Neulich in Darth Vaders Spa-Bereich: The National in der Frankfurter Jahrhunderthalle

by - Juli 20, 2019


Es ist nun drei Jahre her, dass ich The National zuletzt live sah. Beim Down The Rabbit Hole Festival (nicht dem von letzter Woche sondern 2016) war die Band einer der Hauptacts, damals war der Sound suboptimal, Matt Berninger schlecht bei Stimme und es gab technische Probleme. Anschließend erschien dann das Album "Sleep Well Beast", das sich auch nicht als Knaller entpuppte. Zeit für eine Livepause unsererseits.


Als Anfang dieses Jahres zwei Deutschlandkonzerte der Band für Frankfurt und Hamburg angekündigt wurden, hatten wir dann wieder Lust, uns Tickets zu kaufen. Lust, die offensichtlich viele andere aus ganz Deutschland auch hatten, wie uns später auf dem Parkplatz der Jahrhunderthalle unterschiedliche Nummernschilder zeigen sollten. Beim Ticketkauf war unsere Erwartung gewesen, dass diese seltenen Einzelkonzerte losgelöst von Tourneen und Albumveröffentlichungen die Gelegenheit bieten würden ein Best of-Set erleben zu können.


Doch unerwartet erschien im Frühjahr ein weiteres neues Album, "I Am Easy To Find", das größtenteils aus Duetten besteht und eine Live-Umsetzung spannend bis fragwürdig erscheinen ließ. Mittlerweile sind für den Herbst auch noch weitere Deutschlandkonzerte bestätigt.

In der Ankündigung hatte ich keinen Vorband-Namen entdecken können, dort stand nur "special guests". Wegen der Duette des neuen Albums, die allesamt weibliche Gesangsstimmen benötigen, hoffte ich ein bisschen, dass eventuell mitreisende Sängerinnen vielleicht die "special guests" seien und es keine Vorband geben würde (so gut sind Vorbands ja meistens nicht, und ich hätte früher ins Bett gekonnt).


Ich hatte aber nur halb Recht: Ja, es waren Sängerinnen dabei, aber es gab auch eine Vorband, nämlich Adia Victoria, eine Bluessängerin aus Nashville, die mit recht großer Band (die sie auch vorstellte) auftrat. Was The National mit Blues zu tun haben? Aaron Dessner hat ihr zweites Album produziert, wofür sie ihm auf der Bühne herzlich dankte. Trotz dieser Connection konnten wir mit der überdramatischen Musik dennoch eher wenig anfangen.

Bevor dann nach einer angemessenen Umbaupause The National auf die Bühne kamen, konnte man per Video sehen, wie die Bandmitglieder sich in einem Vorraum sammelten. Dabei sah man auch, dass sowohl mehrere Frauen dabei waren als auch ein Kind... Letzteres wurde aber nicht mit auf die Bühne genommen.


Auf dieser erschien dennoch eine recht große Anzahl Musiker - die fünfköpfige "Kernband", die zusätzlichen Bläser und auch zwei Sängerinnen: Mina Tindle (die mit Bryce Dessner verheiratet ist) und Gail Ann Dorsey - beide singen auch auf dem neuen Album mit und übernahmen auch die Gesangparts von Sharon van Etten, Kate Stables (This is the Kit) und Lisa Hannigan. 


Bei den letzten von mir gesehenen The National-Konzerten war ich mir auch nie ganz sicher gewesen, inwiefern die Manierismen der Band - vor allem Matts Trinkerei auf der Bühne und die Zickereien der Bandmitglieder untereinander - authentisch sind und inwieweit Show. Das kann ich natürlich immer noch nicht sagen, konnte aber feststellen, dass die anwesenden Damen Matt Berninger friedlicher zu stimmen schienen als sonst (kein Mikrofon-/Mikrofonständer-/Weinflaschen-Zertrümmern), und auch die anderen anwesenden Herren waren gut aufgelegt. Als Bühnengetränk für den Sänger gab es an diesem Abend nicht die traditionelle Rotweinflasche, sondern irgendetwas Helles mit Eis, das er gelegentlich in einen Becher nachgoss.


Wie sich herausstellte war "I Am Easy To Find" mit 12 Liedern das Album, das in der Setliste am häufigsten berücksichtigt wurde. Nach "The Pull of You", das viel gesprochenen Text enthält, beklagte sich Matt Berninger, das sei "my wife's part" und "wordy" - ich dachte zunächst, auch seine Frau singe auf dem Album mit, tatsächlich hat sie den Text aber wohl geschrieben.

Vor "Oblivions" entwickelte sich ein Geplänkel zwischen Matt Berninger und dem Ehepaar Dessner, in dem Matt feststellte, er kenne Mina Tindle unter diversen Namen, als Frau von Bryce Dessner habe sie sich ihm aber noch nie vorgestellt - worauf dieser zustimmte, dass das "peculiar" sei und Matt ihnen beiden das Lied widmete - mit dem Hinweis, es sei über die Ehe, und sie könnten daraus etwas lernen, auch, wenn es vielleicht nicht allzu positiv sei.


The National spielen nicht jeden Abend dasselbe - an diesem nahmen sie zwei Lieder, das neue "Roman Holiday" (es ersetzte "Hairpin Turns") und das alte "About Today" neu in die Setliste auf, die mit 26 Liedern länger als zuvor bei dieser Tournee war. Die ganz großen Hits wie "Bloodbuzz Ohio" und "Don't Swallow The Cap" waren ebenfalls dabei. Im Zugabenteil kamen dann - nicht völlig unerwartet - auch noch "Mr. November" und "Terrible Love" zum Zuge, wobei es hier auch wieder eine Neuerung gab: Matt ging nämlich nicht beim ersten, sondern beim zweiten der beiden Lieder mit dem Mikrophon ins Publikum. Während sich der (vorher bereits namentlich vorgestellte) Kabelhalter einen Wolf rollte, schaffte Berninger es - singend - durch den kompletten Stehplatzbereich bis nach hinten auf die Tribüne.


Vor der Zugabe hatte es übrigens noch einen bizarren Austausch auf der Bühne gegeben, in dem Matt Berninger feststellte, dass der Spa-Bereich des Todessterns, wenn er denn einen hätte, sicher aussähe wie die Frankfurter Jahrhunderthalle.

Nach respektablen zweieinviertel Stunden ging das Set, wie schon öfter gesehen, mit einer weitestgehend vom Publikum gesungenen Version von "Vanderlyle Crybaby Geeks" zu Ende, wobei Matt Berninger die mit ihrem Gesang teils zu früh einsetzenden Zuschauer scherzhaft mit "you don't sing until I sing" zurechtwies. Für mich war genug Neues und auch genug Vertrautes dabei gewesen, um das Konzert zu einem schönen Erlebnis zu machen. Berninger hatte während des Sets angemerkt, die Gastsängerinnen hätten der Band geholfen, neue Pfade zu beschreiten, und ich denke, diese Mission war ein Erfolg.


Setliste:

You Had Your Soul With You
Quiet Light
The Pull Of You
Hey Rosey
Don’t Swallow The Cap
Sea Of Love
Bloodbuzz Ohio
Oblivions
So Far So Fast
Where Is Her Head
Green Gloves
This Is The Last Time
The Day I Die
Carin At The Liquor Store
The System Only Dreams in Total Darkness
I Am Easy To Find
Roman Holiday
Graceless
Fake Empire
Rylan
About Today

Not In Kansas
Mr. November
Terrible Love
Light Years
Vanderlyle Crybaby Geeks

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