Als das britische Trio The xx eine Tournee zu seinem dritten Album ankündigte, waren kurze Zeit später alle deutschen Termine ausverkauft - bis auf den in Düsseldorf. Ein Blick in den Kalender ließ den Grund erahnen: Vielleicht hatten viele Rheinländer für den Karnevalsdienstag andere Pläne als teilweise recht düsterer Indiemusik zu lauschen? Aber nicht einmal der Karneval kann den Erfolg von The xx in Deutschland dauerhaft dämpfen - am Tag vor dem Konzert wurde dann doch noch das letzte Ticket verkauft.
In der Halle, in der ich vorher nur einmal The National gesehen hatte, angekommen, entdeckten wir überrascht, dass der Bereich direkt vor der Bühne abgesperrt war - um hinein zu gelangen, brauchte man ein Bändchen - zum Glück konnten wir noch welche ergattern. Im Vorbühnenraum war dann eine knappe Stunde vor Beginn schon einiges los, und zum ersten Mal in diesem Jahr lagen wir bei einem Konzertbesuch alterstechnisch deutlich über dem Durchschnitt.
Die Vorband Floating Points entpuppte sich als einzelner Engländer, der recht ähnlich zu 1115 vor The Notwist sein Set spontan auf der Bühne entwickelte, indem diversen Geräuschen, Samples und Rhythmen immer weitere neue hinzugefügt wurden. Währenddessen blitzte ein Strobo-Gewitter aufs Publikum ein, das eventuelle Epileptiker sicherlich abrupt den Saal verlassen ließ. Herr Floating Points hat laut Wikipedia einen Doktortitel in Neurowissenschaften - vielleicht untersucht er ja gerade die Auswirkungen von Lichtblitzen in Kombination mit monotoner Musik auf das menschliche Gehirn, und wir waren Teil eines Experiments?
Für den Hauptact wurden dann auf der Bühne diverse drehbare Spiegelelemente enthüllt, die an das ebenfalls Spiegel-artige Cover des aktuellen Albums "I See You" erinnerten. Eine unserer Mitzuschauerinnen hatte auch ein dazu passendes spiegelndes Ticket.
Jamie Smith thronte mit seinen Instrumenten an einem Plexiglaspult hinter und über seinen Kollegen, während Romy Madley-Croft und Oliver Sim mit Gitarre beziehungsweise Bass vorne standen.
Das Set begann mit der aktuellen Single "Say Something Loving", ihr folgte "Crystalised", dessen Text mit einem mehrfach wiederholten "go slow" endet - was die Band dann live noch stärker umsetzte als auf Platte und das Lied extrem entschleunigte. Der Gegenpol dazu war später "Infinity", bei dem der Dialog "Give it up" - "Can't give it up" zum Ende hin immer lauter, rockiger und dynamischer wurde.
Während wir im Vorfeld erwartet hatten, dass die Band wenig bis nichts sagen würde, waren die Musiker, abgesehen von Jamie, dann im Gegenteil geradezu redselig. Zunächst war es Oliver, der nach einigen Songs das Wort ergriff und sagte, man freue sich, in Düsseldorf zu sein - was tatsächlich aufrichtig klang. Später wiederholte Romy dieselbe Aussage und führte unter Jubel des Publikums hinzu, der heutige Auftritt sei der letzte der Termine in Deutschland und der perfekte Abschluss (und außerdem der erste Besuch der Band in Düsseldorf). Im übrigen sei man den Deutschen besonders dankbar, weil das Album "I See You" hier Platz 1 der Charts erreicht habe (ein Blick auf Wikipedia lässt vermuten, dass The xx außerdem auch den Engländern, den Iren, den Australiern und den Belgiern dankbar sind).
Vor "Performance" erklärte Romy, das nun kommende neue Lied werde sie allein vortragen und sei deshalb ein wenig aufgeregt - erstaunlich, da sie ja sonst auch bei so gut wie jedem Lied (mit-)singt. "Performance" gelang dann natürlich gut. Um so erstaunlicher war, dass sie das Lied nur bis zum ersten Refrain spielte. Oliver gratulierte oder tröstete mit einem Wangenküsschen - die Geste war schwer zu deuten.
Später erfuhren wir von Oliver noch, dass "Dangerous" sein Lieblingslied vom neuen Album sei und er hoffe, keine Fehler zu machen. Zu "VCR", das The xx zwei Songs zuvor zu großem Jubel vorgetragen hatten, erwähnte er, sie hätten dieses Lied geschrieben, als sie 15 waren... es live zu spielen, sei deshalb für sie stets etwas Besonderes, aber eher im peinlichen Sinne des Wortes.
Die Setliste von The xx veränderte sich im Rahmen der Deutschlandtermine nur wenig. In Düsseldorf wurde "Sunset" neu aufgenommen und "Brave For You" nach hinten verschoben. Die Drake-Coverversion "Too Good" musste dafür weichen, vermutlich kein großer Verlust. Im Set geblieben war eine "Coverversion" von "Loud Places", das vom Soloalbum von Jamie xx stammt. Mit "Dangerous" begann dann der dynamischere Teil des Abends, ab jetzt hätte er auch in einer Großraumdisco spielen können. "Fiction" erhielt einen langen Instrumentalteil, während "Shelter", das in der Albumversion ausgesprochen ruhig ist, live zu einem Tanzsong wurde.
Ungewöhnlich war dann auch der Übergang in den Zugabenteil: Während "Loud Places" ausklang, verließen die Bandmitglieder nach und nach die Bühne, aber es gab keinen echten Moment der Stille, bevor sie schon wieder für die vorletzte veröffentlichte Single "On Hold" zurück auf der Bühne waren. Es folgte noch je ein Knaller der vorherigen Alben - das Instrumentallied "Intro" und das vielfach mitgesungene "Angels", bevor The xx dieses Mal endgültig die Bühne verließen.
Es ist im Rahmen meiner aktuellen Konzertgewohnheiten schon eine recht komische Situation, eine Band live zu sehen, die es in Deutschland auf Platz 1 der Charts geschafft hat, und deren Musik einfach jedem zu gefallen scheint. Aber auch nach dem Konzert kann ich den Erfolg des Trios nur als gerechtfertigt empfinden. Die drei schafften es spielend, die Zuschauer auch ohne große Licht- oder Bühneneffekte zu fesseln und spielten ein abwechslungsreiches, in sich stimmiges Set.
Setliste:
Say Something Loving
Crystalised
Islands
Lips
Sunset
Basic Space
Performance
Brave for You
Infinity
VCR
I Dare You
Dangerous
A Violent Noise
Fiction
Shelter
Loud Places (Jamie xx cover)
On Hold
Intro
Angels
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