Ende April fand das bereits dritte Cologne Popfest statt, über das ich schon geschrieben habe (hier und hier). Nachdem mein Freund und ich ja hocherfahrene Wohnzimmerkonzert-Organisatoren sind, interessiert uns auch ein Blick hinter die Kulissen - wir rotieren ja bereits bei einem Künstler und ohne Vorverkauf, da übersteigt die Organisation eines Festivals mit insgesamt neun Bands unsere Vorstellungen. Da wir mit Christoph einen der Organisatoren persönlich kennen, hatten wir im Anschluss viele Fragen - hier kommt Teil 1, der sich inhaltlich auf Themen vor dem Stattfinden des Festivals konzentriert!
Viele Bands beim Cologne Popfest haben bei ihrem Auftritt diesem Christoph gedankt - wer ist das denn eigentlich?
Christoph: … ein Musikfan, der gerne auf Konzerte geht und zwischen Köln und Frankfurt wohnt.
Fragen zum Planungsprozess
Wer außer dir gehört noch zum Organisationsteam?
Christoph: Wir sind ein Team von sechs Leuten, niemand davon ist Profi.
Wie kam es eigentlich zur Idee für das Cologne Popfest?
Christoph: 2017 waren wir mit einigen Freund:innen bei einem Indiepop-Festival in London. Das fantastische Label FortunaPOP! hat nach 20 Jahren beschlossen, aufzuhören und dazu ein Festival veranstaltet, bei dem alle aktiven Bands an fünf Tagen in sechs Clubs in London aufgetreten sind. Am Sonntag saßen wir in der Pause zwischen Nachmittags- und Abendprogramm im Pub und haben gesponnen. Ein Freund schlug vor, das Label fortzusetzen, meine Mitorganisatorin Susanne ein Cologne Popfest. Abends spielten Chorusgirl, die wir gleich eingeladen haben, beim ersten Popfest zu spielen. Das haben sie dann auch gemacht.
Wie entscheidet ihr, welche Bands ihr anfragt? Wird abgestimmt? Haben andere ein Vetorecht?
Christoph: Wir haben intern sehr genaue Vorstellungen, was wir unter einer Popfest-Band verstehen. Indiepop ist ja ein extrem dehnbarer Begriff. Unsere Blaupause sind Bands, die bei diesen britischen Popfesten oder Weekendern und vor allem dem Indietracks spielen oder gespielt haben. Tweepop, Janglepop, Sarah Records, C86, um ein paar Schlagworte zu nennen. Das Indietracks war übrigens das Wacken der Musik, die wir lieben. Das ist das wichtigste Kriterium und daraus ergibt sich dann ein Pool an Künstler:innen, die wir sofort buchen würden. Fürs 2025er Popfest haben wir schon eine lange Liste, obwohl wir mit einigen Bands schon seit Monaten für das nächste Festival sprechen.
Ob Bands auf Tour sind oder überhaupt noch aktiv sind, ist dagegen nichts, was uns interessiert. Ralley und The Lodger hatten sich fürs Popfest wieder zusammengetan, was wir bis heute kaum glauben können. Amelia von Heavenly haben wir 2017 angeschrieben, als nichts dafür sprach, dass es die Band jemals wieder geben würde. Am Tag der Ankündigung von Reunion-Konzerten haben wir wieder nachgefragt, leider konnte die Band aber ausgerechnet am Popfest-Wochenende nicht.
Wie lange dauern die Verhandlungen mit den Musikern?
Christoph: Das ist ganz unterschiedlich! Zwei der großen Namen dieses Jahr haben innerhalb von wenigen Tagen zugesagt, eine andere Band, die wir unbedingt 2018 haben wollten, hat monatelang immer wieder geschrieben, man habe Lust, aber dann nie zugesagt, so dass wir irgendwann die Notbremse ziehen mussten. Sie wäre damals der Headliner gewesen, das wurde dann zu heikel, irgendwann ohne einen dazustehen. In anderen Fällen, wie bei den Primitives, verstanden wir das Zögern, weil uns natürlich niemand kannte. Das wird langsam sicher besser, weil Namen wie die Shout Out Louds oder zumindest in Deutschland Andreas Dorau uns helfen werden, ernst genommen zu werden.
Spielte der Brexit beim Booking eine Rolle - für Euch oder auch die Künstler?
Christoph: Leider ja! Wir haben fast zeitgleich von drei britischen Bands aus der Kategorie Co-Headliner Absagen mit dem Hinweis bekommen, dass Post-Brexit Touren in der EU nicht mehr finanzierbar sei. Und unsere Angebote an die Bands waren sehr gut.
Was war mit Bands, die für 2020 gebucht waren? Einige sind ja aufgetreten, hat es bei anderen nicht geklappt? Was waren die Gründe?
Christoph: Die Gründe waren ganz unterschiedlich, mal sehr persönliche Terminprobleme, mal die Entfernung. Aber da auch das alles Lieblinge sind, planen wir die für die nächsten Jahre ein.
Gab es Band-Anfragen, zu denen es unerwartete Rückmeldungen gab - oder welche, die den finanziellen Rahmen sprengten?
Christoph: Die unerwarteste Rückmeldung war die Zusage der Shout Out Louds. Wir hatten die früher schon einmal angefragt, da klappte es aber nicht. Als wir sie für 2024 angeschrieben haben, hatten wir immerhin mit dem Umzug ins Gebäude 9 eher das Potential, ein Angebot zu machen. Das funktionierte aber dann auch erst nicht. Dann kam allerdings die Idee der Band auf, das Jubiläum der ersten Platte mit einer Tour wie damals zu feiern. Da waren wir wieder im Spiel. Dass diese Idee erst durch unsere Anfrage entstanden ist, haben wir erst beim Popfest erfahren. Auch wieder so ein Moment, der schwer zu kapieren ist.
Als wir das Popfest 2017 gegründet haben, habe ich gesagt, dass ich bei der 10. Ausgabe gerne Belle & Sebastian haben möchte. Das ist natürlich leider Quatsch. Aber wir haben eben auch gelernt, dass man einfach fragen muss. Eine Lieblingsband hatten wir mal 2018 angefragt und kennen deren Vorstellungen, die unseren Rahmen sprengen. Sie stehen trotzdem auf der Liste für 2025.
Das Gebäude 9 ist jetzt perfekt für uns. Mit sechs Bands am Samstag brauchst Du einen großen Backstage-Bereich, ein professionelles Team. Und für uns als Musiknerds ist natürlich auch extrem wichtig, dass die Bands gut klingen. Wir sind mehr als zufrieden mit dem Gebäude!
Kommen wir zum heiklen Thema Finanzen: Was ist der finanzielle Rahmen für solch ein Festival? Welche finanzielle Förderung gibt es?
Christoph: Den Rahmen kann man sich ja grob ausrechnen. Unsere Einnahmen stammen aus den Ticketeinnahmen, aus Eigenmitteln und einer Förderung der Stadt Köln. Diese Förderung dient dazu, Finanzierungslücken auszugleichen. Da wir keine Gewinne erzielen möchten und natürlich alles ehrenamtlich machen, geht alles, was nach Miete, GEMA und den anderen Kosten übrig bleibt, ins Booking der Bands, sprich direkt an unsere Künstler:innen. Gerade weil wir wissen, wie Bands in Großbritannien behandelt werden, ist es uns wichtig, gute Gagen zu zahlen.
Die ersten beiden Ausgaben des Popfests haben im Blue Shell stattgefunden, die dritte nach mehrjähriger Pause im Gebäude 9. Warum wurde die Location gewechselt? Seid ihr mit der neuen zufrieden?
Christoph: Der Umzug fiel uns nicht leicht, obwohl wir das Gebäude 9 lieben. Aber das Blue Shell ist mit seiner Kapazität von 200 leider zu klein geworden nach der Pandemie. Alle Kosten sind so dramatisch gestiegen, dass wir mit Ticketeinnahmen von 200 Besucher:innen nicht mehr acht Bands hätten buchen können. Wir haben die beiden Popfeste im Blue Shell geliebt. Rolf, der Betreiber, hat uns die Chance gegeben, unsere Schnapsidee bei ihm umzusetzen.
Dieses dritte Festival wurde ja Pandemie-bedingt immer wieder verschoben, so dass es letztlich eine Lücke von fünf Jahren gab. Hattet ihr Bedenken, dass sich Dinge geändert haben und z.B. weniger Besucher kommen?
Christoph: Ja und nein. Wir hatten immer besprochen, erst wieder ein Popfest zu machen, wenn es sich für alle Beteiligten sicher anfühlt. Und zu dieser Sicherheit gehörte eben auch die finanzielle Sicherheit. Als 2023 viele Bands Probleme hatten, Konzerttickets zu verkaufen, haben wir beschlossen, erst 2024 wieder weiterzumachen.
Aber wir sprechen eine Musikbubble an, die extrem treu ist. Viele der Besucher:innen kennen wir seit Jahren auch von Besuchen beim Indietracks oder Konzerten in England. Daher hatten wir eigentlich jetzt keine Bedenken mehr.
Der Kaffeestand hat leider so kurzfristig absagen müssen, dass wir keinen Ersatz mehr finden konnten. Für 2025 haben wir aber einen gebucht!
Der Ortswechsel hat dazu geführt, dass ihr dankenswerterweise auch Fressstände organisiert habt - Essen gab es bei Der gute Heinrich und Reibekuchen Ma’mm. Wie organisiert man eigentlich Fressstände - kommen die einfach so, oder gibt man da ein Umsatzversprechen? War ursprünglich nicht auch ein Kaffeestand angekündigt?
Christoph: Durch das Schreiben vieler mails! Uns war bewusst, dass viele Besucher:innen teilweise lange Anfahrten haben, wir haben Tickets in 12 Länder verkauft. Rund ums Gebäude 9 gibt es wenig Essmöglichkeiten, daher war uns klar, dass wir Samstag mit dem frühen Programmstart Essstände haben müssen. Und hey, wenn aus ganz Europa und den USA Leute anreisen, musste es auch etwas Kölsches sein, daher die Reibekuchen. Wir haben die also angesprochen, mit 450 hungrigen Personen geworben und uns schnell verständigt. Umsatzversprechen scheinen zum Teil zwar in der Branche normal zu sein, darauf können wir uns aber nicht einlassen.
Mussten die Musiker vom Flughafen oder Bahnhof abgeholt werden?
Christoph: Zum Teil. Jetstream Pony aus England und Pale Lights haben nach unserer Einladung auch noch ein Konzert bei ihrem Label Kleine Untergrund Schallplatten in Augsburg gespielt und kamen dann mit der Bahn. Direkt zu uns sind nur drei Bands geflogen, die wir dann abgeholt haben.
Mussten von Euch Instrumente besorgt werden - und wenn ja, wie habt Ihr das gemacht?
Christoph: Wir leihen eine Basis-Backline (alles Dinge und Begriffe, die wir nach und nach lernen mussten) bei einem Anbieter bei Köln aus. Also vor allem ein Schlagzeug und Verstärker. Wir haben den Bands aber auch angeboten, Instrumente zu leihen, wovon einige Gebrauch gemacht haben. Da der Verleiher extrem professionell ist, haben wir alle Wünsche unserer Bands erfüllen können.
Wer war eigentlich design-technisch für die schönen Grafiken zuständig (die du uns dankenswerterweise für den Artikel zur Verfügung gestellt hast)?
Christoph: Steffi Krohmann aus Köln! All diese Popfest-Vorbereitungen machen immer viel Spaß. Die Entstehung des Designs ist aber immer ein besonderes Highlight. Wir haben uns 2019 in Steffis Arbeit verliebt, da hat sie einen kleinen Keiler, der in einer Kassette schaukelt, gestaltet, unseren Keilie. Fürs ausgefallene Popfest 2020 gab es Vögel und Insekten. Und für 2025 gibt es auch schon Ideen.
Wer hat den Pappaufsteller der Katze für Fotos, die anderen tollen Dekoartikel und auch den Merch erstellt?
Christoph: Die Pappaufsteller und die Fische und Fischartigen haben wir in Susannes Friseursalon Hairdresser On Fire an zwei Wochenenden gebastelt. Dabei haben uns auch Leute aus Susannes Team und eine Freundin geholfen. Weil Du von „toll“ redest, heißt das aber auch, dass ich keinen Pinsel in der Hand hatte. Ich habe höchstens vorgezeichnet.
Wie kam es zu der beim Festival erhältlichen Vinylplatte?
Christoph: Das ist auch so ein Kneif-mich-Moment. Michael von Formosa Punk Records schrieb uns irgendwann und fragte, ob wir uns das vorstellen könnten. Was für eine Frage und was für ein grandioses Geschenk! Auf seinem Label sind einige Perlen erschienen, vor allem Tour-Singles oder Besonderheiten. Bevor ich ihn kannte, hatte ich schon ein paar seiner Veröffentlichungen, u.a. eine Single zur Primitives-Tour in Japan oder eine TV Personalities-7“. Wir haben dann überlegt, welche unserer Künstler:innen darauf sein sollten, leider waren wir produktionsbedingt auf vier begrenzt. Alle Bands, die wir angesprochen haben, waren sofort begeistert. Blueboy sind dafür sogar ins Studio gegangen.
Mit was für Dingen hat man bei der Planung und Umsetzung zu tun, mit denen man als Außenstehender nicht gerechnet hätte?
Christoph: Mit dem dämlichen Regen zum Beispiel! Wir mussten dafür kurzfristig am Donnerstag noch ein Zelt mieten. Und allgemein mit ganz vielen Sachen. Wie das mit der GEMA funktioniert, zum Beispiel. Wir sind ja 2017 als totale Laien gestartet und haben nach und nach viel gelernt. Der Wechsel ins Gebäude 9 hat jetzt wieder einige neue Herausforderungen gebracht, die Organisation des Einlasses zum Beispiel. Aber das müssen wir fürs nächste Mal nicht mehr lernen. Mit jedem Popfest wird es etwas einfacher. Wir wissen, wo wir unsere Pins bestellen, wer die Siebdruck-Beutel druckt, wer unsere Backline liefert, wir haben einen extrem komfortablen Ticketdienstleister mit tixforgigs. Spannend waren dieses Mal die ersten Leute, die angeblich auf einer Gästeliste standen (nein), die mit Tickets ankamen, die zwei Stunden vorher schon entwertet worden waren oder uns angebettelt haben, noch reinzukommen. Das war neu.
In Teil 2 stellen wir Fragen zu Themen während der Veranstaltung und Plänen für die Zukunft.
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