Neulich als uns nicht nur das letzte Lied gefiel: Florian Ostertag in Montabaur

by - November 24, 2024


Es kommt mir zwar nicht so vor, aber es ist bereits über ein Jahr her, dass Gregor McEwan in unserem Wohnzimmer aufgetreten ist. Das Jahr 2024 stand also kurz davor, nach all den anderen Katastrophen auch noch ohne Wohnzimmerkonzert zu Ende zu gehen. Mein Freund konnte das gerade noch abwenden, indem er erneut Kontakt zu Gregor aufnahm, der im Alltag Hagen heißt und für andere Musiker als Booker tätig ist - und fragte nach Florian Ostertag, einem anderen deutschen Singer / Songwriter. Hagen sagte auch sofort zu, allerdings ließen wir uns erstmalig darauf ein, bei den Einnahmen einen Mindestbetrag zu garantieren.

Nach einer ersten "Save the Date"-E-Mail hatten wir bereits einige Zusagen bekommen, dann war die Sache irgendwie eingeschlafen, bis sie uns vierzehn Tage vor dem Event siedend heiß wieder einfiel: Es fehlte noch die endgültige Einladung, auf die sicherlich noch viele weitere Zusagen folgen würden! Schnell wurde sie verschickt, die Antworten trafen allerdings eher schleppend ein - bis dann plötzlich ein ganzer Haufen auf einmal kam und die Sorge, zu wenig Gäste zu haben, von der abgelöst wurde, dass unser Wohnzimmer aus allen Nähten platzen würde! 



Ausgerechnet in der Konzertwoche verbrachte ich den Donnertag und Freitag auf einer Dienstreise, so dass mein Freund viele Vorbereitungsarbeiten allein übernahm. Zwischenzeitlich nahmen wir auch erstmalig Kontakt zu Florian Ostertag auf, um nach seiner Ankunftszeit zu fragen - es war wohl das erste Mal, dass wir mit dem Künstler selbst erst so spät kommunizierten. Als nicht sofort eine Antwort kam, drehte sich auch wieder einmal mein gedankliches Sorgenkarussell: Was, wenn es ein Missverständnis gab und Flo keinerlei Lust hatte, in den Westerwald zu kommen? Oder schon andere Pläne?

Letztlich kam aber die Antwort, und am Samstag (das Konzert war für Sonntagabend angesetzt) konnte ich mich auch endlich an den Vorbereitungsarbeiten beteiligen. Am Sonntag selbst waren wir wie üblich den ganzen Tag mit Backen, Getränken, Stühlen und so weiter beschäftigt, als der Künstler mittags überraschend anrief - glücklicherweise aber nicht, um doch noch abzusagen, sondern nur, um schon einmal mitzuteilen, dass er vielleicht doch nicht bei uns übernachten würde.



So stand Flo Ostertag dann um kurz vor 5 mit einer großen Menge Equipment vor unserer Tür, darunter zwei Gitarren, eine Mandoline, ein Tonbandgerät mit zugehörigem Tisch und eine Schreibmaschine(!). Im Rahmen unserer bisherigen Konzerte hatte ich mich daran gewöhnt, dass der Aufbau und insbesondere das Anschließen an unsere kleine Anlage, immer länger dauert als gedacht - es wird ausprobiert, umgesteckt, wieder probiert, ein Lied angestimmt, wieder umgesteckt oder ein anderes Instrument getestet. Flo Ostertag ist allerdings in seinem Parallelleben Tontechniker und erledigte all das in Rekordzeit und ohne Rückfragen. Damit hat er sich unwissend natürlich auch für zukünftige Konzerte mit technischen Problemen als Telefonjoker qualifiziert...



Wir hatten vorab ein Standard-Buchungsformular für Veranstalter (das selbstverständlich nicht für Wohnzimmerkonzerte gedacht ist) ausgefüllt, das auch eine Lücke für die Kontaktdaten des Technikers vor Ort enthielt - in unserer Ratlosigkeit hatten wir kurz erwägt, hier aus Spaß unseren Kater Iggy einzutragen. Dieser fühlte sich der hypothetischen Aufgabe auch durchaus gewachsen und wollte beim Aufbau alles ganz genau kontrollieren - durchaus zu meiner Sorge, denn ich sah ihn vor meinem inneren Auge schon auf den Tonbandtisch springen und selbiges auf die darunter angelehnten Gitarren stoßen - zum Glück kam es dazu nicht. Bowie inspizierte in der Zwischenzeit alle Koffer.

Dank des flotten Aufbaus war noch reichlich Zeit für Flo, noch etwas zu essen und auch ein wenig durchzuatmen, bevor die Gäste auftauchten. Wie immer hatten einige noch am Veranstaltungstag abgesagt, insofern wurde es zwar voll, aber es gab - bei Übertreffen des zugesicherten Mindestumsatzes - ausreichend Sitzplätze für alle. Flo hatte uns vorab erzählt, dass die Zuschauersituation bei Livekonzerten weiterhin unberechenbar sei - umso mehr freuten wir uns, dass wir dieses Mal viele Besucher hatten.



Flo Ostertags Musikstil eignet sich überaus gut für Wohnzimmerkonzerte, denn einerseits ist er es gewöhnt, auf sich allein gestellt zu musizieren - das mitgebrachte Tonbandgerät dient beispielsweise als Percussion-Ersatz - andererseits gibt es bei ihm viel zu sehen und zu staunen - neben dem Tonbandgerät zum Beispiel auch die mitgebrachte Schreibmaschine, auf deren Einsatz ich lange wartete. Und außerdem hatte er zwischen den Liedern viel Interessantes und Sympathisches zu erzählen!

Zum Song "John Wayne" erfuhren wir etwa, dass dessen angebliches Zitat "A man's gotta do what a man's gotta do" (das wohl gar nicht von ihm stammt) ihn zu einem Gegensong inspirierte, da er selbst nicht der Entschlossenste sei. Eine Antwort via Lied ist auch "Give up" - ein Gegenentwurf zu den Ratschlägen der vielen Motivationscoaches, die ihn via Youtube-Werbung erreichen.



Während der Pandemie hatte Ostertag sich erfolgreich um ein kulturelles Förderprogramm beworben, das ihn in die Lage brachte, die versprochenen drei Songs mit Videos zu schreiben - was ihn zunächst in seiner Kreativität hemmte, bis er sich Inspiration im Haushalt suchte. Er fand sie in einem tropfenden Wasserhahn, den er austauschen wollte, bis ihm klar wurde, was ein neuer kosten würde - worauf er den alten wieder einbaute.

Eine lustige Geschichte gab es auch zu "Drifting", zu dem der Künstler im Video samt Gitarre in einem Fluss treibt. Dieses wurde bei Bern per Drohne gefilmt, und er musste immer wieder aus dem Fluss steigen, wieder ein Stück nach oben laufen und dem Vorgang wiederholen - was eine am Fluss sitzende Schweizerin stoisch und im Dialekt mit "Ach so, ich dachte, du willst dich umbringen" kommentierte.

Bei "Better version of you" kam dann auch die Mandoline zum Einsatz - Flo erzählte, das Instrument führe zwangsläufig zu fröhlichen Melodien, was bei einem derart hasserfüllten Text mit der Aussage "Ich suche jemand wie dich, aber in gut!" auch notwendig sei.



In der zweiten Hälfte bekam das Publikum mehr Aufgaben, so steuerten wir zunächst einen gestampften Rhythmus bei, der geloopt wurde - hier brach mein Freund, der den neu eingezogenen Hausnachbarn versichert hatte, dass sie vom Konzert nichts hören würden, ein wenig Angstschweiß aus. Zu "Home" hatte die Schreibmaschine ihren Einsatz, auch auf ihr wurde ein Rhythmus getippt und geloopt. Bei den Liedern "Give up" und "All about me" durften wir auch mitsingen. Zu diesem Lied erfuhren wir außerdem, dass es sich um die egozentrische Seite von Musikern dreht, doch als Flo den Song seiner Mutter vorstellte, meinte diese "Aber alle deine Songs sind doch über dich."

Nach diesem Lied war der Auftritt offiziell beendet. Das Verlassen der "Bühne" gestaltete sich etwas schwierig, da ja überall Zuschauer saßen, Flo schaffte es jedoch, den Raum kurz zu verlassen und für eine prompt per Applaus eingeforderte Zugabe nochmals zurückzukehren. 



Auch zu diesem Song "Africa I Come" gab es eine lustige Geschichte: Ostertag unternahm während der Corona-Pandemie gemeinsam mit einem Freund eine Radtour mit Gitarre. Gemeinsam trat man auch in einem Biergarten auf, und der Musiker merkte während des Konzerts, dass ein Mann jeden Song mit grimmigem Schauen quittierte, sich dessen Miene aber bei diesem letzten Lied etwas aufhellte. Hinterher sei dieser zu ihm gekommen und hätte - auf Schwäbisch - das Lied gelobt und gesagt "Das letzte Lied hat mir gefallen. Den Rest hätt's nicht gebraucht."

Im Anschluss wurde noch die eine oder andere Platte verkauft und signiert. Der Musiker hatte sich mittlerweile dazu entschlossen, noch abends die Rückfahrt in den Stuttgarter Raum anzutreten, und war folglich recht schnell damit beschäftigt, all die hereingetragenen Dinge wieder abzubauen und zum Auto zu tragen. Ein etwas ungewöhnlicher Teil dieses speziellen Konzertabends war noch, dass ich im Anschluss einer kleinen Schar Konzertbesucher noch die neue Eismaschine vorführte - so etwas passiert im Kölner Palladium sicherlich eher selten.

Wie schön, dass wir Flo Ostertag in der Schlusskurve des Jahres für ein Konzert gewinnen konnten, und was für eine Erleichterung, dass auch nach längeren Unterbrechungen letztlich viele Menschen Interesse an dem Auftritt hatten! 

 


Setliste:

Season of Monsoon
One more time
John Wayne
Keeping it vague
Drifting
I don't know what to say
Quick echoes
Better Version

Lovesongs
Home
In the meantime
Give Up
Invisible
All about me

Africa I Come

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