Wer klug verhandelt, stellt erst einmal eine Maximalforderung, bei der absehbar ist, dass sie nicht durchgesetzt werden kann. Mit dem nächsten, etwas vernünftigeren Vorschlag kommt man dann beim Verhandlungspartner, der ja auch nicht alles abblocken kann, schon besser voran. So ähnlich lief das gestern bei mir Zuhause, denn obwohl die Meinungen zur Musik der deutschen Sängerin Balbina in meinem Haushalt gelinde gesagt geteilt sind (Ich: Furchtbar, mein Freund: Gut), hörte mein Freund einfach nicht damit auf, vorzuschlagen, gemeinsam zum Konzert in der Frankfurter Brotfabrik zu fahren.
Die Alternative, die er in petto hatte: Andrea Schroeder in Offenbach. Die Musik der deutschen Sängerin erinnert teilweise frappierend an Nick Cave und klingt somit recht gut, also nahm ich diesen Vorschlag letztlich an - nicht ohne eine gewisse Sorge auf der Autobahn, vielleicht doch noch zu Balbina entführt zu werden. Aber wir fuhren ohne Zwischenfälle durch bis Offenbach, wo wir die Zeit bis zum Einlass noch im recht schönen Café des Hafen 2 verbrachten.
Im Saal zeigte sich dann, was wir anhand der Facebook-Zusagen (11) bereits befürchtet hatten: Das interessierte Publikum hielt sich in Grenzen, insgesamt waren um die 50 Leute gekommen, vielfach im fortgeschrittenen Alter - wir konnten uns daran erfreuen, eher zu den jüngeren Besuchern zu zählen. Um die Gäste etwas zu verteilen, waren Stühle und Sitzwürfel verteilt worden. Im Laufe des Konzertes zeigte sich zudem, dass die meisten Besucher offensichtlich gezielt erschienen waren, denn ihre Begeisterung und Andächtigkeit beim Zuhören waren durchaus groß.
Auf Frau Schroeders Facebookseite kann man die Mitglieder ihren Band nachlesen. Sollte dieses Lineup noch aktuell sein, waren in Offenbach zwei Musiker nicht dabei. Ihre Band bestand aus Jesper Lehmkuhl und Jakob Kolkur an der Gitarre, Dave Allen am Bass und Maurizio Vitale am Schlagzeug, auch ein Soundmann namens Jan wurde vorgestellt. Andrea Schroeder selbst spielte bei allen Liedern ein indisches Harmonium, das sie einmal (bei "Ghost Ship") gegen dessen kleinere Version, die Shrutibox, eintauschte (erkannt hätte ich diese Instrumente nicht, sie wurden glücklicherweise erläutert). Anscheinend wurden beide Instrumente auch von Nico gespielt, einer weiteren Musikerin, die einem bei Schroeders tiefer Singstimme in den Sinn kam.
Schroeders neuestes Album Void ist 2016 erschienen, ihr letzter Besuch in Offenbach war 2014. Die Song-Zusammenstellung setzte sich aus diesem (sieben Lieder) und den Vorgängern Where The Wild Oceans End (auch sieben) und Blackbird (vier) zusammen. Nur das als erste Zugabe gespielte "Schatten" ist auf keiner dieser Veröffentlichungen zu finden.
Die deutschsprachigen Lieder - neben "Schatten" gab es auch "Helden", eine Coverversion von David Bowies "Heroes", sowie "Kälte" zu hören - gefielen uns auch am besten, zudem fiel uns hierzu eine weitere Referenz ein: Frau Schroeder hätte auch ganz gut das Titellied "Zu Asche, zu Staub" der Fernsehserie Babylon Berlin darbieten können, an Stelle der Schauspielerin Severija Janušauskaitė.
Neben den deutschen waren es auch die etwas krachigeren Lieder, die unseren besonderen Gefallen fanden, etwa "Burden", "Void", "The Spider" und "Drive Me Home". Die vielen ruhigen Songs dazwischen waren alles andere als schlecht, aber einander vielleicht einen Tick zu ähnlich. Beim Publikum kam sicherlich - neben "Helden" - "Ghosts of Berlin" am besten an.
Etwas schade war, dass sehr wenig gesprochen wurde. Beispielsweise ist das Lied "Was Poe Afraid" die Vertonung eines Gedichtes von Charles Plymell - so viel verriet uns die Sängerin. Aber es wäre auch spannend gewesen, zu erfahren, was sie dazu bewegt hat, ausgerechnet dieses Gedicht zu einem Lied zu machen, oder auch ein paar Erklärungen oder Einleitungen zu anderen Liedern zu bekommen.
Das Offenbacher Publikum bekam noch drei Zugaben, wobei Schroeder für "Schatten" zunächst allein auf die Bühne zurückkehrte. Zuletzt hörten wir "als Gute Nacht-Lied aus Tradition" "Walk Into The Silence".
Wie es mir bei Balbina gefallen hätte, werde ich hoffentlich nie erfahren. Andrea Schroeder bereitete ihrem Publikum einen schönen musikalischen Abend, der nur an manchen Stellen allzu ruhig ausfiel.
Dead Man's Eyes
Black Sky
Until the End
Was Poe Afraid
Burden
Void
Don't Wake Me
Void
Don't Wake Me
Endless Sea
Wild Oceans End
Kälte
Ghost Ship
Ghost Ship
Ghosts of Berlin
Wrap Me in Your Arms
Blackbird
The Spider
Blackbird
The Spider
Drive Me Home
Schatten
Helden
Walk Into the Silence
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