Unser drittes A Summer's Tale in der Lüneburger Heide begann deutlich entspannter als die bisherigen, wir waren nämlich bereits einen Tag vorher angereist. Entsprechend hatten wir auch quasi die freie Auswahl, wann wir das Festivalgelände erreichen wollten, und planten letztlich eine Ankunft für den frühen Nachmittag. Da es mir im Vorfeld nicht gelungen war, mit einen Platz im Sommerrollen-Workshop zu sichern (es konnte jeweils das halbe Teilnehmerkontingent online gebucht werden, der Rest stand vor Ort zur Verfügung), hoffte ich darauf, spontan einen Platz zu ergattern - was derart kurz nach dem Öffnen des Geländes auch keinerlei Problem darstellte.
Das Workshop-Anmeldesystem wurde für dieses Jahr leicht verändert: Auch wer bereits angemeldet war, musste seine Teilnahmewilligkeit im Laufe des Tages nämlich "rückbestätigen", indem er ein Märkchen abholte, die restlichen wurden dann an Interessenten vergeben - was den Anmeldeprozess vor Ort deutlich beschleunigte, denn wer sein Märkchen hatte, musste auch nicht mehr in der Einlassschlange ausharren - und wer keinen Platz ergattern konnte, wusste schnell Bescheid und konnte ebenfalls schnell von dannen ziehen. Definitiv eine Verbesserung des Systems.
Mein Freund, den ich hier wieder traf, erklärte mir, dass die Band ihren Sound seit dem Festivalbesuch vor zwei Jahren stark verändert hatte. Das neue Album "Mirage" gehr viel stärker in Richtung Synthie- und Soundtracksound. Live gefiel ihm das besser als auf Platte, und in jedem Fall bereitete uns die Band einen netten Festival-Auftakt.
Setliste:
Hal9000
Lush Looms
Pulsar
Northern Sky
Where The Wild Things Grow
Interstellar Love, Part I
Interstellar Love, Part II
Hide Away
Wolfpack
Vices/Virtues
Weiter ging es gleich wieder mit einem Workshop zum Thema "Zero Waste", der sich eher als Vortrag entpuppte: Zwei Hamburgerinnen erläuterten ihren Weg von "normalen" Verbraucherinnen zu solchen, die pro Monat nur ein kleines Einmachglas voll Müll produzieren. Das Thema interessiert mich und löst bei mir gleichzeitig ein extrem schlechtes Gewissen aus, denn ich verursache sicherlich viel mehr Müll als nötig und habe mich noch nie richtig damit beschäftigt, was ich an meinem Verhalten ändern könnte.
Viele der Vorschläge der beiden Damen gingen mir dann aber doch zu weit: Ich kann mir nicht vorstellen, etwa Butter aus Mülleinsparungsgründen stets selbst aus Sahne zu schlagen (die ich vorher in der Pfandflache gekauft habe). Auch sehe ich mich weder mit Zahnputztabletten noch mit selbstgemachten Pulvern meine Zähne putzen, zumal weder Butterverpackungen noch Zahnpastatuben in meinem Haushalt ständig aufgebraucht werden. Letztlich hätten mich da Tipps zum Thema "erste Schritte" mehr interessiert. Auch hätte man das Konzept interaktiver gestalten können, letztlich handelte es sich um "Frontalunterricht".
Eine Fragerunde am Ende kam aus Zeitgründen etwas zu kurz, die Inhalte des Workshops kann man aber auch auf dem Blog der beiden Damen nachlesen oder sich mit Fragen an sie wenden. Im Gegenzug bietet sich mein Freund hiermit an, für weitere Workshops didaktische Tipps zu geben.
Dennoch war der Workshop interessant und regte zum Nachdenken zum Thema Müllvermeidung an, was bei mir bis zur Gegenwart anhält - das ist doch schon einmal ein Erfolg.
Das A Summer's Tale hatte uns in der Zwischenzeit per App darüber informiert, dass die Band Intergalactic Lovers spontan vor der Zeltbühne auftreten werde, also gingen wir suchen. Tatsächlich waren die Belgier selbst etwas verloren unterwegs und suchten sich schließlich ein Wiesenplätzchen, um dort einige akustische Songs vorzutragen. Sängerin Lara Chedraoui wirkte mit der Gesamtsituation unzufrieden: Sie erklärte, ihr Booker (der dabei war) habe erklärt, es werde eine Bühne geben - und dass der Auftritt morgen sei.
Ohnehin war die Band, die einmal ein Quartett war, nur dünn besetzt erschienen, neben Chedraoui war nur Neuzugang Philipp Weies mit von der Partie. Die beiden spielten, umgeben von einem Grüppchen Zuschauer, zur Gitarre eine Handvoll Lieder. Den Hit "Delay" kündigte Chedraoui an, indem sie sagte, es handele sich zwar um ihr erfolgreichstes Lied, aber eben auch nur in Flandern - was ungefähr so wäre, wie einen Hit in einer winzigen deutschen Stadt zu haben - hier bat sie Weies um Hilfe bei der Suche nach dem Namen der kleinsten Stadt Deutschlands, und dieser schlug "Koblenz" vor.
Trotz der etwas schwierigen Randbedingungen konnte sich die Band schließlich doch für ihren Wiesen-Auftritt erwärmen, zumal die Zuschauer eifrig mitsangen und sichtlich Spaß an der Musik hatten.
Schnell war der Auftritt wieder vorbei, und für uns war es nun an der Zeit, zur Waldbühne zu gehen, wo jetzt Bernd Begemann und die Befreiung an der Reihe waren. Begemann kenne ich am ehesten aus den Zeiten seiner Band "Die Antwort", deren Album "No. 1" ich mir in den frühen 90ern anschaffte und auch gerne hörte. In neuerer Zeit kenne ich Begemann hauptsächlich als Gastgeber des Film- und Serienpodcasts "Flimmerfreunde", während seine Musik meist an mit vorbei geht - zu sehr geht mir häufig die Tendenz Richtung Schlager.
Beim sicherlich größtenteils ebenfalls aus Hamburg angereisten Publikum hatte Begemann ein Heimspiel, regional relevante Lieder wie "Unten am Hafen" und "Oh, St. Pauli" kamen hier ganz besonders gut an. Zu ersterem erklärte Begemann: "Kinder mögen dieses Lied, jung gebliebene Erwachsene mögen dieses Lied, Hamburger mögen es, Leute, die Hamburg mögen auch. Eigentlich mag jeder dieses Lied!"
Als das Publikum nach Wünschen gefragt wurde, rief allen Ernstes jemand "Verhaftet wegen sexy", ein gemeinsames Werk von Begemann und Olli Schulz, bei dem Begemann zwar zu Beginn meinte "Bringen wir es schnell hinter uns", dann aber offenbar doch noch so viel Spaß an dem absichtlich peinlichen Lied entwickelte, dass es sich ziemlich in die Länge zog.
Überhaupt hat Bernd Begemann ein Entertainer-Talent, das mich an Olli Schulz erinnerte: Vieles war unglaublich lustig und unterhaltsam, aber im Nachhinein ist es schwer, sich an die konkreten Witze zu erinnern. Das ändert aber nichts daran, dass viel gelacht wurde und der Auftritt schnell vorbei ging. Sogar eine Zugabe wurde eingefordert, die die Band auch nach Rücksprache mit den ihr nachfolgenden Sternen gewährte.
Setliste:
Bleib zu Hause im Sommer
Ich habe mich rasiert
Unten am Hafen
Bist du dabei?
Unoptimiert
Ich habe nichts erreicht außer dir
Verhaftet wegen sexy
Judith, mach deinen Abschluss
Sie fuhr einen lila Twingo
Sie redet Revolution
?
Oh, St. Pauli
?
Die Umbaupause nutzten wir für einen Ausflug zum Massenkaraoke. Im Zelt "The Tale's Café", in dem ansonsten Vorträge stattfanden, spielte eine Band Hits zum Mitsingen. Im Zelt und darum herum hatten Besucher Ringbücher mit Songtexten erhalten, und wann immer ein Lied vorbei war, wurde per Zubrüllen über das nächste entschieden. In unserer Anwesenheit hörten wir "Help", "Hier kommt Alex", "Bohemian Rhapsody", "Love Shack" und "Johnny B.", das Gesamtprogramm war auf vier Stunden angesetzt. So gut, wie die Aktion beim Publikum ankam, wird sie sicherlich in kommenden Jahren fest ins Programm aufgenommen. Vielleicht könnte man ja die Songtexte in die festival-App integrieren, denn dann hätten viel mehr Zuschauer die Gelegenheit, mitzusingen.
Zurück auf an der Waldbühne ging es nun weiter mit dem "Tagesheadliner" Die Sterne. Die ebenfalls seit den frühen Neunzigern bestehende Band der Hamburger Schule hat dieses Jahr unter dem Titel "Mach's besser" eine Compilation von Coverversionen ihrer Songs veröffentlicht. Die daraus resultierende Tournee macht die Band jedoch selbst, folglich merkt man von den Covern nicht wirklich etwas - oftmals wurde aber zu den Songs gesagt, wer sie für das Album nachgespielt hatte.
Am Keyboard mit dabei war Dyan Valdez von The Blood Arm, deren Band für das Album "Ihr wollt mich töten" aufgenommen hatte - zumindest diesen Song konnte Spilker also mit einer Beteiligten singen, was zu einem Duett zwischen den beiden führte, bei dem Spilker seiner Partnerin allerdings einige Songzeilen stahl. Auch sonst gab es die eine oder andere Textunsicherheit.
Das Konzept, mit den gecoverten Liedern auf Tour zu gehen, wurde nicht konsequent durchgehalten, was uns aber in den Genuss von Sterne-Liedern wie "Was hat dich bloß so ruiniert" brachte, die man bei einem Konzert der Band nicht missen möchte.
Nach den Hits am Ende des Sets, zu denen auch "Universal Tellerwäscher" und "Wahr ist was wahr ist" zählten, wurden auch die Sterne um eine Zugabe angefleht und kamen diesem Wunsch auch gerne nach.
Setliste:
Scheiß auf deutsche Texte
Mein Sonnenschirm umspannt die Welt
In diesem Sinn
Aber andererseits
Mach mich vom Acker
Die Interessanten
Ihr wollt mich töten
Depressionen aus der Hölle
Stell die Verbindung her
Risikobiographie
Universal Tellerwäscher
Wahr ist was wahr ist
Was hat dich bloß so ruiniert
Widerschein
Auch mit dem "Sparkonzept", das letztlich weniger Musik zum selben Preis bedeutete, machte der Mittwoch Spaß, denn an der Waldbühne kam eine schöne musikalische Stimmung auf - und die Workshops waren ohnehin super. Nur komisch, dass die Entscheidung, die großen Bühnen am Mittwoch geschlossen zu lassen, nur sehr indirekt kommuniziert worden war. Hier hätte man die Besucher im Vorfeld des Festivals ernster nehmen sollen.
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