Mein Freund kennt mich mittlerweile ganz gut: In dem Wissen, dass ich auf den Vorschlag, für eine Band, die hauptsächlich er gerne sehen wollte, am Samstag bis nach Aachen zu fahren, wenig begeistert reagieren würde, machte er stattdessen ein anderes Angebot: Fahrt zum Outletshopping in Maasmechelen, anschließend quasi auf der Rückfahrt Konzertbesuch in Aachen.
Grundsätzlich war ich für diese Art Ausflug viel eher zu begeistern - in diesem Fall war ich aber gar nicht sonderlich Shopping-erpicht. Im März hatte ich erst einige Kleidungsstücke gekauft und insgesamt nicht das Gefühl, dass meine Garderobe größere Lücken aufweist. Also machte ich den Gegenvorschlag, einfach ein wenig Aachen zu besichtigen - dort war ich meines Wissens nur einmal, und zwar irgendwann in den frühen 80ern, also vermutlich mit weniger als zehn Jahren. Da konnte ein Update nicht schaden.
In Aachen angekommen fuhren wir allerdings als erstes nach Vaals - der niederländische Ort grenzt unmittelbar an die Stadt, so dass man kaum merkt, dass man die Grenze überschritten hat. Im Supermarkt Albert Heijn befriedigten wir typisch deutsche Bedürfnisse nach Spekulatius-Brotaufstrich, niederländischer Schokolade und Stroopwaffeln, ein in Deutschland nicht erhältliches Ben & Jerry's Eis mussten wir in Ermangelung einer Transportmöglichkeit traurig zurücklassen. Diese Aachener haben es gut!
Erst anschließend ging es in die Aachener Innenstadt, wo wir den Dom besichtigten und uns durch die bei Sonnenschein sehr belebten Innenstadtgassen treiben ließen. Die Tatsache, dass der Tag so schön war und die Menschen erleichtert darüber, dass der Winter nun doch endlich vorbei zu sein scheint, trug sicherlich etwas zur Stimmung bei, dennoch hinterließ Aachen auch wegen seiner schönen Straßen und zahlreichen Brunnen bei mir einen überaus positiven Eindruck.
Als wir uns dann um halb 8 zur "Raststätte" begaben, waren wir zunächst verwirrt: Nicht nur schienen wir die ersten Konzertgäste überhaupt zu sein, man reagierte auch einigermaßen überrascht darüber, dass wir bereits da waren. Schnell zeigte sich: Die überall vermerkte Anfangszeit 20 Uhr war der Einlassbeginn. Nachdem wir den bescheidenen Eintritt bezahlt und Getränke nahe am Selbstkostenpreis erworben hatten, mussten wir also noch lange warten. Wir hatten somit viel Zeit, die Betreiber (alle sehr freundlich und, wenn man die Preise bedenkt, sicher ehrenamtlich vor Ort) sowie die langsam eintreffenden Gäste (vielfach erstaunlich hipsterig) zu beobachten, bevor das Konzert dann gegen 21 Uhr losging.
Beim Namen "Raststätte" hatte ich mich zunächst gefragt, ob man mit so einem Lokalnamen nicht Missverständnisse gerade bei ausländischen Gästen und Musikern hervorruft - die dann gegebenenfalls wirklich zu einer Raststätte fahren und sich dann unsicher sind, ob sie in "Aachen Nord" oder "Aachen Süd" auftreten sollen. Diese Raststätte ist in jedem Fall ein ehemaliges Ladenlokal, das eher notdürftig mit einer Bar und einer Bühne ausgestattet ist. Neben Konzerten gibt es hier auch diverse Poetry und Song Slams. Da es im Inneren im Vergleich zum Frühlingstag draußen eher kühl war, holten sich die meisten Gäste zunächst innen Getränke und warteten die Zeit bis zum Konzertbeginn draußen im Warmen ab. Insgesamt kamen um die vierzig Besucher, die den kleinen Raum ganz gut füllten.
Kraków Loves Adana ist ein Duo aus Hamburg, wobei das Songwriting zumindest des neuesten Albums "Songs After the Blue" komplett bei der Sängerin Deniz Çiçek liegt, die in ihren Songs diverse Einflüsse verarbeitet - beim Aachener Konzert wurden diese praktischerweise auch meist gleich mit dazu erklärt. Çiçek und ihr Mitmusiker Robert Heitmann spielten zu Beginn beide Gitarre, während die Beats und andere Klänge eingespielt wurden. Çiçek trug einen hellblauen Anzug, den ich später im Video zu "The Day the Internet died" wieder erkannte. Vielleicht ja auch ein Verweis auf den Albumtitel? Heitmann betreibt das Label "Better Call Rob", bei dem sämtliche Alben erschienen sind und war komplett in schwarz gekleidet.
Los ging es mit "Darkness Falls", bei dem Çiçeks tiefe Gesangsstimme noch recht unsicher und teils auch schief klang, was aber ab dem zweiten Lied "False Alarm" viel besser wurde. "Beautiful Lie" hatte sie geschrieben, als sie erfuhr, dass Kristen Stewart sich von Soko getrennt habe - ein Ereignis, das ich nach dem Konzert erst einmal nachgooglen musste. "Never Quite Right" ist ein Bokowski-Zitat, "Rapture" eine Hommage an die Musikkassette. In der aufgenommenen Version des Liedes singt Çiçek parallel zu ihrer gewohnt tiefen Stimme teilweise sehr hoch, so dass mein Freund sich schon im Vorfeld gefragt hatte, wie sie das wohl live bewerkstelligen würde und ob die höhere Stimme eventuell eingespielt werden würde. Live ließ sie die hohen Passagen aber einfach weg und wälzte sich zum Ausgleich am Ende des Songs Gitarre spielend auf dem Boden.
Wenn mir jemand von dem Wälzen erzählt hätte, hätte ich es vermutlich als potenziellen Fremdschäm-Moment betrachtet - derart große Gesten auf einer kleinen Bühne können ja leicht albern wirken. In diesem Fall empfand ich das aber gar nicht so, irgendwie passte es zu Song und Situation.
Zu "Not another sad Guitar" wechselte sie, gewissermaßen der Logik des Titels nachkommend, für einige Lieder ans Keyboard. "Hamburg" widmete sie der Stadt, die sie "so liebt aber auch so hasst". Dieses Lied wie auch das darauf folgende "The Day the Internet Died" stammen vom neuen, deutlich elektronischeren Album, und für diese beiden Songs wechselten beide Musiker an die Keyboards.
"Follow the Voice" wurde als neues Lied angekündigt und ist möglicherweise so brandneu, dass es nicht einmal auf dem aktueller Album ist. "Illusion of Control", für das Çiçek an die Gitarre zurück kehrte, nimmt in Inhalt und auch Stil Bezug auf Ian Curtis und Joy Division, wurde aber statt dem Musiker dessen Frau gewidmet.
Damit war das kurze Konzert dann schon fast vorbei, die Band verließ die Bühne und zumindest mein Freund rechnete mit einem nun folgenden ausgiebigen Zugabenteil mit mindestens drei Liedern, etwa "Youth Unspoken", "Once in July" oder etwas vom zweiten Album "Interview". Çiçek kehrte aber allein für nur eine Zugabe zurück: "Surrender" ein Cover der Band Suicide.
Vielleicht spielen die beiden ja mehr, wenn wir sie ein weiteres Mal sehen, denn das kurzweilige Konzert ging allzu schnell vorbei.
Setliste:
Darkness Falls
False Alarm
Beautiful Lie
Never quite right
Rapture
American Boy
Not another sad guitar
Hamburg
The day the internet died
Follow the Voice
Illusion of Control
Surrender (Suicide cover)
0 comments