Gesehen: Mai 2017

by - Juni 09, 2017


Ich berichtete ja bereits über "Das kleine Fernsehballett", den Podcast meiner Phantasiefreunde. In einer Folge berichteten Stefan Niggemeier und Sarah Kuttner durchaus kritisch über die neue Hype-Serie 13 Reasons Why, die auf Deutsch den absolut dämlichen Titel Tote Mädchen lügen nicht trägt.

Die auf einem Jugendbuch basierende Serie beginnt mit dem Selbstmord der Schülerin Hannah Baker, um dann rückblickend zu zeigen, wie es dazu kam, dass ein eigentlich ganz normales Mädchen nicht mehr leben wollte. Erzählerin ist hierbei Hannah selbst: Sie hat den Schülern, die sie als an ihrem Selbstmord "schuldig" betrachtet eine Sammlung von Kassetten hinterlassen. Jede Kassettenseite ist dabei einem ihrer Mitschüler gewidmet und erzählt, wie diese Person Hannah geschadet hat.

Zu Beginn der Serie kursieren die Kassetten schon eine Weile unter den Schülern, von denen etliche behaupten, Hannahs Geschichten - die der Zuschauer zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennt - seien gelogen. Nun ist Clive an der Reihe, der mit Hannah befreundet und in sie verliebt war - doch auch er kommt auf den Kassetten vor. Gemeinsam mit Clive erfährt der Zuschauer nun nach und nach den Inhalt der Kassetten, wobei jede Folge der Serie eine Kassettenseite behandelt. Dabei vermischen sich Clives Gegenwart, in der Hannah tot ist, seine Erinnerungen an das, was Hannah auf den Kassetten schildert und zum Teil Halluzinationen, in denen sich beide Zeitebenen kombinieren.

Ich hatte die Serie nach der negativen Rezension im Podcast eigentlich gar nicht sehen wollen, musste aber nach der ersten Folge feststellen: Spanend ist das alles schon. Dennoch muss ich jetzt, da ich alle Folgen kenne, sagen, dass die Kritik richtig lag. Einerseits verzichtet die Serie, weil alles möglichst lange spannend bleiben soll, darauf, sonderlich realistisch zu sein: Es ist schon sehr seltsam, dass Clive, den Hannahs Geschichte sehr mitgenommen hat, die Kassetten so dermaßen langsam anhört. Statt einfach anzuhören, was Hannah zu sagen hat, fragt er Mitschüler nach Dingen, die er genauso auf den Kassetten anhören könnte.

Zum anderen ist das Ausmaß der "Schuld" seitens der Mitschüler an Hannas Selbstmord extrem unterschiedlich. Dennoch halten aber alle zusammen und schützen sich gegenseitig, indem sie behaupten, alles auf den Kassetten Geschilderte sei die Unwahrheit. Dass eine ehemalige Freundin, die irgendwann wegen eines Missverständnisses nichts mehr mit Hannah zu tun haben wollte, sich dabei auf eine Stufe mit einer anderen stellt, die Hannah bewusst verleumdet hat, und diese sich mit einem Vergewaltiger...  so richtig ergibt das keinen Sinn.

Und zuletzt ist da noch die Darstellung des Themas Selbstmord an sich. Zu keinem Zeitpunkt wird angedeutet, dass Hannas Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, vor allem zeigt, dass ihre Psyche nicht gesund war. In der Serie gibt es nur Ursache (gemeine Mitschüler) und Wirkung (Selbstmord), als wäre das eine die unvermeidliche Konsequenz des anderen - und als gäbe es nicht auch Menschen, die Schreckliches erleiden und dennoch weiter leben. Tatsächlich hat die Serie vor allem in den USA große Diskussionen ausgelöst, denn Selbstmord ist bekanntlich insbesondere unter Jugendlichen ein Phänomen, das schnell um sich greift - und die Darstellung einer Person, die ohne, dass ihr widersprochen wird, erklärt, sie habe nun genug erlitten, so dass Selbstmord ihre einzige verbleibende Option ist, erscheint als gefährliches Beispiel.

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