Gelesen: Februar 2022

by - März 09, 2022


Kürzlich las ich ein Zitat des Schriftstellers Kazuo Ishiguro, in dem er sinngemäß meinte, dass niemand von einem Nobelpreisgewinner erwartet, dass er weiterhin Bücher veröffentlicht - sein Lebenswerk gilt als abgeschlossen. Ishiguro lässt sich davon aber nicht beirren und hat letztes Jahr einen neuen Roman veröffentlicht - Klara and the Sun.

Ich liebe viele von Ishiguros Romanen (zu den bekanntesten zählt The Remains of the Day), konnte aber mit dem direkten Vorgängerwerk The Buried Giant so gar nichts anfangen und war deshalb zunächst etwas skeptisch, was das neueste Buch betrifft. Klara and the Sun hat allerdings laut Ishiguro selbst mehr Parallelen zu seinem sehr populären Buch Never Let Me Go: "Klara and the Sun is a more hopeful response to Never Let Me Go being maybe a little bit sadder than it needed to be, so maybe it’s a little bit more cheerful (Quelle).

Während die Hauptfiguren von Never Let Me Go Klone sind, die allein deshalb in die Welt gebracht wurden, um nach und nach ihre Organe für die "echten Menschen" zu spenden, ist die Hauptfigur von Klara and the Sun ein Roboter, ein sogenannter AF (artificial friend). In der (ehrlich gesagt auch eher dystopischen) Zukunftsvision des Romans haben junge Menschen nur dann eine Chance auf eine gute Ausbildung und einen Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie zunächst ihre Lernfähigkeit per Operation modifizieren lassen. Die so veränderten Jugendlichen leben recht isoliert bei ihren Eltern und werden per Videokonferenz unterrichtet - weshalb ihnen Roboter wie Klara den Kontakt zu echten gleichaltrigen Freunden ersetzen sollen.

Klara, die Erzählerin des Romans, kommt so in den Haushalt von Josie, die durch ihr "Lifting" (die modifizierende Operation) schwer krank geworden ist - nachdem ihre Schwester daran sogar gestorben war. Gemeinsam mit Klara erfährt der Leser / die Leserin nach und nach die Hintergründe des "Liftings", begreift die Anspannung der Familie, die bereits ein Kind verloren hat und lernt auch - in Form des unmodifizierten Nachbarjungen Rick - die Alternative kennen. 

Im Zentrum des Romans steht dann auch eine ähnliche Frage wie bei Never Let Me Go: Was macht einen Menschen menschlich? Thematisiert wird das nicht nur durch die hochintelligente und zu tiefen Emotionen fähige, aber "künstliche" Klara, sondern auch durch die Konfrontation der Familienmitglieder mit Josies möglichem Tod und der Überlegung, das echte Mädchen als "Trauerhilfe" ebenfalls in Roboterform nachbauen zu lassen. 

Als "cheerful" würde ich den Roman nicht bezeichnen, aber er hat mir dennoch sehr gut gefallen. Ich konsumierte ihn übrigens als Hörbuch, und Sura Siu, die es vorliest, hat es sehr gut geschafft, das leicht Künstliche in Klaras Erzählstimme einzufangen.

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