Gesehen: Oktober 2018
Die letzten Tage standen TV-technisch im Zeichen Halloweens, und mein Freund und ich schauten tapfer sowohl die meisten Folgen von Chilling Adventures of Sabrina als auch die ersten beiden von The Haunting of Hill House - sehr tapfer von uns, da wir beide auch mit gemäßigten Schockeffekten eher schlecht zurecht kommen. Und wer hätte geahnt, dass man aus den Zutaten der wirklich sehr braven Sabrina-Serie aus den 90ern mit den lustigen Tanten und der sprechenden Stoffkatze etwas derart Düsteres und Verstörendes basteln kann? Ich zumindest nicht!
Mein größter Zeitdieb war aber etwas anderes, nämlich die US-Serie Project Runway. Nachdem mein Lieblings-Podcast Das kleine Fernsehballett nun bereits mehrmals über das Suchtpotenziel der Serie berichtet hatte, erklärte ich die auf Netflix verfügbaren Staffeln (das sind nur drei von insgesamt 16) kurzerhand zu meiner Zugfahr-Unterhaltung - und kann seitdem nicht mehr aufhören!
Grundsätzlich ist Project Runway sehr ähnlich zu diversen aktuellen TV-Formaten, in denen es um Kochen, Backen oder Projektmanagement geht: Eine Gruppe aufstrebender Modedesigner bekommt am Anfang jeder Folge eine Aufgabe gestellt und muss in einem kurzen Zeitraum ein Outfit planen und ausführen. Nicht selten ergeben sich im Laufe der Aufgabe überraschende Zusatz-Challenges, etwa, dass ein zusäzliches Kleidungsstück angefertigt werden muss oder dass die Designer in Teams aufgeteilt werden. Die stets unter großen Stress produzierten Kleidungsstücke werden zuletzt auf einem Laufsteg präsentiert und von einer Jury, die in "meinen" Staffeln aus Heidi Klum (die auch moderiert), Michael Kors und Nina García (Modechefin der Zeitschrift Marie Claire), sowie einem prominenten Gast, besteht, bewertet.
Der beste Kandidat trägt natürlich den Sieg davon und gewinnt außerdem Immunität für die folgende Woche, der schlechteste scheidet aus - die so nach und nach dezimierten, verbleibenden drei bis vier Kandidaten dürfen am Ende je eine ganze Kollektion gestalten und diese bei der New York Fashion Week vorstellen. Anschließend kürt die Jury einen Sieger, der Geld und diversen anderen Kram (meistens eine Modestrecke in der Marie Claire und die Möglichkeit, die eigene Kollektion in irgendeinem Onlineshop zu verkaufen) gewinnt.
Wie gesagt, das Konzept ist recht gängig. Was Project Runway hervorhebt, ist zum einen die auch vom Fernsehballett gelobte Geschwindigkeit: Die einzelnen Folgen dauern nur 30 bis 45 Minuten, weshalb vieles, was mich an anderen Formaten nervt, wegfällt: Es gibt eine Aufgabe, diese wird in Angriff genommen, es folgt die eine oder andere Krise, dann die Bewertung, fertig. Der quasi identische Inhalt wird bei Das große Backen auf Sat 1 auf drei Stunden (inklusive Werbung) gestreckt - mit Hilfe von Wiederholungen, Vorausschauen und albernen Zwischenszenen, die alles nur aufhalten. Selbst das Product Placement in Project Runway - etwa wenn ein Repräsentant der Sponsor-Kosmetikmarke die neuen Herbsttrends erzählen darf - geht ausgesprochen schnell vorbei.
Darüber hinaus unterstelle ich eine gewisse Authentizität. Die meisten beteiligten Designer wirken sowohl talentiert als auch engagiert, dem einen oder anderen wünsche ich auch außerhalb der Sendung Erfolg. Und wenn man sich auch nur ein bisschen für Kleidung und Mode interessiert, ist es auch interessant, die Urteile der Jury vorauszuahnen oder auch von diesen völlig überrascht zu werden. Ein sehr positiver Faktor ist auch Designlehrer Tim Gunn, der die Teilnehmer bei der Arbeit betreut und berät, ohne später am Urteil beteiligt zu sein: Gunn wirkt nie anders als ernsthaft am Erfolg der Teilnehmer interessiert und ist dabei auch noch ausgesprochen authentisch und sympathisch.
Alles in allem bin ich also recht froh, dass ich mittlerweile zwei Drittel der per Netflix verfügbaren Folgen "durch" habe und insofern dann bald wieder der Realität (oder vielleicht einem Buch) zur Verfügung stehen kann. Aktuell steht die seit 14 Jahren laufende Sendung übrigens vor einem großen Umbruch, denn sowohl Heidi Klum als auch Tim Gunn haben sich kürzlich abwerben lassen und machen künftig eine andere Sendung auf Amazon Prime.
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