Neulich nach der langen Pause: Spaceman Spiff im Kölner ARTheater

by - Januar 24, 2017


Als sich die Frage stellte, ob wir die aktuelle Spaceman Spiff-Tournee in Wiesbaden oder in Köln besuchen sollten, plädierte ich für Köln: Der Freitag gefiel mir als Konzerttermin einfach besser. Dabei hätte der Wiesbadener Auftritt im atmosphärischen Walhalla stattgefunden. Das Kölner ARTheater ist eigentlich auch nicht schlecht, allerdings verfolgt uns hier das Konzertfoto-Pech: Waren wir bei Hundreds noch ohne Speicherkarte für die Kamera angereist, hatten wir dieses Mal zwar alles dabei, dafür war aber die Beleuchtung der Bühne so düster gehalten, dass das Fotografieren dennoch kaum möglich war. Aber beginnen wir am Anfang.

Während ich per Bahn aus Frankfurt angereist war, kam mein Freund mit dem Auto (und den Tickets) aus dem Westerwald. Als ich vor dem Eingang noch eine gute Viertelstunde auf ihn warten musste, entdeckte ich die Kölner Gepflogenheit, mit offener Bierflasche beim Konzert einzutreffen und diese vor dem Einlass noch schnell zu leeren. Als Massenphänomen hatte ich das in Frankfurt bislang nur bei den Böhsen Onkelz gesehen (deren Konzert ich nicht besucht habe, ich habe nur einmal eine U-Bahnstation mit den Konzertbesuchern geteilt).


Der Konzertsaal selbst war anderes als bei Hundreds nicht bestuhlt und schon gut gefüllt mit bestens gelaunten Kölnern. Ein barrierefreier Blick zur Bühne war nicht mehr zu ergattern, außerdem ging das Konzert sehr kurz nach unserem Eintreffen los. Während wir zunächst davon ausgingen, dass es keine Vorband gab, stellte sich später heraus, dass wir den Auftritt von Marcel Gein einfach komplett verpasst hatten. Dafür kannten wir Spaceman Spiffs Mitmusikerin bereits: Bei der aktuellen Tournee begleitet ihn wieder Clara Jochum am Cello (manchmal singt sie auch mit, spielt Xylophon oder Keyboard). Clara hatte er bereits 2014 in Mannheim dabei gehabt, mittlerweile ist sie auch ein Mitglied seiner neuen Band Otago, die englischsprachige Lieder macht und demnächst ein Album veröffentlicht,  auf Tournee gehen und ebenfalls im ARTheater auftreten wird.


Zu Clara erfuhren wir, dass sie in Musikpädagogik promoviert und ihre ersten Auftritte mit Spaceman Spiff als Studienpraktikum anrechnen ließ, so dass er auch einen Bewertungsbogen über sie ausfüllen musste. Als gute Arbeitgeber habe er sie aber im Anschluss an das Praktikum übernommen. Die aktuelle Tournee ist die erste nach eineinhalb Jahren Pause. Dennoch war nicht nur das ARTheater bereits im Vorfeld ausverkauft, wie der Künstler mit ein wenig Rührung erzählte. Es ist sogar bereits ein Zusatzkonzert angesetzt.

Wegen der Pause und des neuen Bandprojektes setzte sich die Setliste hauptsächlich aus den drei vorhandenen Spaceman Spiff-Alben zusammen, nur zwei Lieder, "Norden" und "Rom" waren neu. Während Clara die ersten sechs Lieder auf dem Cello begleitete und bei "Photonenkanonen" mitsang, verließ sie anschließend die Bühne und kehrte erst nach einigen Songs zurück, die Lieder dazwischen bestritt Spaceman Spiff allein mit der Gitarre.


Wir erfuhren dabei viel zu den jeweiligen Liedern: Etwa zitiert "Straßen" mit "wo wir hingehen, brauchen wir keine Straßen" den Film "Zurück in die Zukunft", bei "Photonenkanonen" scheinen viele Fans der Meinung zu sein, das Lied genau verstanden zu haben, es dreht sich aber tatsächlich um die Erkenntnis, dass nichts schwarz oder weiß ist. Das neue Lied "Rom" handelt davon, dass mit dem Älterwerden (Hannes Wittmer ist um die 30) Freunde aus dem Leben verschwinden, weil sie in Beruf oder Familie aufgehen. "Schnee" ist sein Abschiedslied an Würzburg und angeblich sein "Angels", weshalb er gegen Ende des Songs auch ein paar Zeilen des Robbie Willams-Songs einbaute.

Nach dem ebenfalls neuen "Norden", das davon handelt, dass sich Liebe und Freiheit (hoffentlich) nicht ausschließen müssen, kehrte Clara zu "Teesatz" zurück, was bejubelt wurde und Hannes dazu anregte, zu überlegen, wie Claras potenzielle Facebookseite heißen könnte: Er bevorzugt "Clara Fall", "Clara Elfer" oder, französisch auszusprechen, "Clara Denier". Man sieht also, das Kalauern und das Schreiben sentimentaler Lieder gehen irgendwie Hand in Hand (Gell, Enno Bunger?).


Mit dem vielfach mitgesungenen "Vorwärts ist keine Richtung", für das sich auch Marcel Gein wieder auf der Bühne einfand, und für das der Rhythmus geloopt wurde, endete das Konzert eigentlich, aber dem Publikum wurde gar nicht ernsthaft abverlangt, eine Zugabe einzufordern - beinahe nahtlos folgten noch ein Lied, das ich als "Satelliten" notierte, das aber möglicherweise anders hieß, sowie "Nichtgeschwindigkeit". Zu letztgenanntem erfuhren wir noch, dass die Tournee nach einer Zeile aus diesem Song "Drüben im Park" heißt, und dass er den Song in der Vergangenheit eher selten live gespielt hat, weil er recht orchestral ist - mit Marcel und Clara ging es aber doch. Sogar einen kleinen Rausschmeißer bekamen wir noch, in Form einer akustischen Version von "Die Gedanken sind frei".

Ein schönes Konzert eines sichtlich nach langer Pause hochmotivierten Künstlers, das für mich nur unter den schlechten Sichtverhältnissen sowie der hohen Temperatur litt - gerne wäre man wie Spaceman Spiff nur im T-Shirt dagestanden, im eigentlich jahreszeittechnisch passenden Wollpullover wurde es doch extrem heiß. Neu für uns, die wir Spaceman Spiff zweimal 2014 gesehen hatten, war die Tendenz in der zweiten Konzerthälfte, Rhythmen und Melodiebestandteile zu loopen.

Setliste:

Der Tag an dem ich nicht verrückt wurde
Egal
Straßen (wo wir hingehen brauchen wir keine Straßen)
Photonenkanonen
Milchglas
Rom
Schnee
Norden
Irgendwie ist immer woanders
Teesatz
Han Solo
Oh Bartleby
Mind the gap
Vorwärts ist keine Richtung

Satelliten (?)
Nichtgeschwindigkeit

Die Gedanken sind frei

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