum nahmen mein Freund und ich aber die lange Anfahrt auf uns und fuhren am Freitagmittag prompt von einem Stau in den nächsten, so dass sich die ursprünglich auf vier Stunden geschätzte Reisezeit auf knapp sechs hinzog. Immerhin ließ das ausreichend Zeit, um sich gespielt doofe Festival-Fragen an die Veranstalter auszudenken („Welche Farbe hat denn das Festivalbändchen?“ „Wo ist denn der Zeltplatz?“ usw.), die wir aber dann in Erwartung, dass diese auch ohne unsere Witze gestresst genug sein dürften, nicht stellten.
Als wir nach einem Besuch bei meinen Eltern den Leeren Beutel, wo das gesamte Jubiläum stattfand, erreichten, war noch nicht sonderlich viel los, und es dauerte auch noch eine gute Stunde, bis die erste Band die Bühne erklomm. Vorab erlangten wir wichtige Insiderkenntnisse, etwa, dass auch die Bands im Stau gestanden hatten, dass der Leere Beutel unsere Freunde damit überrascht hatte, dass der Konzertsaal frisch gestrichen worden und das Mobiliar komplett umgestellt worden war und dass man zur Überraschung aller für den kommenden Nachmittag noch einen Ärztekongress für denselben Raum gebucht hatte, so dass meine Freunde zwischen dem Konzert und der Party des kommenden Abends den Saal komplett räumen mussten.
Den Reigen eröffneten Crystal Soda Cream, die aus drei jungen Österreichern, Theresa, Sebastian und Philipp, bestehen. Ihre Musik erinnerte stark an The Cure, wies aber auch Einflüsse von Joy Division und Birthday Party auf. Im Unterschied zu diesen Vorbildern greift die Band aber zum Teil auf deutsche Texte zurück, was uns mitten im Set dann doch überraschte.
Wir konnten trotz dunkler Bühne und reichlich Nebel zwar einen Blick auf die Setliste erhaschen, aber die meisten der auf der Liste abgekürzten Titel ließen sich für uns dennoch nicht zuordnen. Vermutlich stammten viele vom demnächst erscheinenden zweiten Album „Work & Velocity“.
Nach Ende des Sets wurde kurz hinter der Bühne beratschlagt und das Einverständnis der Veranstalter eingeholt, dann gab es noch ein uns unbekanntes Zugabe-Lied.
Setliste:
Ex. Corps
Com. Contr.
Work & Velocity
Past Aggression
September
Boring Rain
Schlag zu
Rationale Arbeitsschritte
Escape from Vienna
Saurer H.
?
Als nächstes kam das italienische Duo Schonwald auf die Bühne, bei dem Alessandra Gismondi Keyboard spielt und singt und ihr Kollege Luca Bandini sie auf der Gitarre begleitet. Das auf der Bühne noch vorhandene Schlagzeug wurde für den Auftritt extra abgehangen, hier kamen die Beats aus dem Rechner.
Den Sublime-Machern fiel das Duo wohl ursprünglich durch dessen Coverversion von The Cures „A Forest“ auf – diese wurde am Freitag aber leider nicht gespielt. Was sonst gespielt wurde, konnten wir jedoch nicht in Erfahrungen bringen. Ansagen blieben aus, ein Lied schloss sich fast nahtlos ans vorherige an und klang auch so ähnlich. Bei der musikalischen Mischung aus Postpunk, Dark Wave und EBM kamen zumindest die im Publikum anwesenden Gothics, wie auch bei Crystal Soda Cream, voll auf ihre Kosten. Auch Schonwald gaben noch eine Zugabe zum Besten.
Weiter ging es nun mit einem deutlichen Stilwechsel und der Band The Spectors aus Belgien. Alle fünf Mitglieder wirkten extrem jung, vor allem die beiden männlichen, bei denen ich mich ernsthaft fragte, ob sie schon legal Bier trinken durften. Tatsächlich handelte es sich bei dem Sublime-Auftritt um den ersten der Band in Deutschland überhaupt, und sieben der gespielten Songs feierten an diesem Abend ihre Live-Premiere.
Dass die Band die Welt wohl noch nicht allzu ausführlich bereist hat, zeigte sich auch in Sängerin Marieke Hutsebrauts Verwunderung darüber, dass deutsche Mineralwasserflaschen nicht demselben Farbkonzept bezüglich „mit oder ohne Kohlensäure“ folgen, wie das belgische tun.
Eine brandneue Band sind The Spectors dennoch nicht, sie veröffentlichen bereits seit 2014 Songs. Das Set begann mit einem Twin Peaks-Intrumentalsong und enthielt anschließend viel Gitarrenpop mit Einflüssen aus den 60ern, teils auch mit Shoegaze-Anklängen.
The Spectors spielten mit „Like Sand“ nur einen Song von ihrem 2015 erschienenen Album „Light Stays Close“. Ihre neueste Veröffentlichung ist eine zum Record Store Day im April erscheinende Doppelsingle mit den Liedern „Clyde & Bonnie“ und „Sharknado“, diese wurde selbstverständlich ebenfalls performt – wobei sich „Sharknado“ als ein sehr rockiges Beinahe-Instrumentalstück mit viel Geschrei entpuppte.
Vor dem letzten Song „Nico“ wurden wir offenbar völlig unironisch gefragt, ob wir schon einmal von der deutschen Velvet Underground-Sängerin gehört hätten, diese sei sehr cool gewesen. Eine Zugabe hatte das Quintett, das mir musikalisch gut gefiel, leider nicht mehr parat.
Setliste:
Laura Palmer's Theme
Going Down
Dorothy
Shitday
Only You
Dig
Sleep Like A Rose
October Song
Sharknado
Clyde & Bonnie
Like Sand
Nico
Nun war es Zeit für den „Hauptact“ Spotlight Kid, eine Band aus Nottingham, die sich aktuell eigentlich in einer Schaffenspause befindet, aber im April eine Handvoll Konzerte spielt. Das erklärt vielleicht auch den Umstand, dass auf Wikipedia und Facebook von einem Quintett die Rede ist, in Regensburg aber vier Personen auftraten. Ein Bandmitglied pausiert anscheinend noch ein bisschen länger...
Sieben der gespielten Lieder stammten vom bislang letzten Album der Band, „Ten Thousand Hours“ von 2014, der Rest war älter, „Forget Yourself In Me“ und „Seefeel“ sogar von 2011.
Die Musik von Spotlight Kid, die an Spaceman 3, Lush und Swervedriver erinnert, passt genau ins Sublime-Konzept und gefiel mir sehr gut – dabei kannte ich die Band vorab überhaupt nicht. Einen Beitrag zum guten Gesamteindruck leistete sicherlich auch die bei allen Bandmitgliedern vorhandene gute Laune und offen gezeigte Dankbarkeit gegenüber Sublime. Nur dass Gitarrist Rob McCleary meinte, beim 20jährigen Sublime-Jubiläum werde er sicher nicht mehr leben, klang ein wenig besorgniserregend. Zumindest aktuell scheint die Band aber noch topfit zu sein, denn während wir uns zum Ende des Sets angesichts eines sich auf Zwei zubewegenden Uhrzeigers schon auf unsere Betten freuten, kündigten Spotlight Kid an, noch ausgehen zu wollen. Deshalb war wohl auch leider keine Zeit für eine Zugabe.
Setliste:
Intro
Sugar Pills
I'll Do Anything
Budge Up
Seefeel
A Minor Character
Can't Let Go (This Feeling)
Forget Yourself In Me
Plan Comes Apart
Haunting Me
Disaster Tourist
Der erste Abend des Sublime-Jubiläums wies also sowohl Band-Quartette als auch ein Quartett von Bands auf. Unser „Top Trump“ des Abends waren ganz klar Spotlight Kid. Das recht breite Musikspektrum brachte unter anderem auch einen der Regensburger Bürgermeister zum Tanzen, was hoffen lässt, dass die nun anstehende Pause der Veranstalter eine zeitlich begrenzte ist.
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