Neulich bei "Making van Gogh" im Frankfurter Städel

by - Dezember 26, 2019


Im Frankfurter Städel kann man sich aktuell die Ausstellung "Making van Gogh" ansehen. Gezeigt werden 50 Bilder des Künstlers sowie Werke deutscher Künstler, die der niederländische Maler beeinflusst hat. Schwerpunkt der Ausstellung ist nämlich die Rezeption, die Van Gogh in Deutschland erfuhr.

Das Selbstporträt vom Ausstellungsplakat

Die Hafenarbeiter in Arles

Vor der Besuch der Ausstellung dachte ich etwas zynisch, dass diese Herangehensweise vermutlich eine Notlösung sei: Ich war schon in drei bis vier "Caravaggio-Ausstellungen", die bei näherer Betrachtung ein (!) bis drei Bilder des namensgebenden Künstlers vorweisen konnten, der Rest bestand aus Werken, die unter seinem Einfluss entstanden sind. Und besitzt das van Gogh-Museum in Amsterdam nicht eigentlich einen Großteil seiner Werke und vermutlich wenig Interesse daran, diese zu verleihen?

Die Pappeln in Saint-Rémy



Vor Ort musste ich allerdings zugeben: Die Ausstellung ist sehr gut gemacht, und ihr Ansatz, sich auf den Einfluss van Goghs auf deutsche Künstler zu konzentrieren, erwies sich als durchaus spannend. Nach einer kurzen Einführung in das Leben und Werk Van Goghs, der bekanntlich zu Lebzeiten keine Bilder verkaufte, aber durchaus in Kontakt mit anderen Künstlern stand, gibt es Informationen zu der langsamen Verbreitung der Bilder durch Van Goghs Schwägerin und Nachlassverwalterin Johanna van Gogh-Bongersowie einige engagierte Galeristen - in Deutschland hauptsächlich Paul Cassirer.

Während van Goghs Bekanntheit unter Künstlern und Kunstliebhabern steigt, entspricht sein Stil nicht dem offiziell gewünschten des deutschen Kaiserreichs, weshalb die Bilder eher in Privatsammlungen als in Museen landen. Es ist ausgerechnet das Frankfurter Städel, das 1908 den ersten van Gogh in eine öffentlich finanzierte deutsche Sammlung aufnimmt. 1911 folgt der Erwerb eines der letzten van Gogh-Gemälde überhaupt, des "Porträt des Dr. Gachet", dessen Abwesenheit - es ist nur der leere Rahmen zu sehen - quasi den Mittelpunkt der Ausstellung bildet.

Der Rahmen des "Porträt des Dr. Gachet"

Porträt Armand Roulin

Das Porträt wurde nämlich im Rahmen der Beschlagnahmungen von "entarteter Kunst" durch die Nationalsozialisten von diesen gestohlen und ins Ausland verkauft. Mittlerweile hat es ein paar mal den Besitzer gewechselt und konnte für die Ausstellung seitens des Städel nicht einmal mehr ausgeliehen werden. Das Trauma des wohl für immer verlorenen Bildes sitzt offensichtlich auch bei der jetzigen Städel-Leitung noch tief.


Original und Fälschung des "Sämanns" (oben die Fälschung von Leonhard Wacker)

Die folgenden Säle widmen sich dann immer mehr der van Gogh-Rezeption durch andere Künstler. Zum einen ist der Maler Ende der 1920er Jahre bekannt genug, dass Fälscher seinen Stil imitieren. Zum anderen sieht man an Bildern vieler bekannter deutscher Künstler, etwa Otto Dix, Max Beckmann oder Ernst Ludwig Kirchner, dass diese unterschiedliche Aspekte von van Goghs Kunst aufgreifen. Die Künstlergruppe "Die Brücke" wurde besonders stark durch van Gogh beeinflusst.


Selbstporträts von van Gogh und Max Beckmann

Der letzte Teil widmet sich den Techniken Van Goghs und wie diese bei anderen Künstlern zu erkennen sind.  Die Ausstellung unterteilt hier nach Elementen - manche übernehmen die "falschen", also nicht naturgetreuen Farben, andere die "flache" Anordnung von Gegenständen, wieder andere ahmen die Darstellung der Sonne nach und so gut wie alle haben ein Selbstportät im van Gogh-Stil im Repertoire. Generell bleiben die Künstler hierbei langfristig ihrem eigenen Stil treu, nur die Bilder des heute beinahe vergesenen Theo von Brockhusen orientierten sich so stark am großen Vorbild, dass es ihm den Spitznamen "van Goghhusen" einbrachte.

Selbstporträts im van Gogh-Stil von Peter August Böckstiegel und Wilhelm Morgner


Im Falle dieser Ausstellung bekommt man also wahrlich nicht den Eindruck, die Werke anderer Künstler kämen nur zum "Auffüllen" zum Einsatz - sie sind tatsächlich notwendig, um die hier dargestellte Geschichte der deutschen van Gogh-Rezeption zu erzählen. Begleitend zu der Ausstellung gibt es übrigens einen Audioguide, den man vor Ort ausleihen, aber auch einfach als App aufs eigene Smartphone laden kann, sowie einen Podcast, der komplett der Geschichte des "Porträt des Dr. Gachet" gewidmet ist.


van Gogh-scher Farbauftrag bei Karl Schmidt-Rottluff und Peter August Böckstiegel

Aus Amsterdam scheint sich der Städel tatsächlich kein Bild ausgeliehen (oder keines erhalten) zu haben, die Ausstellung enthält aber Exponate aus diversen anderen Museen und Privatsammlungen. Ganz berühmte Bilder wie die "Sonnenblumen" sucht man allerdings vergeblich. Etwas kurios erscheint, dass es offensichtlich den Eigentümern überlassen ist, zu entscheiden, ob ihre Bilder fotografiert werden dürfen oder nicht - so war es bei etwa der Hälfte erlaubt und bei der anderen verboten.

Die Ausstellung kann noch bis zum 16. Februar 2020 besucht werden und ist meistens recht voll. Am besten kauft man sich im Voraus ein Onlineticket. Das Städel empfiehlt, am späten Nachmittag oder abends zu kommen, um die Massen zu vermeiden. Wir wählten stattdessen die Zeit direkt nach der Öffnung am Samstagmorgen und fuhren damit ebenfalls durchaus gut. Überraschend und erfreulich fand ich auch, dass die Ausstellung im Subparterre des Städel angesiedelt ist - frühere von mir besuchte Ausstellungen befanden sich stets in den oberen Stockwerken, wo es bei viel Besucherandrang viel schneller unangenehm eng wird.



You May Also Like

0 comments